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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Führungsaufsicht, Zulässigkeit von Weisungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 22.07.2021 - 1 Ws 413/21

Leitsatz des Gerichts: 1. Eine unter der Bedingung erteilte Weisung nach § 68b StGB, dass der Verurteilte nicht vorher erfolgreich eine Therapie im Rahmen des § 35 BtMG abschließen kann, ist rechtlich nicht zulässig.
2. Die Erteilung einer Weisung nach § 68b StGB, Hausbesuche durch den Bewährungshelfer zu dulden, ist ebenfalls rechtlich nicht zulässig.
3. Ungeachtet des der Strafvollstreckungskammer zustehenden Ermessensspielraums im Rahmen der Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist das Beschwerdegericht befugt, klarstellende Neufassungen einer Weisung vorzunehmen, die nicht mit einer sachlichen Änderung derselben verbunden sind.


In pp.

I. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 14.05.2021 in Ziff. 2d, Ziff. 2e, Ziff. 3d, Ziff.3e und Ziff. 3f aufgehoben. Die Ziff. 3b des Beschlusses wird klarstellend neu gefasst, wie folgt:

Er hat
[…]
b) vor jedem Wechsel des Wohnortes und/oder des Arbeitsplatzes mit dem Bewährungshelfer Rücksprache zu nehmen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Verurteilten als unbegründet verworfen.
III. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte steht unter Führungsaufsicht gemäß Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 31.03.2020 nach Erledigterklärung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und Ablehnung der Reststrafenbewährung. Mit Beschluss vom 14.05.2021 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die Führungsaufsicht ausgestaltet, nachdem die weitere Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nunmehr zugunsten einer Therapie im Rahmen von § 35 BtMG zurückgestellt werden soll. Die Strafvollstreckungskammer hat den Verurteilten für die Dauer der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe- und Führungsaufsichtsstelle unterstellt (Ziff. 1) und dem Verurteilten eine Reihe von Weisungen erteilt (Ziff. 2a mit e), strafbewehrt, Ziff. 3a mit f, nicht strafbewehrt), wegen deren Einzelheiten an dieser Stelle – ebenso wie wegen der Begründung des Beschlusses insgesamt – auf den Inhalt des vorgenannten Beschlusses Bezug genommen wird, und hat die mündliche Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht der Justizvollzugsanstalt übertragen (Ziff. 6). Der Beschluss ist dem Verurteilten am 21.05.2021 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 25.05.2021, bei den Justizbehörden eingegangen am 31.05.2021, legte der Verurteilte gegen den Beschluss Rechtsmittel ein und zwar ausdrücklich gegen die Ziffern 2d, 2e, 3b, 3d, 3e und 3f des Beschlusses. Auf den Inhalt seines Schreibens wird im Übrigen Bezug genommen. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts hat gemäß Verfügung vom 30.06.2021 der Beschwerde des Verurteilten nicht abgeholfen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 05.07.2021 beantragt, die Beschwerde des Verurteilten von 25.05.2021 gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 14.05.2021 als unbegründet kostenfällig zu verwerfen. Hierzu hatte der Verurteilte Gelegenheit zur Stellungnahme, äußerte sich jedoch nicht mehr.

II.

Nachdem der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 14.05.2021 lediglich Entscheidungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht enthält, ist das Rechtsmittel des Verurteilten ausschließlich als einfache Beschwerde zu behandeln. Diese ist gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 StPO statthaft und zulässig eingelegt (§ 306 Abs. 1 StPO). Das gemäß § 306 Abs. 2 StPO vorgeschriebene Abhilfeverfahren hat stattgefunden.

Der Verurteilte hat sein Rechtsmittel ausdrücklich auf einzelne, explizit bezeichnete Weisungen beschränkt. Eine solche Rechtsmittelbeschränkung auf einzelne Anordnungen im Rahmen eines Beschlusses, der die Führungsaufsicht näher ausgestaltet, ist möglich, soweit diese gegenüber den sonstigen Anordnungen derart selbständig sind, dass sie eine gesonderte Prüfung und Beurteilung erlauben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 304 Rn. 4). Dies ist vorliegend der Fall.

Soweit die Ausgestaltung der Führungsaufsicht angegriffen wird, kann sich das Rechtsmittel allerdings nur darauf stützen, dass die vom Gericht getroffenen Regelungen gesetzwidrig sind (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Folglich hat das Beschwerdegericht insoweit auch nur die Gesetzmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung zu überprüfen und darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des nach § 462a StPO berufenen Gerichts setzen (vgl. KK/Appl StPO 8. Aufl. § 453 Rn. 12 m.w.N.). Gesetzwidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind, oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten (vgl. Appl a.a.O. Rn. 13). Gleiches muss für den Fall gelten, dass eine Ausübung des Ermessens überhaupt nicht ersichtlich ist. Ansonsten verbleibt es bei dem Grundsatz, die mit den Anordnungen zur Führungsaufsicht verbundene Ermessensentscheidung der Strafvollstreckungskammer zu überlassen. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit umfasst neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und ob Ermessensmissbrauch vorliegt, auch die Prüfung, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 453 Rn. 12).

Nach diesen Maßstäben ist die Beschwerde zum weit überwiegenden Teil erfolgreich.

Die Abstinenz- und Kontrollweisung unter Ziff. 2d, die Vorstellungsweisung unter Ziff. 2e, die Behandlungsweisung unter Ziff. 3d, die Weisung zur telefonischen Erreichbarkeit unter Ziff. 3e und die Weisung zur Duldung von Hausbesuchen unter Ziff. 3f des Beschlusses stehen ihrem eindeutigen Wortlaut nach jeweils unter der Bedingung (Eintritt eines künftigen, ungewissen Ereignisses), dass der Verurteilte die Therapie im Rahmen des § 35 BtMG nicht erfolgreich abschließen wird (wörtliche Formulierung: „[…], sofern er nicht vorher erfolgreich die Therapie im Rahmen des § 35 BtMG abschließen kann.“)

Grundsätzlich sind die Abstinenzweisung unter Ziff. 2d, die Vorstellungsweisung unter Ziff. 2e, die Behandlungsweisung unter Ziff. 3d und die Weisung zur telefonischen Erreichbarkeit unter Ziff. 3e aufgrund der im Beschluss angegebenen Rechtsgrundlagen jeweils möglich und im Falle des Verurteilten wohl auch angezeigt. Auch die Notwendigkeit, ein Mobiltelefon (mit entsprechendem Kostenaufwand) jederzeit empfangsbereit vorzuhalten, erscheint nicht von vornherein als unzumutbar.

Anders verhält es sich mit der Weisung zur Duldung von Hausbesuchen unter Ziff. 3f des Beschlusses. Diese ist bereits deswegen rechtswidrig, weil sie - mit oder ohne Bedingung - gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG verstößt.

Nach Art. 13 Abs. 7 GG dürfen sonstige Eingriffe in dieses Recht, wie etwa eine staatliche Anordnung zur Duldung von Betretungen, nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden. Für diese eng auszulegenden Voraussetzungen ist hier nicht das Geringste ersichtlich oder im angefochtenen Beschluss ausgeführt. Der Weisungskatalog des § 68b Abs. 1 Satz 1 StGB enthält eine solche Eingriffsermächtigung nicht. § 68b Abs. 2 Satz 1 StGB ist als generalklauselartige Ermächtigungsgrundlage hierfür nicht ausreichend.

Die vorgenannten, hinsichtlich ihrer Gültigkeit unter einer Bedingung stehenden Weisungen sind aber jedenfalls deswegen unzulässig, da sie in ihrer jetzigen Ausgestaltung entgegen § 68b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausreichend bestimmt sind.

Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein, da sie sonst nicht zulässig sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.01.2009 - 1 Ws 20/09, 29.08.2008 - 1 Ws 478/08, 14.03.2007 - 1 Ws 855/06, 05.07.2007 - 1 Ws 449/07, 13.04.2010 - 1 Ws 167/10 [jew. unveröffentlicht]). Für den Verurteilten muss von vornherein klar und eindeutig erkennbar sein, welches Verhalten von ihm verlangt wird. Dies gilt wegen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) besonders für die strafbewehrten Weisungen. Die inhaltliche, den Bestimmtheitsgrundsatz entsprechende Ausgestaltung von Weisungen hat der Gesetzgeber ausschließlich dem Gericht übertragen.

Rein objektiv ist bereits unklar, nach welchen Kriterien es sich beurteilen soll, dass die Maßnahme im Rahmen von § 35 BtMG „erfolgreich“ abgeschlossen ist. Schon deswegen sind die betroffenen Weisungen unbestimmt.

In subjektiver Hinsicht bleibt offen, wer die Beurteilung vornehmen soll.

Letztlich wäre dies nach der jetzigen Fassung der Weisungen rein tatsächlich nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern allenfalls ein sachkundiger Dritter, etwa die behandelnde Einrichtung, die aber keine rechtlich verbindliche Entscheidung treffen kann. Die Kompetenz, – ggf. aufgrund sachverständiger Beratung – rechtsverbindlich darüber zu entscheiden, ob die Weisung nun erteilt oder hinfällig ist, hat entsprechend vorstehenden Ausführungen ausschließlich die Strafvollstreckungskammer, die ihre Entscheidung auf der Grundlage von dann feststehenden Tatsachen zu treffen hat.

Schließlich lässt man den Verurteilten - aus seiner Sicht - ziemlich allein und im Unklaren hinsichtlich der Frage, ob und ab wann die Bedingung eingetreten ist und er die Weisungen zu befolgen hätte, um sich nicht nach § 145a StGB strafbar zu machen. Dies verträgt sich nicht, wie bereits ausgeführt, mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.

Auch deswegen, weil derzeit eine vollständige Tatsachengrundlage nicht besteht, erschiene zum jetzigen Zeitpunkt die Erteilung von (unbedingten) Weisungen, die sich auf die Kontrolle der Suchtmittelabstinenz und die weitere Behandlung der Suchtmittelproblematik beziehen, möglicherweise zugleich ermessensfehlerhaft.

Aus diesen Gründen waren diese Weisungen auf die Beschwerde des Verurteilten hin aufzuheben.

Zweckmäßigerweise hätte die Ausgestaltung der Führungsaufsicht weiterhin zurückgestellt werden können bis zur endgültigen Entscheidung über die Vollstreckung der nach § 35 BtMG zurückgestellten Freiheitsstrafe.

Der Strafvollstreckungskammer bleibt es trotz der jetzigen Aufhebung der vorgenannten Weisungen auch ohne eine förmliche Zurückverweisung unbenommen, entweder sogleich oder aber zu einem späteren Zeitpunkt erneut Weisungen zu erteilen, welche sich auf die Suchtmittelproblematik des Verurteilten beziehen, da solche Weisungen, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich möglich sind und im Falle des Verurteilten auch angezeigt erscheinen.

Der Verurteilte wird daher trotz der nunmehr erfolgten Aufhebung der Weisungen weiterhin damit zu rechnen haben, dass ihm auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere dann, wenn die Behandlung im Rahmen des § 35 BtMG fehlschlagen sollte, im Rahmen der Führungsaufsicht Weisungen erteilt werden, die sich auf die Kontrolle einer Suchtmittelabstinenz und die weitere Behandlung seiner Suchtproblematik beziehen.

Unbegründet ist die Beschwerde des Verurteilten lediglich hinsichtlich der unter Ziff. 3b des Beschlusses erteilten Weisung; diese lautet, wie folgt:
Er hat […]
b) den Wohnort und/oder den Arbeitsplatz nicht ohne Rücksprache mit dem Bewährungshelfer zu wechseln.

Eine solche Weisung ist nach § 68b Abs. 2 Satz 1 StPO zulässig. Die Weisung verstößt – bei gehöriger Auslegung – auch nicht gegen die Grundrechte des Verurteilten auf Freizügigkeit und freie Arbeitsplatzwahl aus Art. 11 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.

Danach wäre ein Mitsprache- oder gar Bestimmungsrecht der Führungsaufsichtsstelle oder des Bewährungshelfers bei der Wahl des Wohnsitzes gesetzeswidrig (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 12.12.2008 - 2 Ws 380/08 bei juris; Senatsbeschluss v. 08.07.2010 - 1 Ws 360/10 [unveröffentlicht]). Dies gilt in gleicher Weise für die Wahl des Arbeitsplatzes.

Ein Mitsprache- und Bestimmungsrecht des Bewährungshelfers sollte vorliegend jedoch nicht geschaffen werden, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt.

Danach soll der Bewährungshelfer lediglich die Möglichkeit erhalten, durch Beratung auf den Verurteilten einzuwirken, bevor unumkehrbare Fakten geschaffen werden, wenn der Bewährungshelfer einen Wechsel des Wohnorts oder des Arbeitsplatzes als problematisch erachtet. Eine so verstandene Weisung, Rücksprache zu nehmen, also zuvor ein direktes Gespräch mit dem Bewährungshelfer, auch fernmündlich, hierüber zu führen, ist weder rechtlich noch ermessensfehlerhaft und auch nicht unzumutbar.

Der Senat hat die Weisung in diesem Sinne allerdings neu gefasst, um klarzustellen, dass nicht der Wechsel von Wohnung und/oder Arbeitsplatz untersagt, sondern die vorherige Führung eines Gesprächs mit dem Bewährungshelfer geboten werden soll.

Eine sachliche Änderung der Weisung ist damit nicht verbunden (weswegen sich der Senat hierzu in der Lage sieht, auch wenn er im Beschwerdeverfahren gegenüber der Strafvollstreckungskammer entsprechend vorstehenden Ausführungen auf eine reine Rechtsfehler- und Ermessenskontrolle beschränkt ist).

Insoweit (im Hinblick auf Ziff. 3b des angefochtenen Beschlusses) war die Beschwerde des Verurteilten deswegen als im Übrigen unbegründet zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Soweit das Rechtsmittel des Verurteilten nicht erfolgreich war, betraf dies eine im Vergleich zu den übrigen, erfolgreich angefochtenen Weisungen eher weniger bedeutsame Weisung. Noch dazu konnte sich der Verurteilte durch deren leicht misszuverstehende Formulierung auch insoweit zur Einlegung eines Rechtsmittels veranlasst sehen. Deswegen wäre es unbillig, den Verurteilten hier mit Kosten und Auslagen zu belasten.


Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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