Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.11.2021 - 1 Ws 437/21
Leitsatz des Gerichts: Da ein auf § 127b StPO gestützter Haftbefehl nur der Sicherung der Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren dient, darf ein solcher nicht mehr erlassen werden, wenn der Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren bereits durch gem. § 419 Abs.2 Satz 2 StPO unanfechtbaren - Beschluss zurückgewiesen worden ist.
In pp.
Die weiteren Beschwerden der Staatanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Landgerichts Oldenburg vom 7. Oktober 2021,
durch die die Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Osnabrück vom 14. Juli 2021 als unbegründet verworfen worden sind,
werden als unbegründet verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel sowie die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Die drei Beschuldigten besitzen die georgische Staatsangehörigkeit und haben jeweils den Status eines Asylbewerbers. Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, am TT. MM 2021 in Ort1 einem gemeinsamen Tatplan folgend in arbeitsteiligem Zusammenwirken gegen (
) Uhr in den Geschäftsräumen der Firma DD, Straße 1, 30 Packungen Zigaretten im Wert von insgesamt 343,90 Euro entwendet zu haben. Dabei verdeckte der Beschuldigte AA mit einem Einkaufswagen die Sicht auf die hinter ihm stehenden Beschuldigten BB und CC, die sich währenddessen die Zigarettenschachteln in die Bekleidung steckten, um mit diesen das Geschäft zu verlassen, ohne die eingesteckte Ware bezahlt zu haben. Die Beschuldigten beabsichtigten sich durch den Weiterverkauf der Zigaretten eine Einnahmequelle einiger Art und Dauer zur Finanzierung des Lebensbedarfs zu verschaffen.
Unter dem 14. Juli 2021 hatte die Staatsanwaltschaft Oldenburg beim Amtsgericht Oldenburg die Anordnung von Hauptverhandlungshaft gegen die zu diesem Zeitpunkt weiterhin in Polizeigewahrsam befindlichen Beschuldigten beantragt. Mit jeweils gleichlautenden Beschlüssen vom selben Tage hatte das Amtsgericht Oldenburg den Erlass von Haftbefehlen gemäß § 127b Abs. 1 StPO gegen die Beschuldigten abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine sofortige Verhandlung aufgrund der Arbeitsauslastung des Gerichts und der Gesamtumstände des Verfahrens nicht möglich sei. Der Unterzeichner sei überwiegend austerminiert und auch aus persönlichen Gründen gehindert, im beschleunigten Verfahren zu terminieren und zu entscheiden. Im Übrigen sei auch die personelle Ausstattung des Gerichts mit Protokollkräften nicht oder kaum in der Lage eine derartige Verhandlung innerhalb der kurzen Frist zu realisieren. Auch die Corona-Bestimmungen des Gerichts würden eine kurzfristige Verhandlung erschweren, da nur unter Zurückstellung von Bedenken eine Verhandlung mit mindestens zehn Beteiligten durchzuführen sei.
Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Staatsanwaltschaft, denen das Amtsgericht Oldenburg mit Beschlüssen vom 25. August 2021 nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht Oldenburg am 6. September 2021 als unbegründet verworfen, da nach den angefochtenen Beschlüssen eine zeitnahe Durchführung der Hauptverhandlung nicht möglich sei.
Mit den weiteren Beschwerden vom 14. September 2021, denen das Landgericht nicht abgeholfen hat, begehrt die Staatsanwaltschaft weiterhin den Erlass von Haftbefehlen gegen die drei Beschuldigten.
II.
Die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Zwar sind die Beschuldigten weiterhin dringend verdächtig, am TT. MM 2021 in Ort1 einen gemeinschaftlichen Diebstahl in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2 StGB begangen zu haben. Auch verfügen sie nach den Ermittlungen des Polizeikommissariats Vechta in der Bundesrepublik über keine feste Wohnanschrift. Bei den genannten Wohnanschriften handelt es sich um eine Asylunterkunft, in der sich die Beschuldigten offensichtlich nicht oder nur sporadisch aufhalten. Es ist deshalb aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten, dass sie der Hauptverhandlung fernbleiben werden (§ 127 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO).
2. Den beantragten Haftanordnungen steht auch nicht entgegen, dass sich die Beschuldigten inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden (vgl. Senatsentscheidung v. 12.03.2019, 1 Ws 31-33/19).
3.
Indessen fehlt es an der weiter erforderlichen Voraussetzung, dass eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist (§ 127b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO).
Dabei kann dahinstehen, ob der Erwartung der Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche nach der Festnahme (§ 127b Abs. 2 Satz 1 StPO) tatsächlich die in den ablehnenden Entscheidungen des Amtsgerichts und den angefochtenen Beschlüssen des Landgerichts angeführten Gründe, namentlich die Terminslage, anderweitige Verhinderung des zuständigen Richters und gerichtsorganisatorische Einschränkungen, entgegenstehen.
Denn eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren kann vorliegend nicht (mehr) ergehen. Das Amtsgericht hat nämlich mit Beschlüssen vom 14. Juli 2021 nicht allein die Anordnung der Hauptverhandlungshaft nach § 127b gegen die Beschuldigten abgelehnt, sondern auch den gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom 14. Juli 2021 auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist gemäß § 419 Abs. 2 Satz 2 StPO unanfechtbar und hat zur Folge, dass über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden (§ 419 Abs. 3 StPO) und die Sache gegebenenfalls im Regelverfahren fortzusetzen ist. Die Wiederholung des Antrags auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren ist ausgeschlossen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 419 Rz. 9 a.E.).
Zur Sicherung der Durchführung des danach allein noch möglichen Regelverfahrens darf aber die Haft nach § 127b Abs. 2 StPO nicht angeordnet werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 127b Rz. 9; LR-Gärtner, StPO, 27. Aufl., § 127b Rz. 12).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
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