Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 13.09.2021 - 23 Qs 50/21
Leitsatz: § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO ist ausdrücklich nur auf die Fälle des § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 StPO anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf andere Fälle scheidet aus.
Landgericht Magdeburg
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
hat die 3. Große Strafkammer Beschwerdekammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 13. September 2021 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24.06.2021 Az.: 5 Gs 1264/21 wird auf Kosten der Staatskasse als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Aufgrund einer Strafanzeige vom 26.02.2021 wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung, Bedrohung und Beleidigung zum Nachteil des Richters am Amtsgericht Stelzner in Bernburg Tatzeit: 25.02.2021, Tatort: Vorführungszelle des Amtsgerichts Bernburg wurden Ermittlungen gegen den seit dem 16.01.2021 in Haft befindlichen Beschwerdeführer geführt. Darüber hinaus lag ein Strafantrag des Direktors des Amtsgerichts Bernburg vom 26.02.2021 gegen den Beschwerdeführer vor.
Am 09.04.2021 erfolgte seitens des Polizeireviers Jerichower Land eine Anfrage zur Aussagebereitschaft des in der JVA Madel in Burg inhaftierten Beschuldigten im Hinblick auf die Tat vom 25.02.2021. Am 12.05.2021 teilte daraufhin der Beschuldigte mit, dass er sich ausschließlich durch seinen Rechtsanwalt Jan-Robert Funck vertreten lassen wolle. Bereits zuvor ging ein anwaltlicher Schriftsatz vom 22.04.2021 bei der Polizei am 22.04.2021 ein, mit dem Antrag, dem Beschuldigten Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 141 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 i. V. m. § 142 Abs. 2 StPO beizuordnen. Gleichzeitig wurde um eine zeitnahe Weiterleitung des vorliegenden Antrags an die zuständige Staatsanwaltschaft zur unverzüglichen Vorlage bei dem Gericht beantragt.
Vor Abgabeverfügung an die Staatsanwaltschaft Magdeburg wurde seitens der Polizei ein Aktenvermerk vom 21.05.2021 über eine vorgenommene Videoauswertung angefertigt. Wann diese Videoausfertigung erfolgte, ist nicht ersichtlich.
Am 07.06.2021 vermerkte die Staatsanwaltschaft in den Akten, dass beabsichtigt sei, das Ermittlungsverfahren gem.. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf eine Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten einzustellen. Es erfolgten sodann schriftliche Anhörungen des Direktors des Amtsgerichts Bernburg und des Richters am Amtsgericht Stelzner im Hinblick auf die beabsichtigte Einstellung des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 StPO mit einer Stellungnahmefrist von drei Wochen.
Am 09.06.2021 ging bei dem Amtsgericht Magdeburg ein anwaltlicher Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 09.06.2021 ein, mit dem die gerichtliche Entscheidung über den Beiordnungsantrag vom 22.04.2021 gem. § 142 Abs. 4 S. 3 StPO beantragt wurde.
Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Magdeburg vom 21.06.2021 wurden die Akten nach Aufforderung durch das Amtsgericht Magdeburg mit dem Antrag übersandt, den Beiordnungsantrag abzulehnen, da beabsichtigt sei, das Ermittlungsverfahren einzustellen.
Durch den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24.06.2021 erfolgte die Beiordnung von pp. als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO.
Der Beschluss wurde der Staatsanwaltschaft Magdeburg am 25.06.2021 zugestellt. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Magdeburg mit Verfügung vom 28.06.2021, eingegangen bei dem Amtsgericht am 29.06.2021 sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung nicht vorlägen, da die Staatsanwaltschaft beabsichtige, dass Verfahren gem. § 154 Abs. 1 StPO einzustellen.
Ausweislich einer Vollstreckungsübersicht vom 24.06.2021 befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 16.01.2021 ununterbrochen in Haft. Zunächst verbüßte er bis zum 24.01.2021 eine Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund des Strafbefehls des Amtsgerichts Bernburg vom 16.04.2020, anschließend befand er sich seit dem 25.01.2021 aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Magdeburg vom 08.12.2020 bis zum 05.04.2021 in Untersuchungshaft, danach befand er sich seit dem 06.04.2021 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bernburg vom 09.12.2020 fortlaufend in Untersuchungshaft. Aus der Vollstreckungsübersicht geht hervor, dass der Haftbefehl des Amtsgerichts Bernburg vom 09.12.2020 nach Urteilsverkündung am 25.02.2021 aufrechterhalten blieb. Hierbei handelt es sich offensichtlich um das Urteil, durch das die Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten gegen den Beschwerdeführer verhängt worden ist und das die Grundlage der von der Staatsanwaltschaft beabsichtigten Verfahrenseinstellung gem. § 154 Abs. 1 StPO bilden soll. Es ist jedoch auch ersichtlich, dass gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wurde und das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist im Ergebnis unbegründet.
Die Kammer schließt sich insoweit der Entscheidung des Landgerichts Magdeburg vom 24. Juli 2020 (Az.: 25 Qs 65/20) an.
In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, gem. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO liegt vor, da sich der in dieser Sache noch unverteidigte Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Antragstellung am 22.04.2020 in Haft in der JVA Madel befand. Dem Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt bereits der Tatvorwurf i. S. v. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO eröffnet worden. Diesbezüglich schließt sich die Kammer der Auffassung der 5. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg an, wonach es für die Eröffnung des Tatvorwurfes genügt, dass der Beschuldigte durch amtliche Mitteilung oder auf sonstige Art und Weise vom Tatverdacht gegen ihn Kenntnis erlangt hat. Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Antragstellung Kenntnis von den gegen ihn laufenden Ermittlungen hatte, da bereits am 09.04.2021 eine Anfrage seitens der Polizei hinsichtlich seiner Aussagebereitschaft an die JVA versandt worden war.
§ 141 Abs. 2 S. 3 StPO ist vorliegend nicht einschlägig, da diese Norm ausdrücklich nur auf die Fälle des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 StPO angewendet werden kann. Vorliegend richtet sich die Bestellung nach § 141 Abs. 1 StPO. Eine entsprechende Anwendung von § 141 Abs. 2 S. 3 StPO auf § 141 Abs. 1 i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO erachtet die Kammer ebenso wie die 5. Strafkammer des Landgerichts in ihrem bereits zitierten Beschluss vom 24. Juli 2020 für nicht geboten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass bislang eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht ergangen ist. Es ist auch davon auszugehen, dass diese erst erfolgt, sofern die Verurteilung zu drei Jahren und vier Monaten tatsächlich rechtskräftig geworden ist. Insofern kann daher auch nicht mehr von einer alsbald beabsichtigten Einstellung gesprochen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig
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