Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 14.12.2021 - 16 KLs 206 Js 37825/15 (57/18)
Eigener Leitsatz: Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlichen Beratung in Ansatz gebracht werden, sofern diese zumindest nach Aktenlage geboten ist.
Landgericht Braunschweig
Beschluss
16 KLs 206 Js 37825/15 (57/18)
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Betruges
hier Erinnerung des Pflichtverteidigers gegen Absetzung der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG
hat die 4. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig durch die Richterin pp. als Einzelrichterin am 14.12.2021 beschlossen:
1. Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers vom 24.08.2021 wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Braunschweig vom 09.06.2021 aufgehoben, soweit damit die Festsetzung zur Erstattung der Gebühren und Auslagen über die Summe von 1.725,85 E hinaus abgelehnt wurde.
2. Die von der Landeskasse an den Pflichtverteidiger zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden in Höhe weiterer 659,00 nebst 16 % Umsatzsteuer festgesetzt.
3. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei.
Gründe:
I.
Herr Rechtsanwalt pp. (im Folgenden: Erinnerungsführer) war der Verurteilten mit Beschluss vom 26.10.2018 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
Mit Schriftsatz vom 02.10.2020 beantragte der Erinnerungsführer beim Landgericht Braunschweig die folgenden Gebühren und Auslagen festzusetzen:
1. Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 160,00
2. Vorverfahrensgebühr Nr. 4101 VV RVG 132,00
3. Terminsgebühr Nr. 4102 VV RVG am 03.07.2020 136,00
4. Verfahrensgebühr Landgericht Nr. 4112 VV RVG 148,00
5. Terminsgebühr Landgericht Nr. 4114 VV RVG am 16.07.2020 256,00
6. Gebühr für Einziehung und verwandte Maßnahmen Nr. 4142 VV RVG über > 30.000,00 467,00
7. Postpauschale für das Ermittlungsverfahren Nr. 7002 VV RVG 20,00
8. Postpauschale für das Hauptverfahren Nr. 7002 VV RVG 20,00
9. Dokumentenpauschale für 202 Kopien Nr. 7000 VV RVG 47,80
10. Für 206 Js 331/16 Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 160,00
Vorverfahrensgebühr Nr. 4101 VV RVG 132,00
Postpauschale für das Ermittlungsverfahren Nr. 7002 VV RVG 20,00
11. Terminsgebühr Landgericht Nr. 4114 VV RVG am 5.8.2020 256,00
Zwischensumme 1.954,80
12. Mehrwertsteuer 19 % Nr. 7008 VV RVG 312,77
Gesamtsumme 2.267,57
Mit Beschluss vom 09.06.2021 hat das Landgericht Braunschweig durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten des Erinnerungsführers auf 1.725,85 festgesetzt. Abgesetzt wurde die Gebühr Nr. 4142 VV RVG hinsichtlich einer möglichen Einziehung des Wertes des Erlangten nebst anteiliger Umsatzsteuer. Begründet wurde dies damit, dass die Staatsanwaltschaft in ihrer Verfügung vom 04.10.2018 unter Ziffer 3 von einer Einziehung gemäß § 421 Abs.3 StPO abgesehen hat.
Mit Schriftsatz vom 24.08.2021, eingegangen beim Landgericht Braunschweig am selben Tag, legte der Erinnerungsführer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.06.2021 ein. Der Erinnerungsführer wendet sich darin gegen die Absetzung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 467,00 . Hinsichtlich der Begründung wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Der Bezirksrevisor beim Landgericht Braunschweig ist gehört worden.
II.
1. Die Erinnerung ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 56 Abs.1 RVG statthaft.
2. Sie ist auch begründet und hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes Nr. 4142 VV RVG liegen vor. Danach entsteht die Gebühr u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlichen Beratung in Ansatz gebracht werden, sofern diese zumindest nach Aktenlage geboten ist (Beschluss, LG Amberg vom 31.05.2019, 11 KLs 106 Js 7350/18, BeckRS 2019, 12982).
Die Beratung hinsichtlich einer möglichen Einziehung war vorliegend nach Aktenlage geboten.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat zwar mit Abschlussverfügung vom 04.10.2018 gemäß § 421 Abs.3 StPO von einer Einziehung abgesehen. Jedoch legitimierte sich der Erinnerungsführer bereits mit Schreiben vom 27.07.2016 für die mittlerweile Verurteilte. Zudem wurde ihm mit Verfügung vom 04.11.2016 Akteneinsicht gewährt. Zu diesem Zeitpunkt, der deutlich vor dem zuvor genannten Zeitpunkt der Abschlussverfügung liegt, war nach Aktenlage eine Einziehung von Vermögenswerten naheliegend.
Aufgrund der Angabe mögliche Einziehung d. Wertes d. Erlangten, Erörterung mit der Mandantin" des Erinnerungsführers in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 02.10.2020 zur Begründung der Gebühr und mangels anderslautender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Erinnerungsführer die Verurteilte bereits 2016 erstmals hinsichtlich einer Einziehung von Vermögenswerten beraten hat. Bei einer lebensnahen Betrachtungsweise war dies auch zur gewissenhaften Erfüllung seiner Tätigkeit als Verteidiger erforderlich, da zu diesem Zeitpunkt mit einem entsprechenden Einziehungsantrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung zu rechnen war, da eine Einziehungssumme von ca. 428.000,00 im Raum stand (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.8.2007, Az. 3 Ws 267/07).
Die Höhe der 1,0-Gebühr Nr.4142 VV RVG ist gemäß §§ 13,49 RVG zu bemessen und bestimmt sich nach dem Gegenstandswert Dabei ist der objektive Wert entscheidend, welcher sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen auf die Abwehr der Einziehung bemisst (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG W 4142, Rn 19). Da im Zeitpunkt vor Anklageerhebung von einer Einziehungssumme in Höhe von ca. 428.000,00 auszugehen war, liegt der Gegenstandswert über 50.000 , so dass, abweichend von dem Antrag des Erinnerungsführers in Höhe von 467,00 , die festzusetzende Gebühr 659,00 nebst 16% Umsatzsteuer beträgt.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 56 Abs.2 RVG gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind demnach nicht erstattungsfähig.
Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig
Anmerkung: Bestätigt von OLG Braunschweig 1 Ws 38/22
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