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Entscheidungen

StPO

Besorgnis der Befangenheit, Strafmaß, Auswirkungen auf Rechtskraft

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Stralsund, Beschl. v. 01.07.2021 - 313 Cs 719/19

Leitsatz: Äußert sich der Richter in der Hauptverhandlung dahin, das in Aussicht gestellte Strafmaß schränke die Möglichkeiten eines Rechtsmittels ein, vermittelt er den Eindruck, er wolle in der I. Instanz eine rechtskräftige Verurteilung erwirken. Das begründet die Besorgnis der Befangenheit.


313 Cs 719/19

Amtsgericht Stralsund
Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger
Rechtsanwalt Jan Sürig, Außer der Schleifmühle 54, 28203 Bremen, Gz.: S-65/19 PIS

wegen unerlaubten Aufenthalts ohne erforderlichen Aufenthaltstitel

hat das Amtsgericht Stralsund - Strafrichter - durch den Richter am Amtsgericht Hennig am 1. Juli 2021 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Die Ablehnung des Richters am Amtsgericht pp. wegen Besorgnis der Befangenheit ist be-gründet.

Gründe

Mit Schriftsatz vom 23.06.2021 und ergänzend mit Schriftsatz vom 30.06.2021 beantragte der Verteidiger die Ablehnung des Richters am Amtsgericht pp. wegen Besorgnis der Befangenheit. Zur Begründung führte er aus, dass dessen Äußerungen in der Hauptverhandlung am 21.06.2021 zur Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Widerspruch zum Verhalten der Staatsanwaltschaft standen, Ablehnungen der Pflichtverteidigerbeiordnung zu beantragen bzw. nicht selbst die Beiordnung zu beantragen. Auch habe dieser wahrheitswidrig angegeben, dass nicht er sondern ein anderer Richter den Strafbefehl unterzeichnet habe. Eigentlicher Befangenheitsgrund sei jedoch, dass ein Strafmaß deutlich unter 60 Tagessätzen in Aussicht gestellt wurde und dies auf eine unwahrscheinliche Berufungszulassung hinausgelaufen hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 23. und 30.06.2021 verwiesen.

Der Richter am Amtsgericht pp. hat sich hierzu in einer dienstlichen Stellungnahme geäußert.

Die dienstliche Stellungnahme wurde dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft Stralsund mit Verfügung vom 28.06.2021 zur Stellungnahme übersandt

Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat mit Stellungnahme vom 30.06,2021 beantragt, dem Befangenheitsantrag stattzugeben. Dies vor dem Hintergrund, dass der abgelehnte Richter am Amtsgericht Kopsch das in Aussicht gestellte Strafmaß mit den daraus resultierenden Einschränkungen einer Berufung verküpft hat.

II.

Das Ablehnungsgesuch des Beschuldigten ist zulässig und auch begründet.

Eine Besorgnis der Befangenheit besteht nach allgemeiner Auffassung, wenn aus Sicht eines vernünftigen Ablehnungsberechtigten Zweifel an der — auch verfassungsmäßig gebotenen — Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit des Richters bestehen. Befangenheit ist nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts ein innerer Zustand des Richters, welcher seine vollkommen gerechte, von jeder falschen Rücksicht freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten beeinträchtigen kann. Ob die Befangenheit tatsächlich vorliegt, ist hierbei ebenso unerheblich wie die Frage der Ernstlichkeit ihrer Besorgnis beim Ablehnenden. Es genügt der Anschein der Befangenheit Bei verbleibenden Zweifeln ist zuungunsten des abgelehnten Richters zu entscheiden.

Bei Anwendung der oben genannten Grundsätze ist die berechtigte Besorgnis der Befangenheit vorliegend gegeben.

Aufgrund der getätigten Äußerung des Richters am Amtsgericht, das in Aussicht gestellte Strafmaß schränke die Möglichkeiten eines Rechtsmittels ein, hat der abgelehnte Richter den Eindruck vermittelt, dieser wolle in der I. Instanz eine rechtskräftige Verurteilung erwirken.

Der Beschuldigte durfte bei verständiger Würdigung dieses Sachverhalts Grund zu der Annahme haben, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.


Einsender: RA J. Sürig, Bremen

Anmerkung:


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