Gericht / Entscheidungsdatum: AG Eilenburg, Beschl. v. 14.06.2021 8 OWi 308/21
Leitsatz: Ein Betroffener, dem ein Geschwindigkeitsverstoß festgestellt mit dem Messgerät LEIVTEC XV3 zur Last gelegt wurde, hat auch im Rahmen einer behördlichen Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.
In pp.
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufgrund des gerichtlichen Verfahrens hat der Betroffene zu tragen.
Gründe
I.
Dem Betroffenen lag zur Last, am 26.01.2021 eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h innerorts begangen zu haben, die mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 festgestellt wurde.
Der Betroffene wurde mit Schreiben der Verwaltungsbehörde vom 01.02.2021 angehört. Hierauf teilte der Betroffene am 09.02.2021 mit, dass er nicht selbst gefahren sei. Vielmehr sei das Fahrzeug an Herrn
- ladungsfähige Anschrift in Rumänien - überlassen gewesen. Mit Anfrage vom 15.02.2021 nahm die Verwaltungsbehörde gegenüber der für den Betroffenen zuständigen Meldebehörde der Gemeinde
ein Fahrerermittlungsersuchen vor. Die Meldebehörde übersandte daraufhin ein Passfoto des Betroffenen.
Mit Verfügung vom 25.02.2021 schloss die Verwaltungsbehörde die Ermittlungen gegen den Betroffenen ab und erließ gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid, mit dem ihm die o. g. Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt wurde. Gegen diesen Bußgeldbescheid, der dem Betroffenen am 27.02.2021 zuging, legte der vom Betroffenen beauftragte Verteidiger mit am 15.03.2021 bei der Verwaltungsbehörde eingegangenem Schreiben form- und fristgerecht Einspruch ein. Mit Schreiben vom 13.04.2021 beantragte der Verteidiger unter Mitteilung seiner Rechtsansicht, das Verfahren gemäß § 47 OWiG einzustellen und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Verwaltungsbehörde aufzuerlegen. Mit weiterem Schreiben vom 03.06.2021 regte der Verteidiger hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Behörde zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Messung an.
Mit Verfügung vom 04.06.2021 stellte der Landkreis Nordsachsen das gegen den Betroffenen geführte Bußgeldverfahren gemäß § 47 Abs. 1 OWiG ein und legte die Kosten des Verfahrens nach § 105 Abs. 1 OWiG dem Landratsamt Nordsachsen auf. Jedoch sah die Verwaltungsbehörde gemäß § 105 OWiG i. V. m. §§ 467a Abs. 1 Satz 2, 467 Abs. 4 StPO davon ab, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Kreiskasse aufzuerlegen.
Gegen die Kostenentscheidung hat der Verteidiger mit am 08.06.2021 bei der Verwaltungsbehörde eingegangenem Schreiben einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG gestellt. Mit Entscheidung vom 10.06.2021 hat die Verwaltungsbehörde diesem Antrag nicht abgeholfen und die Sache an das Amtsgericht Eilenburg zur Entscheidung abgegeben.
II.
Der gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG i. V. m. § 62 OWiG zulässige Antrag ist unbegründet. Die Verwaltungsbehörde durfte gemäß § 105 OWiG i. V. m. §§ 467a Abs. 1 Satz 2, 467 Abs. 4 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Kreiskasse aufzuerlegen.
Der im Falle einer behördlichen Einstellungsverfügung gemäß § 105 OWiG i. V. m. § 467a Abs. 1 Satz 2 StPO anwendbare § 467 Abs. 4 StPO sieht vor, dass die Behörde, sofern sie das Verfahren nach einer Vorschrift einstellt, die dies nach ihrem Ermessen zulässt, davon absehen kann, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Im vorliegenden Fall hat die Behörde von § 47 Abs 1 Satz 2 OWiG Gebrauch gemacht, der als Ermessensnorm den Anwendungsbereich von § 467 Abs. 4 StPO eröffnet.
Unter Zugrundelegung dessen wäre eine wenigstens knappe Begründung zwar wünschenswert gewesen. Jedoch führt die fehlende Begründung der Kostenentscheidung hier aus Sicht des Gerichts nicht dazu, dass die Vorschrift des § 467 Abs. 4 StPO fehlerhaft angewandt wurde, da sich Kostenentscheidungen zum einen regelmäßig in der Aufzählung der maßgebenden Normen erschöpfen und zum anderen das der Behörde zustehende Ermessen hier nicht fehlerhaft ausgeübt wurde. Das Gericht geht unter Zugrundelegung des Akteninhalts - insbesondere anhand des Abgleichs des aussagekräftigen Fahrerfotos mit dem Passbild des Betroffenen - mit der Behörde davon aus, dass der Betroffene der verantwortliche Fahrzeugführer war und er der ihm zur Last gelegten Tat auch im Übrigen als hinreichend verdächtig mit der Folge angesehen werden konnte, dass er - wie hier - bei Einstellung des Verfahrens nach einer Vorschrift, deren Anwendung in das Ermessen der Behörde gestellt ist, seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnisse, insbesondere der Erklärung des Herstellers LEIVTEC gegenüber seinen Kunden vom 12.03.2021, es derzeit aus Sicht des Gerichts ausgeschlossen ist, bei Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 von einem standardisierten Messverfahren ausgehen zu können. Jedoch kann der Tatnachweis im Hinblick auf die Höhe der dem Betroffenen zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung nach wie vor unter Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen geführt werden, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung messtechnisch anhand einer Plausibilitätskontrolle nachvollzogen werden kann oder - sollte dies nicht der Fall sein - welche Mindestgeschwindigkeit des Fahrzeugs sachverständig angenommen werden kann. Je nach sachverständiger Bewertung und juristischer Beurteilung des abzuziehenden Toleranzabzuges könnte dann regelmäßig eine Verurteilung anhand der festgestellten Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung unter Heranziehung der Rechtsfolge aus der entsprechenden Bußgeldkatalognorm erfolgen.
Dass ein behördliches Sachverständigengutachten bei derartigen (vergleichsweise geringen) Geschwindigkeitsverstößen unverhältnismäßig sein dürfte, erkennt auch der Verteidiger, weshalb die Behörde auf Anregung des Verteidigers das Verfahren nach § 47 Abs. 1 Satz 2 OWiG eingestellt hat. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Behörde diese Ermessensentscheidung unabhängig von der hilfsweisen Anregung durch den Verteidiger auf Einholung eines behördlichen Sachverständigengutachtens treffen durfte. Zu einer derartigen Ermittlungsmaßnahme hätte sich die Behörde - unter Zugrundelegung der o. g. Auffassung des Gerichts - lediglich dann veranlasst sehen müssen, wenn sie an dem dem Betroffenen zur Last gelegten Vorwurf festgehalten hätte. Soweit der vom Verteidiger zitierte Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts Landstuhl vom 17.03.2021 - 2 OWi 4211 Js 2050/21 eine Auslagenentscheidung zugunsten des Betroffenen enthält, können die dortigen Erwägungen zur allenfalls möglichen Plausibilitätsprüfung aus den o. g. Gründen nicht nachvollzogen werden. Dem Gericht sind aus anderen Verfahren diverse Gutachten namhafter Sachverständiger bekannt, die eine Berechnung der Mindestgeschwindigkeit in derartigen Fällen erlauben.
Die Kostenentscheidung zu Ziff. 2 folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Die Entscheidung ist gemäß §§ 62 Abs. 2 Satz 3, 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 OWiG unanfechtbar.
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