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Entscheidungen

Corona

Corona, Verwerfung, Ausbleiben in der Hauptverhandlung, Covid 19, Kontaktperson

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 30.08.2021 - 3 Ws (B) 163/21

Leitsatz des Gerichts: Die bloße Behauptung, man sei Kontaktperson ersten Grades einer an Covid-19 erkrankten Person, rechtfertigt noch nicht das Fernbleiben in der Hauptverhandlung und löst mangels überprüfbarer Tatsachen auch keine Nachforschungspflicht des Gerichts vor Erlass der Verwerfungsentscheidung aus.


In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 30. August 2021 beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. März 2021 wird gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Ergänzend merkt der Senat lediglich an:

Die Verfahrensrüge des Betroffenen, das Amtsgericht habe mit der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, ist jedenfalls unbegründet. Das Amtsgericht hat den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerfrei verworfen.

Das Gericht darf den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen (vgl. Senat VRS 134, 143). Maßgebend dafür ist nicht, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern ob er entschuldigt ist, weswegen der Tatrichter von Amts wegen prüfen muss, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigen (vgl. zu § 329 StPO BGHSt 17, 391). Die ihn insoweit treffende Nachforschungspflicht setzt jedoch erst ein, wenn überhaupt ein hinreichend konkreter und schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit oder die Unmöglichkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. Senat a.a.O. und Beschluss vom 18. Januar 2018 - 3 Ws (B) 5/18 -; KG, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - (4) 161 Ss 198/13 (229/13) -, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 - 3 Ss 20/13 -, juris m.w.N.) und dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 - 202 StRR 29/20 -, juris).

a) Der Vortrag des Betroffenen im - dem Amtsgericht vor Sitzungsbeginn vorgelegten - Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22. März 2021, er sei “Kontaktperson 1. Grades” einer an Covid-19 erkrankten Person, mit der er am 17. März 2021 Kontakt gehabt habe, die am 19. März 2021 positiv getestet worden sei und dies dem Betroffenen am 20. März 2021 mitgeteilt habe, belegt noch keinen triftigen Grund, der Hauptverhandlung fernzubleiben. Die vom Betroffenen gemachten Angaben waren dafür zu vage und unpräzise. In dem Schriftsatz der Verteidigerin vom 22. März 2021 wird noch nicht einmal die vermeintlich an Covid-19 erkrankte Kontaktperson des Betroffenen sowie die Art des Kontakts benannt, geschweige denn ein - vom Gericht überprüfbares - Dokument über die tatsächliche Erkrankung dieser Kontaktperson vorgelegt oder zumindest Ort und Zeit der Testung mitgeteilt. Auf die - nicht verifizierbare - bloße Behauptung des Betroffenen musste und durfte sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs mithin nicht verlassen.

b) Ebenso wenig löste der Schriftsatz vom 22. März 2021 eine Nachforschungspflicht des Amtsgerichts aus. Denn - wie dargelegt - enthält er keinerlei auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Angaben. Dazu hätte der Betroffene zumindest die Identität der Kontaktperson preisgeben und mitteilen müssen, wann und wo diese durch wen auf Covid-19 positiv getestet worden sein soll, woran es hier fehlt.

c) Das nachträgliche Vorbringen im Schriftsatz der Verteidigerin vom 31. März 2021 ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich, weil es für die rechtliche Überprüfung des Verwerfungsurteils allein auf solche Umstände ankommt, die dem Gericht bei dessen Erlass bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. Januar 2021 - 3 Ws (B) 330/20 -, 5. Juni 2009 - 3 Ws (B) 245/09 - und 23. Februar 2005 - 3 Ws (B) 74/05 -; alle juris; zu § 329 StPO vgl. KG BeckRS 2014, 9668; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2021 - III-2 RVs 5/21 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 329 Rdn. 48 m.w.N).


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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