Gericht / Entscheidungsdatum: VG Arnsberg, Beschl. v. 31.01.2022 - 7 L 7/22
Eigener Leitsatz: § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO bringt dadurch, dass dort auf den Fahrzeughalter und die (Unmöglichkeit der) Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften abgestellt wird, zum Ausdruck, dass die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften jedenfalls bei oder im Zusammenhang mit der Führung des Fahrzeuges des Fahrzeughalters begangen worden sein muss. Der Begriff der Führung eines Kraftfahrzeuges erfasst aber grundsätzlich nur Bewegungsvorgänge des Fahrzeugs.
7 L 7/22
VERWALTUNGSGERICHT ARNSBERG
BESCHLUSS
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren pp.
wegen Anordnung einer Fahrtenbuchauflage
hier: Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg am 31. Januar 2022 durch pp. beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung der am 20. Dezember 2021 erhobenen Klage 7 K 3360/21 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners über die Führung eines Fahrtenbuches vom 11. November 2021 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 4.800 festgesetzt.
Gründe:
Der sinngemäße Antrag, die aufschiebende Wirkung der am 20. Dezember 2021 erhobenen Klage 7 K 3360/21 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners über die Führung eines Fahrtenbuches vom 11. November 2021 wiederherzustellen, ist zulässig und begründet. Das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Ordnungsverfügung. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus, weil derzeit vieles dafür spricht, dass seine Klage Erfolg haben wird.
Der Antragsgegner kann die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aller Voraussicht nach nicht auf § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO stützen. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann nach Satz 2 ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.
Unter Berücksichtigung der von dem Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid aufgrund des dort dargestellten Sachverhaltes zugrunde gelegten Straftaten (vorsätzliche einfache Körperverletzung, Sachbeschädigung an nicht frei zugänglichen Orten ohne Kfz, Beleidigung) liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht vor. Denn es steht bereits nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit fest, dass die objektiven Tatbestände dieser Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Führung des (früheren) Fahrzeuges des Antragstellers begangen wurden. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO bringt dadurch, dass dort auf den Fahrzeughalter und die (Unmöglichkeit der) Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften abgestellt wird, zum Ausdruck, dass die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften jedenfalls bei oder im Zusammenhang mit der Führung des Fahrzeuges des Fahrzeughalters begangen worden sein muss. Ein Fahrzeug führt derjenige, der es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt, wobei der etwa vorhandenen Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt.
Vgl. Görlinger in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 315c StGB (Stand: 1. Dezember 2021), Rn. 31.
Der Begriff der Führung eines Kraftfahrzeuges erfasst grundsätzlich nur Bewegungsvorgänge.
Vgl. Geppert in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis, Rn. 26.
Unter Berücksichtigung der Aussagen des Geschädigten und des Zeugen wurden die zur Anzeige gebrachten (objektiven) Tatbestände der in dem angefochtenen Bescheid für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage zugrunde gelegten Straftaten jedenfalls nicht bei oder im Zusammenhang mit einem Bewegungsvorgang des Fahrzeuges des Antragstellers begangen. Denn nach den übereinstimmenden Aussagen des Geschädigten und des Zeugen ist der Täter vor einer roten Ampel aus seinem Auto ausgestiegen, zu Fuß zu dem vor dem Fahrzeug des Täters stehenden Fahrzeug des Geschädigten gelangt und dort durch das geöffnete Seitenfenster handgreiflich (Prellung der Nase des Geschädigten) und beleidigend geworden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Hierbei bewertet die Kammer in Anlehnung an Nr. 46.11 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit das wirtschaftliche Interesse an Verfahren, in denen um die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage gestritten wird, mit 400,00 für jeden Monat der Fahrtenbuchauflage, vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 8 A 280/05 , NZV 2006, 223 und Beschluss vom 31. Januar 2011 8 A 1119/10 , und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich ergebenden Gesamtbetrages fest.
Einsender: RA M. Wandt, Wuppertal
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