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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährungswiderruf, rechtliches Gehör, Verfahrensfehler, Zustellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Itzehoe, Beschl. v. 15.10.2021 - 2 Qs 183/21

Leitsatz: 1. Wird eine sofortige Beschwerde durch das Beschwerdegericht für begründet erachtet, so erlässt es nach § 309 Abs. 2 StPO im Regelfall zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung. Die Zurückverweisung einer Rechtssache an das erstinstanzliche Gericht kommt nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht.
2. Die nach § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO vorgeschriebene Gewährung rechtlichen Gehörs durch mündliche Anhörung ist vor einem Bewährungswiderruf zwingend. Ist sie unterblieben ist, leide die Widerrufsentscheidung an einem Verfahrensfehler.


2 Qs 183/21

Landgericht Itzehoe

Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.

Rechtsanwältin Annika Hirsch, Kieler Straße 2, 22769 Hamburg, Gz.: 52/21AH01

wegen Verdachts des Betruges

hat das Landgericht Itzehoe - 2. Große Strafkammer - durch die Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 15. Oktober 2021 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Pinne-berg vom 16.07.2021 aufgehoben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird zurückgewiesen.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Pinneberg zurückverwiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg vom 16.07.2021, durch den die mit Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 24.04.2020 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde, ist zulässig und begründet.

Die nach § 453 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist insbesondere nicht verspätet, da mangels wirksamer Zustellung des Beschlusses über den Widerruf der Strafaussetzung die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hat.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 311 Abs. 2 StPO binnen einer Woche ab Bekanntmachung der Entscheidung einzulegen. Vorliegend wurde der angefochtene Beschluss der Verurteilten ausweislich der Postzustellurkunde vom 20.07.2021 durch Einlegung in den zur Wohnung „c/o pp“ .gehörenden Briefkasten zugestellt. Diese Ersatzzustellung nach den §§ 37 StPO, 180 ZPO ist unwirksam, da das Schriftstück nicht in den zur Wohnung der Verurteilten gehörenden Briefkasten eingeworfen wurde. Wenngleich die Verurteilte unter der Anschrift wohnhaft ist, ist sie nicht „c/o“ wohnhaft. Der Einwurf in den zur Wohnung des gehörenden Briefkasten ist daher nicht geeignet, eine wirksame Ersatzzustellung herbeizuführen. Eine wirksame Zustellung kann auch nicht damit begründet werden, dass die Verurteilte ihren tatsächlichen Aufenthalt verschleiert habe. Wenngleich sie jedenfalls Kenntnis davon hätte haben können, dass - ohne dass insoweit eine Veranlassung ihrerseits aus der Akte ersichtlich ist - die Gerichtspost ab etwa Februar 2020 mit dem c/o-Zusatz versendet wurde, ist nicht erkennbar, dass sie den Fehler absichtlich und bewusst herbeigeführt bzw. fortgeführt hat.

Eine Heilung nach § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. 189 ZPO ist mangels tatsächlichen Zugangs des Beschlusses nicht eingetreten. Die mündliche Mitteilung dessen Inhalts, wie im August telefonisch nach Zugang der Ladung zum Strafantritt geschehen, ist hierfür nicht ausreichend. Entgegen dem Vermerk des Rechtspflegers vom 09.08.2021 (BI. 20 VH) gibt die Mitteilung, der Beschluss sei nicht zugegangen und wohl in den falschen Briefkasten eingeworfen worden, durchaus Anlass zum Tätigwerden, da durch eine Zustellung an die richtige Anschrift die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt worden wäre.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war als unzulässig zurückzuweisen, da mangels wirksamer Zustellung schon keine Fristversäumung vorlag.

Die sofortige Beschwerde hat auch insoweit Erfolg, als die nach § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO zwingend vorgeschriebene Gewährung rechtlichen Gehörs durch mündliche Anhörung mangels wirksamer Ladung zum Anhörungstermin — die Zustellung erfolgte ebenfalls an die Anschrift der Verurteilten mit c/o-Zusatz — unterblieben ist, die Entscheidung somit an einem Verfahrensfehler leidet.

Wird eine sofortige Beschwerde durch das Beschwerdegericht für begründet erachtet, so erlässt es nach § 309 Abs. 2 StPO im Regelfall zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung. Angesichts dieser klaren gesetzgeberischen Entscheidung kommt die Zurückverweisung einer Rechtssache an das erstinstanzliche Gericht nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Eine Zurückverweisung ist jedoch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung unter anderem dann zulässig und geboten, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht nicht beheben kann. Hierzu gehören wiederum diejenigen Konstellationen, in denen - wie auch im Falle des § 453 Abs. 1 S. 4 StPO - eine zwingend vorgeschriebene mündliche Anhörung unterblieben ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 309 Rn. 7, 8), weil anderenfalls dem Verurteilten eine Instanz genommen würde. Vorliegend war daher die Rechtssache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rn. 7), an das Amtsgericht Pinneberg zurückzuverweisen.


Einsender: Räin A. Hirsch, Hamburg

Anmerkung:


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