Gericht / Entscheidungsdatum: LG Rostock, Beschl. v. 21.03.2016 - 11 KLs 10/16
Leitsatz: Die Ergebnisse einer entgegen § 81 f Abs. 1 StPO durchgeführten molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen der Angeklagten unterliegen einem Verwertungsverbot, wenn die molekulargenetische Untersuchung wurde trotz Vorliegens einer entgegenstehenden richterlichen Entscheidung durchgeführt worden ist.
Landgericht Rostock
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
hat das Landgericht Rostock - 1. Große Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 21.03.2016 beschlossen:
1. Der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.02.2016, der Angeklagten Körperzellen mittels Speichel- oder Blutprobe zu entnehmen und diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungs-musters molekulargenetisch untersuchen zu lassen sowie die Analyseergebnisse mit den bereits molekulargenetisch untersuchten Spuren abzugleichen und in die DNA-Datei einzustellen, wird abgelehnt.
2. Die heute eingegangenen, von der Staatsanwaltschaft übersandten Unterlagen - DNA-Gutachten vom 01.03.2016 und diesbezüglicher Vermerk vom 15.03.2016 - werden an die Staatsanwaltschaft zurückgesandt.
Gründe:
1. Mit Beschluss vom 10.02.2016 hat die Kammer den amtsgerichtlichen Beschluss vom 17.12.2016, mit dem die im Tenor genannten Maßnahmen angeordnet worden waren, aufgehoben. Die dafür maßgeblichen, in dem Beschluss vom 10.02.2016 dargelegten Gründe gelten fort. Die Sachlage ist seither unverändert, so dass weiterhin die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen der Angeklagten pp. angesichts der bereits ohne diese Maßnahme vorhandenen Beweislage nicht erforderlich erscheint. Nur im Falle der Erforderlichkeit ist aber gemäß § 81 e Abs. 1 StPO die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zulässig.
2. Die Einstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen der Angeklagten pp. in die DNA-Datei ist zudem unzulässig, weil die in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Gründe, die eine solche Maßnahme rechtfertigen können, hier nicht gegeben sind. Weder die Art der von der Angeklagten mutmaßlich begangenen Taten, noch deren Ausführung geben Anlass zu der Annahme, dass gegen sie künftig Strafverfahren wegen einer Tat von erheblicher Bedeutung bzw. wegen wiederholter Taten, die im Unrechtsgehalt einer Tat von erheblicher Bedeutung gleichstehen, zu führen sein werden. Die Angeklagte pp. ist bisher noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Umstand, dass sie nun in einem Zeitraum von neun Monaten mutmaßlich neun nicht unerhebliche Betäubungsmitteldelikte begangen hat, legt nicht ohne weiteres die Wahrscheinlichkeit der künftigen weiteren Begehung solcher Taten nahe.
Umstände in der Persönlichkeit der Angeklagten pp. oder sonstige Erkenntnisse, die eine solche Wahrscheinlichkeit nahelegen könnten, sind nicht bekannt.
3. Die Ergebnisse der ungeachtet des Beschlusses der Kammer von 10.02.2016 und damit entgegen § 81 f Abs. 1 StPO ohne richterliche Anordnung durchgeführten molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen der Angeklagten pp. unterliegen einem Verwertungsverbot. Zwar führt nicht jeder Verstoß gegen den Richtervorbehalt zwingend zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der bei der betreffenden Maßnahme gewonnenen Beweismittel. Der hier vorliegende Verstoß hat jedoch ein besonders hohes Gewicht, denn die molekulargenetische Untersuchung wurde trotz Vorliegens einer entgegenstehenden richterlichen Entscheidung, nämlich des Beschlusses der Kammer vom 10.02.2016, durchgeführt. Es liegt somit eine gröbliche Missachtung des Richtervorbehalts vor, die regelmäßig ein Verwertungsverbot nach sich zieht (vgl. BGHSt 51, S. 285 ff, 294). Das Grundrecht der Angeklagten auf informationelle Selbstbestimmung steht damit nicht nur einer Verwertung der Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchung entgegen, sondern verbietet es auch, diese rechtswidrig gewonnenen Ergebnisse zum Aktenbestandteil zu machen.
Einsender: RA T. Penneke, Rostock
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