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Entscheidungen

OWi

Bußgeldbescheid, Anforderungen an die Tatbeschreibung, Bezugnahme

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 13.01.2022 – 5 RBs 278/21

Leitsatz des Gerichts: 1. Zur Bezeichnung der "Tat" in § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG genügt die Angabe der allgemeinen ("abstrakten") gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht. Vielmehr ist der Sachverhalt, in dem die Verwaltungsbehörde den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erblickt, unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass dem Betroffenen erkennbar wird, welches Tun oder Unterlassen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich daher verteidigen muss. Der Umfang der Tatschilderung wird maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift bestimmt, wobei keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen.
2. Eine Bezugnahme im Bußgeldbescheid auf außerhalb seiner selbst (oder mit ihm verbundener Anlagen) liegende Aktenbestandteile ist unzulässig - selbst dann, wenn diese dem Betroffenen vorher in Abschrift mitgeteilt worden sind.
3. Gewerbsmäßig i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 8 TierSchG handelt, wer die Tätigkeit planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt.


In pp.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene mit dem angefochtenen Urteil wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handels mit Wirbeltieren zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt und ihr Ratenzahlung bewilligt. Gegen das Urteil wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Insbesondere rügt sie, dass das Urteil nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden sei und dass ein gewerbsmäßiger Handel nicht vorgelegen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Einstellung des Verfahrens (§§ 79 Abs. 3 OWiG; 353, 354 Abs. 1 StPO).

Es besteht ein Verfahrenshindernis, weil der Bußgeldbescheid vom 26.11.2018 unwirksam ist.

Nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG muss der Bußgeldbescheid "die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeld vor Schriften" enthalten. Das entspricht den Anforderungen, die an die Anklageschrift und an den Strafbefehl gestellt werden, dem der Bußgeldbescheid nachgebildet worden ist. Der Bußgeldbescheid erfüllt auch dieselben Aufgaben. Er enthält wie der Strafbefehl die Beschuldigung, die den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens - im Falle der Einspruchseinlegung, wie die Anklageschrift, auch den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens - in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht abgrenzt und mithin auch den Umfang der Rechtskraft (§ 84 OWiG) bestimmt. Außerdem soll er dem Betroffenen ein Bild von der Berechtigung des gegen ihn erhobenen Vorwurfes verschaffen, damit der Betroffene wie beim Strafbefehl prüfen kann, ob er Einspruch einlegen und wie er für diesen Fall - das gilt wiederum auch für die Anklageschrift - seine Verteidigung in der Hauptverhandlung vorbereiten soll. Deshalb genügt zur Bezeichnung der "Tat" in § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG die Angabe der allgemeinen ("abstrakten") gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht. Vielmehr ist der Sachverhalt, in dem die Verwaltungsbehörde den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erblickt, unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass dem Betroffenen erkennbar wird, welches Tun oder Unterlassen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich daher verteidigen muss. Der Umfang der Tatschilderung wird maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift bestimmt. Da das Bußgeldverfahren eine schnelle und Verwaltungskosten einsparende Ahndung der Ordnungswidrigkeiten bezweckt, verbieten sich überhöhte Anforderungen an die Schilderung von selbst; auch ein in Rechtsfragen unerfahrener Bürger muss jedoch den Vorwurf verstehen können (vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 16.09.2021 - III-4 RBs 277/21 - juris).

Wesentlich für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung ist seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Mängel in dieser Richtung lassen sich weder mit Hilfe anderer Erkenntnisquellen, etwa dem Akteninhalt im Übrigen, ergänzen noch nachträglich, etwa durch Hinweise in der Hauptverhandlung, "heilen". Der Bußgeldbescheid erwächst, sofern er nicht angefochten wird, in Rechtskraft. Er muss daher auch selbst die für seine Wirksamkeit notwendigen Voraussetzungen erfüllen, d.h. die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ausschließen (BGH NJW 1970, 2222; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.11.2015 - 3 Ss OWi 1218/15 - juris; OLG Hamm a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.01.2020 - 1 Rb 21 Ss 967/19 - juris, jew. m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird der Bußgeldbescheid vom 26.11.2018 nicht gerecht.

Er lautet nach dem Eingangssatz, in dem die Rechtsfolge festgesetzt wird:

"A, B-Straße ##
am 18.02.2018

Sie haben Katzenwelpen zum Preis von 260,- bis 300,- je Tier im I. Quartal 2018 über das Internet zu verkaufen gedacht bzw. verkauft. Darüber hinaus liegen weitere Unterlagen zu Katzen- und Hundeverkäufen vor, die Ihnen zugeordnet werden können. Dies belegt einen gewerbsmäßigen Handel mit Wirbeltieren. Sie sind nicht im Besitz einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 b) Tierschutzgesetz, die ermächtigt, gewerbsmäßig mit Wirbeltieren zu handeln. Sie haben einen Katzenwelpen unter der 8. Lebenswoche vom Muttertier getrennt und verkauft. Der Sachverhalt wurde Ihnen detailliert im Rahmen der Anhörung mit Schreiben vom 16.10.2018 bekannt gegeben." (Es folgen die angewendeten Vorschriften, ein Hinweis auf § 19 OWiG, die Beweismittel etc.)

Der darin geschilderte Lebensvorgang enthält lediglich eine völlig unkonkrete Schilderung des gegenüber der Betroffenen erhobenen Vorwurfes, der eine zweifelsfreie Feststellung desselben nicht erlaubt.

Zweifel bestehen schon, ob Tatort und Tatzeit hinreichend bestimmt angegeben worden sind. Die Angaben "A, B-Straße ## am 18.02.2018" sind textlich nicht eingebunden (etwa: "Ihnen wird vorgeworfen, in A am 18.02.2018 ...) und enthalten auch keine sonstigen erläuternde Zusätze (etwa: "Tatort:", "Tatzeit"). Es kann dahinstehen, ob aus dem Gesamtzusammenhang noch hinreichend deutlich wird, dass es sich hierbei um entsprechende Angaben zu Tatort und Tatzeit handeln soll. Es wäre dann bzgl. der Tatzeit aber womöglich ein Widerspruch gegeben zur nachfolgenden "Konkretisierung", wo vom "I. Quartal 2018" die Rede ist und es offenbar um mehrere Verkaufshandlung geht. Dieser Widerspruch ließe sich allenfalls dann ausräumen, wenn sämtliche Verkaufshandlungen am 18.02.2018 stattgefunden haben, da dieser Tag im 1. Quartal 2018 liegt. Gegen eine solche Deutung spricht freilich schon, dass in der Konkretisierung gerade der Zeitraum erweitert benannt worden ist. Letztendlich bleibt damit schon unklar, ob der Betroffenen lediglich ein gewerbsmäßiger Handel am 18.02.2018 oder der im gesamten 1. Quartal 2018 zur Last gelegt werden soll.

Der Bußgeldbescheid enthält keine hinreichenden Angaben zu den Tatsachen des unerlaubten gewerbsmäßigen Handels mit Wirbeltieren. Es lässt sich ihm nur entnehmen, dass es um Wirbeltiere geht (Katzenwelpen), dass sie diese für 260 bis 300 Euro im Internet zum Verkauf angeboten oder verkauft hat und dass sie keine Erlaubnis besaß. Schon bzgl. der Verkaufshandlungen fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung (wann an wen, zu welchen konkreten Preis, ggf. welches Tier), die einen zweifelsfreien, von vergleichbaren Vorgängen unterscheidbaren Lebenssachverhalt ergäben. Tatsächliche Angaben, die eine Gewerbsmäßigkeit ergäben, fehlen. Gewerbsmäßig handelt, wer die Tätigkeit planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt (Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Mai 2021, § 11 TierSchG Rdn. 9; Hirt/Maisach/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 11 Rdn. 8; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 14.03.2013 - 20 B 34/13 - juris). Weder die Zahl der versuchten oder erfolgten Verkäufe werden benannt, noch in welchen "weiteren Unterlagen" der Beleg für eine Gewerbsmäßigkeit erkannt werden könnte.

Anders als das angefochtene Urteil, welches drei konkrete Verkaufsversuche datumsmäßig, bzgl. der Tierart (etwa: "Katzen Britisch Kurzhaar/Bengal"), des Verkaufspreises und der Kaufinteressenten näher benennt (wobei allerdings alle drei im erste Quartal 2018 liegenden Sachverhalte sich jedenfalls nicht am 18.02.2018 abspielten), findet man im Bußgeldbescheid eine solche Tatbeschreibung nicht, so dass letztlich eine unverwechselbare Bezeichnung, die eine Unterscheidbarkeit zu anderen im 1. Quartal liegenden vergleichbaren Lebenssachverhalten gewährleisten würde, fehlt. Eine solche Bezeichnung wäre um so notwendiger gewesen, als es um ein gewerbsmäßiges Tun geht, es also durchaus nicht unwahrscheinlich ist, dass es noch andere vergleichbare Lebenssachverhalte gibt.

Es kann dahinstehen, ob der Verweis auf das Anhörungsschreiben vom 16.10.2018 lediglich einen Hinweis darauf darstellen soll, dass die Betroffene angehört wurde, oder ob darin eine Bezugnahme bzgl. des näheren Sachverhalts liegen soll. Eine Bezugnahme im Bußgeldbescheid auf außerhalb seiner selbst (oder mit ihm verbundener Anlagen) liegende Aktenbestandteile ist unzulässig - selbst dann, wenn diese dem Betroffenen vorher in Abschrift mitgeteilt worden sind (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.03.1978 - 3 Ss (B) 15/78 - juris LS; Kurz in: KK-OWiG, 5. Aufl., § 66 Rdn. 13; vgl. auch: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.03.2017 - 1 Ws 10/17 - juris). Der Bußgeldbescheid muss aus sich heraus die oben genannten Anforderungen erfüllen. In einem Fall wie hier, in dem der Betroffenen zuvor im Rahmen der Anhörung ein jedenfalls im Vergleich zum Bußgeldbescheid konkreter dargestellter Vorwurf mitgeteilt wurde, gilt dies schon deswegen, weil die unspezifische Formulierung des Bußgeldbescheides sowohl einen Fall erfassen würde, in dem alle Vorwürfe aus dem Anhörungsschreiben einbezogen werden, als auch einen solchen, in dem die Bußgeldbehörde etwa aufgrund der Äußerungen der Betroffenen zwar einzelne Tathandlungen "fallen lässt", aber gleichwohl noch den Ordnungswidrigkeitentatbestand aufgrund der verbleibenden Tathandlungen als erfüllt ansieht.


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