Gericht / Entscheidungsdatum: AG Soltau, Beschl. v. 25.10.2021 - 11 OWi 9202 Js 24675/20 (875/20)
Leitsatz: Spätestens mit der Stellungnahme der PTB vom 9.6.2021 ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Messverfahren Leivtec XV 3 nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren im Sinn der Rechtsprechung des BGH handelt und somit neue Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO, § 85 OWiG vorliegen, die zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen.
11 OWi 9202 Js 24675/20 (875/20)
Amtsgericht Soltau
Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen pp.
Verteidiger
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht - Bußgeldabteilung - Soltau durch die Richterin am 25.10.2021 beschlossen:
1. Die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Soltau vom 07.10.2020 abgeschlossenen Verfahrens wird angeordnet.
2. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Soltau vorn 07.10.2020 wird aufgeschoben.
Gründe:
Der Antrag ist gem. § 359 Satz 1 Nr. 5 StPO zulässig. Der Betroffene hat mit seinem Antrag neue Tatsachen und Beweismittel beigebracht, die in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Betroffenen der zumindest die Verfahrenseinstellung zu begründen geeignet sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit
ist die Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch gegen ein Urteil zulässig (OLG Celle, Beschluss vom 05.07.1990 - 2 Ws 1134/90 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.05.1980, 3 Ws 104/80 -, juris).
Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h zu einer Geldbuße von 410,00 verurteilt worden. Dabei sah das hiesige Gericht gegen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot ab.
Die Geschwindigkeit ist mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 gemessen worden.
Hierzu führte das OLG Celle im Beschluss vom 18.06.2021 2 Ss (Owi) 69/21 jüngst aus:
Der Senat erachtet unter Berücksichtigung der dargelegten Erkenntnisse der PTB beim Messgerät Leivtec XV3 die Richtigkeit des ermittelten Geschwindigkeitswertes derzeit insgesamt nicht mehr für garantiert. Eine Differenzierung danach, ob das sog. Messung-Start-Foto - wie vorliegend - die in der am 14. Dezember 2020 geänderten Gebrauchsanweisung genannten Anforderungen erfüllt (vgl. hierzu: OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. April 2021 - 2 Ss (OWi) 92/21 -, juris; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 16. März 2021 - 2 Ss (OWi) 67/21 -, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. Juni 2021, 1 Ss (OWi) 218/20) erachtet der Senat insoweit nicht für geboten. Vielmehr bieten Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 auch unabhängig davon, ob es sich um eine Rechts-, Links- oder Geradeausmessung handelt, derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung zuverlässig ausgewiesen wurde."
Da die Geschwindigkeitsmessung nach den neueren Erkenntnissen und der jüngsten Rechtsprechung nicht mehr als standardisiertes Messverfahren anzusehen ist, liegt dem Urteil somit ein zum Zeitpunkt der Verurteilung für das erkennende Gericht nicht erkennbaren Rechtsfehler zugrunde.
Das Verfahren war demnach wiederaufzunehmen und die Vollstreckung aufzuschieben.
Einsender: RA M. Stahl, Parchim
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