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Entscheidungen

OWi

Elektronisches Gerät, Fahrzeugschlüssel, Beweisantrag

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2021 – 5 RBs 94/21

Leitsatz: 1. Ein Beweisantrag kann regelmäßig nicht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden, wenn durch das Beweismittel die Zeugenaussage des einzigen Belastungszeugen entkräftet werden soll.
2. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich nach Abwägung des im Einzelfall gewonnenen Beweisergebnisses und der beantragten Beweiserhebung unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit des Beweismittels ergibt, dass es unwahrscheinlich oder nicht damit zu rechnen ist, dass das benannte Beweismittel die behauptete Tatsache erweisen kann.
3. Liegen ersichtlich keine Ausnahmeumstände vor, welche die Ablehnung eines solchen Beweisantrags rechtfertigen, stellt die rechtsfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrags zugleich eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar.
4. Ein elektronischer Fahrzeugschlüssel mit Display (SmartKey) stellt ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO dar.


In pp.

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wird klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Betroffene der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines elektronischen Geräts schuldig ist.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen am 22.10.2020 wegen verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Organisation oder Information dient oder zu dienen bestimmt ist, zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs und erhebt die Sachrüge. Insbesondere beanstandet er, dass das Amtsgericht die von ihm gestellten Beweisanträge zu seinen Behauptungen abgelehnt habe, dass er statt eines Mobiltelefons lediglich einen kurzen Augenblick einen elektronischen Fahrzeugschlüssel (sogenannter SmartKey) in den Händen gehalten und bedient habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen der Versagung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zuzulassen.

1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zulässig erhoben; sie genügt insbesondere den Formerfordernissen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

2. Das Amtsgericht hat ferner den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör insofern verkürzt, als es dessen Beweisanträge zu 1) sowie 2 a) und b) - Vernehmung der Beifahrerin des Betroffenen und Einholung von Sachverständigengutachten zu den Beweisbehauptungen lediglich einen elektronischen Fahrzeugschlüssel (SmartKey) in der Hand gehalten (Beweisantrag zu 1) und diesen nur kurz in Blick genommen zu haben (Beweisanträge 2 a) und b)) - abgelehnt hat. Die Ablehnung des weiteren, in der Hauptverhandlung am 22.11.2020 gestellten Beweisantrags - Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob für den als Zeugen vernommenen Polizeibeamten aus seiner Beobachtungsposition der Unterschied zwischen einem Mobiltelefon und einem elektronischen Fahrzeugschlüssel (SmartKey) erkennbar war - erfolgte hingegen nicht in gehörsverletzender Weise.

a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass Beweisanträge, auf die es für die Entscheidung ankommt, vom Gericht berücksichtigt werden müssen, sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (BVerfG NJW 1996, 2785, 2786 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 02.07.2002 - 3 Ss OWi 159/02 -, Rn. 7 - 11, juris). Eine bloße prozessordnungswidrige Behandlung von Beweisanträgen stellt hierbei allerdings noch keine Verweigerung rechtlichen Gehörs dar (OLG Köln, Beschluss vom 11.12.2020 - III-1 RBs 337/20 -, Rn. 15, juris). Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung vielmehr, dass der Beweisantrag ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung abgelehnt wird und die Ablehnung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Juli 2002 - 3 Ss OWi 159/02 -, Rn. 7 - 11, juris und Beschluss vom 10.03.1999 - 4 Ss OWi 634/99 - m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 11.12.2020 - III-1 RBs 337/20 -, Rn. 15, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 04.12.2020 - 201 ObOWi 1471/20 -, Rn. 5, juris; KG Berlin, Beschluss vom 22. September 2020 - 3 Ws (B) 182/20 -, Rn. 9, juris).

b). Dies ist vorliegend in Bezug auf die Ablehnung der Beweisanträge zu 1), 2 a) und b) der Fall. Das Amtsgericht hat die Ablehnung der vorbezeichneten Beweisanträge darauf gestützt, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, weil bereits das Gegenteil (der Beweisbehauptung) aufgrund der glaubhaften Aussage des Polizeibeamten R feststehe. Diese Begründungen finden im Gesetz indes ersichtlich keine Stütze und sind damit offensichtlich unzutreffend.

Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann das Gericht einen Beweisantrag ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ein weiterer Aufklärungswert kann der Aussage indes regelmäßig nicht abgesprochen werden, wenn diese - wie hier - der Entkräftung des bisherigen, lediglich auf der Aussage eines Zeugen beruhenden Beweisergebnisses dienen soll (BayObLG VRS 84, 44; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 542; OLG Karlsruhe NStZ 1988, 226; OLG Köln VRS 81, 201; 88, 376; Göhler, 17. Aufl. ; § 77 OWiG Rn. 14; Senge, 5. Aufl. 2019, § 77 OWiG Rn. 17). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich nach Abwägung des im Einzelfall bereits gewonnenen Beweisergebnisses und der beantragten Beweiserhebung unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit des Beweismittels ergibt, dass es unwahrscheinlich oder nicht damit zu rechnen ist, dass das benannte Beweismittel die behauptete Tatsache erweisen könne (OLG Düsseldorf ZfSch 2004, 185, OLG Köln, Beschluss vom 20.10.2000 - Ss 438/00 Z -, Rn. 16 - 17, juris; Senge, in: Karlsruher Kommentar, a.a.O., 5. Aufl. 2018, OWiG § 77 Rn. 17). Solche Ausnahmeumstände werden jedoch weder im ablehnenden Gerichtsbeschluss angeführt noch sind diese sonst ersichtlich. Das Amtsgericht hat in der Hauptverhandlung zum Vorwurf der verbotswidrigen Benutzung eines elektronischen Gerätes lediglich den Polizeibeamten R als Zeugen vernommen. Vor diesem Hintergrund konnte der beantragten Vernehmung der Beifahrerin des Betroffenen sowie der Einholung von Sachverständigengutachten nicht von vornherein ein weiterer Aufklärungswert abgesprochen werden (im Ergebnis ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 20.10.2000 - Ss 438/00 Z -, Rn. 16 - 17; OLG Düsseldorf ZfSch 2004, 185).

c) Die Ablehnung des weiteren Beweisantrags des Antragstellers - Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der Polizeibeamte aus seiner Position den Unterschied zwischen einem Mobiltelefon und einem elektronischen Fahrzeugschlüssel (SmartKey) erkennen konnte - ist hingegen nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat diesen Beweisantrag vielmehr rechtsfehlerfrei nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt. Nach Vernehmung des Polizeibeamten sowie Inaugenscheinnahme des Lichtbildes zu den örtlichen Verhältnissen durfte das Amtsgericht den Sachverhalt für hinreichend geklärt halten. Im Übrigen würde das Urteil insofern aus den unter IV. erörterten Gründen aber auch nicht auf einer etwaigen Gehörsverletzung bzw. einem etwaigen Verfahrensfehler beruhen.

III.

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern gem. § 80a Abs. 3 OWiG übertragen.

Vorliegend erfolgt die Zulassung der Rechtsbeschwerde zwar wegen der Versagung rechtlichen Gehörs, was nach § 80 Abs. 3 S. 1 und 2 OWiG die Entscheidung in Dreierbesetzung regelmäßig nicht erforderlich macht. Zur Entscheidung der Rechtsbeschwerde ist indes - wie noch auszuführen sein wird - die Frage zu beantworten, ob ein elektronischer Fahrzeugschlüssel (SmartKey) ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO darstellt. Hierbei handelt es sich um eine materielle Rechtsfrage, die - soweit ersichtlich - noch nicht höchstrichterlich entschieden ist und damit klärungsbedürftig erscheint. Solche Fragestellungen, deren Entscheidung der Fortbildung des (materiellen) Rechts dienen, sollen nach der gesetzgeberischen Intention des § 80a Abs. 3 S. 1 und 2 OWiG durch den vollen Senat entschieden werden, da ihnen grundsätzliche Bedeutung und der Senatsentscheidung somit rechtssetzender Charakter zukommt (vgl. hierzu: OLG Naumburg NStZ-RR 2004, 122).

IV.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg.

1. Zwar verletzt die Ablehnung der Beweisanträge zu 1), 2a) und b) - wie unter II. ausgeführt - den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör. Der Senat kann jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ausschließen, dass das Urteil auf dieser Gehörsverletzung beruht. Denn selbst wenn man die Beweisbehauptungen des Antragstellers unterstellt, dass er lediglich für einen kurzen Augenblick einen elektronischen Fahrzeugschlüssel (SmartKey) statt eines Mobiltelefons in den Händen gehalten und bedient habe, ist von einer (vorsätzlichen) verbotswidrigen Benutzung eines elektronischen Gerätes im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO auszugehen.

a) Ein elektronischer Fahrzeugschlüssel stellt ein elektronisches Gerät im Sinne der Vorschrift des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO dar. Denn nach der Neufassung der Norm unterfallen dem Benutzungsverbot nicht mehr nur "Mobil- oder Autotelefone". Die Norm ist vielmehr technikoffen formuliert (Eggert, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 22.02.2021, § 23 StVO Rn. 21). Erfasst wird nun jedes elektronische Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist (Eggert, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 22.02.2021, § 23 StVO Rn. 21). Hierzu zählt auch der vom Betroffenen nach seinen Behauptungen benutzte elektronische Fahrzeugschlüssel. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils verfügt dieser über ein Display, mit welchem verschiedene Informationen des Fahrzeugs, insbesondere dessen Servicebedarf, abgerufen und Fahrzeugfunktionen bedient werden können. Der elektronische Fahrzeugschlüssel unterfällt somit dem Wortlaut der Norm. Dieses Subsumtionsergebnis entspricht auch der gesetzgeberischen Intention. Durch die Neufassung von § 23 Abs. 1a) StVO wollte der Gesetzgeber der unfallgefährlichen Ablenkung der Kraftfahrzeugführer durch Mobiltelefone und andere elektronische Gegenstände entgegenwirken (OLG Hamm, 4. Strafsenat, Beschluss vom 03.11.2020 - 4 RBs 345/20, NJW 2021, 99). Die Gefahr der Ablenkung besteht vorliegend bei der Bedienung des elektronischen Fahrzeugschlüssels aber in gleichem Maße wie bei einem Mobiltelefon, da beide Geräte weitgehend in gleicher Weise bedient werden.

b) Ferner verstößt auch die vom Betroffenen in seinen Beweisanträgen weiter behauptete bloß kurze Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen zum elektronischen Fahrzeugschlüssel (SmartKey) gegen § 23 Abs. 1a) StVO. Denn nach dieser Norm darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, ausnahmsweise nur dann benutzt werden, wenn hierfür (1) das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und (2) entweder (a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder (b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist. Die unter (1) und (2) genannten Voraussetzungen müssen daher kumulativ gegeben sein, damit die Benutzung des elektronischen Gerätes ausnahmsweise zulässig ist. Dies ist vorliegend indes auch bei Unterstellung der Einlassung des Betroffenen zu verneinen, da dieser auch nach seiner eigenen Einlassung den elektronischen Fahrzeugschlüssel in der Hand gehalten hat.

2) Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils war allerdings klarstellend dahingehend zu berichtigen, dass der Betroffene der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines elektronischen Geräts schuldig ist. Die Berichtigung offensichtlicher Versehen ist dem Rechtsbeschwerdegericht möglich, wenn eine sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergebende Verurteilung in der Urteilsformel keinen vollständigen Ausdruck gefunden hat (OLG Köln ZfSch 2004, 88). Auch die fehlende Schuldform kann hierbei im Rahmen einer Tenorberichtigung aus den Urteilsgründen ergänzt werden (OLG Köln, a.a.O.; Schmitt, in: Meyer/Goßner, 63. Aufl. 2020, § 354 StPO Rn. 35). Ausweislich der rechtlichen Ausführungen ist das Amtsgericht vorliegend eindeutig von einer vorsätzlichen Begehungsweise ausgegangen. Diese ist im Schuldspruch anzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom 27.08.2020 - 5 RBs 270/20; OLG Bamberg ZfSch 2019, 169).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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