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Entscheidungen

Gebühren

Einziehung, Wertersatz, Strafbefehl, zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 - 106 Qs 14/21

Eigener Leitsatz: 1. Nach der am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB sind vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB, einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB erfasst.
2. Die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG fällt bereits an, wenn Einspruch gegen einen die Einziehung von Wertersatz anordnenden Strafbefehl eingelegt wird.


106 Qs 14/21
Landgericht Köln

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren
betreffend pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt pp.
Verfahrensbeteiligte: Die Bezirksrevisorin beim Amtsgericht Köln

hat die 6. große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 20.07.2021 - Az: 581 Cs 569/20 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter und den Richter am Landgericht am 31.08.2021 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss vom 20.07.2021 aufgehoben, soweit Ziffer 4 des Kostenfestsetzungsantrags vom 08.04.2021 kostenpflichtig zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Köln – Rechtspfleger – zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt - soweit angegriffen - zur teilweisen Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 20.07.2021 und Zurückverweisung der Sache an das Gericht erster Instanz.

1. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist vorliegend nach § 464b Satz 3 StPO iVm. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ZPO, 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Es ist fristgerecht im Sinne des § 464b Satz 4 StPO eingelegt worden; der Beschwerdewert von mehr als 200 € ist erreicht. Über die sofortige Beschwerde hat die Kammer, nicht der Einzelrichter, zu entscheiden. Zwar verweist § 464b Satz 3 StPO für das Kostenfestsetzungsverfahren auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Gleichwohl ist anerkannt, dass die Vorschrift des § 568 Satz 1 ZPO, die im Zivilprozess für das Beschwerdeverfahren den originären Einzelrichter vorsieht, im strafprozessualen Beschwerdeverfahren keine Anwendung findet (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 3. September 2013 - Az. III-2 Ws 462/13, BeckRS 2013, 17038, beck-online; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 464b Rn. 7; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464b Rn. 4b).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Beschwerdeführer beantragte und vom Amtsgericht Köln im angegriffenen Beschluss nicht zuerkannte Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG ist dem Grunde nach angefallen und festzusetzen.

Der sachliche Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr ist eröffnet. Gemäß Absatz 1 der Anmerkung zu Nr. 4142 VV RVG entsteht die als Wertgebühr (§ 2 RVG) ausgestaltete besondere Verfahrensgebühr für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Durch die Gebühr werden Tätigkeiten des Rechtsanwalts vergütet, die darauf gerichtet sind, dem Beschuldigten erhaltenswerte Vermögensgegenstände zu sichern (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2018 – III ZR 191/17, Rn. 19; Toussaint/Felix, KostenR, 51. Aufl., VV 4142 RVG, Rn. 2). Nach der am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB sind vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB, einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB, erfasst (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., VV 4142 Rn. 7; Toussaint/Felix, aaO, Rn. 4; BeckOK-RVG/Knaudt, Stand 01.06.2021, VV 4142 Rn. 3; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 Ws 48/19, BeckRS 2019, 44499, Rn. 8 ff., beck-online). Dabei kommt es nach der herrschenden Auffassung nicht (mehr) darauf an, ob die angeordnete Einziehung Strafcharakter hat oder allein der Entziehung der durch die (zur Last gelegte) Straftat erlangten unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteile dient (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, aaO, Rn. 7; so auch LG Aachen, Beschluss vom 1. April 2021 – 60 Qs 7/21, juris). Auch ist die Entstehung der Verfahrensgebühr davon unabhängig, ob die Vermögensabschöpfung (auch) der Entschädigung von Tatverletzten dient (vgl. KG, Beschluss vom 6. März 2019 – 1 Ws 31/18, BeckRS 2019, 10399, Rn. 6, beck-online).
Die nach altem Recht bestehende Streitfrage, ob die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auch in Fällen einer (vorläufigen) Beschlagnahme zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO a.F.) entsteht, die nicht zu einem endgültigen Vermögensverlust führen (vgl. zum Streitstand die Nachweise bei Burhoff in Gerold/Schmidt, aaO, Rn. 6 Fn. 16), hat sich nach Aufhebung der Regelungen über die Rückgewinnungshilfe erledigt und ist für die Beurteilung im Streitfall schon deshalb ohne Belang, weil vorliegend gegen den Beschwerdeführer gerade keine (vorläufige) Sicherung mittels Beschlagnahme nach § 111b StPO bzw. Vermögensarrestes nach § 111e StPO angeordnet wurde, sondern mit Strafbefehl vom 06.01.2021 vielmehr die (endgültige) Einziehung von Wertersatz in Höhe von 9.000 €.

Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in der von der Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Köln mit Stellungnahme vom 07.06.2021 (Bl. 236 f. d.A.) zitierten Entscheidung vom 10.10.2019 ausgeführt hat, dass Fälle der Einziehung von Wertersatz nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Gebührentatbestands erfasst seien, schließt sich die Kammer dieser Auffassung nicht an (so auch LG Aachen, aaO, Rn. 26). Bereits im Ausgangspunkt findet eine derartige Auslegung im Wortlaut des Gebührentatbestands, der nicht nach den verschiedenen Einziehungsformen nach §§ 73 ff. StGB differenziert, keine tragfähige Grundlage. Die Auffassung kann auch nicht überzeugen, soweit sie das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. damit begründet, die Wertersatzeinziehung diene „lediglich der vorläufigen Sicherung zivilrechtlicher Schadensansprüche des oder der Geschädigten (...), über dessen Berechtigung und Höhe erst noch in einem gesonderten Verfahren, mit eigenen Gebührensansprüchen zu befinden“ sei (vgl. KG, aaO, Rn. 9). Denn die Wertersatzeinziehung ist – anders als die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder der Vermögensarrest nach § 111e StPO – gerade keine vorläufige Maßnahme und führt dementsprechend für den Beschuldigten zu einem endgültigen Vermögensverlust. Dies gilt unabhängig davon, ob ein späterer Verwertungserlös nach § 459h Abs. 2 StPO an den Geschädigten ausgekehrt wird oder letztlich beim Staat verbleibt.

Auch die weiteren Voraussetzungen für das Entstehen der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG sind gegeben. Insbesondere ist vorliegend der Verteidiger des Beschuldigten auch in Bezug auf die Einziehung tätig geworden; die Hauptverhandlung vom 31.03.2021 erfolgte auf den Einspruch gegen den Strafbefehl vom 06.01.2021, in welchem die Wertersatzeinziehung bereits angeordnet war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auch Tätigkeiten erfasst, die zumindest einen Bezug zur Einziehung haben, so dass die Gebühr bereits durch Erhebung der allgemeinen Sachrüge im Revisionsverfahren anfällt, da durch diese die Prüfung des gesamten Urteils einschließlich der Einziehungsentscheidung erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – 3 StR 625/17, Rn. 4, juris; BeckOK-RVG/Knaudt, aaO, Rn. 9.1). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall des Einspruchs gegen einen die Einziehung von Wertersatz anordnenden Strafbefehl gelten. Da es sich bei Nr. 4142 VV RVG um eine Wertgebühr handelt, ist der Umfang der vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten für das Entstehen und die Höhe der Gebühr ohne Belang (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, aaO, Rn. 11).

Schließlich ist – auch unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Festsetzung des Gegenstandwertes, hierzu sogleich unter Ziffer II. – im vorliegenden Fall die Wertgrenze von 30,00 € nach Absatz 2 der Anmerkung zu Nr. 4142 VV RVG erkennbar überschritten.

II.

Eine abschließende Entscheidung über Ziffer 4 des Kostenfestsetzungsantrags des Beschwerdeführers vom 08.04.2021 auch der Höhe nach konnte durch die Beschwerdekammer nicht erfolgen, da die nach § 33 Abs. 1 RVG – auf Antrag des Rechtsanwalts – zu treffende gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswertes (vgl. hierzu BeckOK-RVG/Knaudt, aaO, Rn. 11) bislang unterblieben ist.

III.

Die Zurückverweisung der Sache stellt nur einen vorläufigen Erfolg dar, so dass eine Kostenentscheidung durch das Beschwerdegericht nicht zu ergehen hat. Die Entscheidung hierüber ist dem erneut mit der Sache befassten Amtsgericht zu übertragen, weil der endgültige Erfolg des Rechtsmittels im kostenrechtlichen Sinne bis zum Vorliegen der neuen Sachentscheidung ungewiss ist (vgl. KK-StPO/Gieg, aaO, § 473 Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 473 Rn. 7).
Dr. Gemein Dr. Wach Dr. Logemann
Köln, 31.08.2021
Landgericht, 6. große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer

Dr. Logemann, Richter am Landgericht


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