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Entscheidungen

Corona

Gebührenbemessung, Bußgeldverfahren, Corona-Verfahren, Abtretung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 08.06.2021 - 2b Qs 160/21

Leitsatz: 1. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist unterdurchschnittlich, wenn im Ordnungswidrigkeitsverfahren inhaltlich lediglich zu klären war, ob der gemeinsame Aufenthalt von drei Personen in einem privaten Pkw einen Aufenthalt im öffentlichen Raum darstellt.
2. Zur rechtswirksamen Abtretung der Kostenerstattungsforderung des Freigesprochenen an den Verteidiger.


Landgericht Braunschweig
Beschluss

2b Qs 160/21

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt

wegen OWi Infektionsschutzgesetz

hat das Landgericht Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht am 08.06.2021 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Salzgitter vom 17.05.2021 (Az.: 11a OWi 123 Js 40670/20) wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Salzgitter vom 17.05.2021, in welchem die Verteidigerkosten als notwendige Auslagen des Betroffenen in einem durch Freispruch beendeten Bußgeldverfahren gegen die Landeskasse auf 621,18 € festgesetzt wurden. Beantragt war eine Festsetzung auf 988,89 €.

Im Einzelnen:

Gegen den Betroffenen wurde durch die Stadt Salzgitter am 11.06.2020 ein Bußgeldbescheid wegen eines behaupteten Verstoßes des Betroffenen am 03.05.2020 um 18:40 Uhr gegen §§ 73 Abs. la Nr. 24 IfSG i.V.m. §§ 2. 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus i.V.m. Artikel 2 Nr. 4 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus erlassen. weil der Betroffene sich mit zwei weiteren Personen in einem Pkw befunden und dabei nicht den erforderlichen Mindestabstand eingehalten habe. Mit dem Bescheid wurde eine Geldbuße in Höhe von 200,00 € festgesetzt. Als Beweismittel ist im Bußgeldbescheid eine Zeugin (Frau pp., Polizei Salzgitter) benannt.

Mit Schreiben vom 29.06.2020 zeigte der Verteidiger des Betroffenen dessen Vertretung an, legte gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht. Nach Gewährung der Akteneinsicht begründete der Verteidiger den Einspruch mit Schreiben vom 02.07.2020 wie folgt: Es ergäbe sich aus der Akte nichts, was verwertbar wäre. Wer habe wann wo was aus welcher Entfernung wie zur Kenntnis genommen? Er frage sich ernsthaft, was so etwas soll.

Daraufhin machte die Zeugin PKin pp. durch Bericht vom 16.07.2020 ergänzende Angaben. Anschließend wurde das Verfahren mit Schreiben vom 20.07.2020 über die Staatsanwaltschaft Braunschweig an das Amtsgericht Salzgitter abgegeben.

Das Amtsgericht Salzgitter bestimmte mit Verfügung vom 04.08.2020 Hauptverhandlungstermin auf den 14.12.2020 und lud dazu die im Bußgeldbescheid benannte Zeugin.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung am 14.12.2020 in der Zeit von 09:30 Uhr bis 09:40 Uhr sprach das Amtsgericht Salzgitter den Betroffenen frei, wobei es keine Beweisaufnahme durchführte und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegte.

Nach Rechtskraft des Urteils beantragte der Verteidiger des Betroffenen mit Schriftsatz vom 29.01.2021 die notwendigen Auslagen des Betroffenen für den Verteidiger als Abtretungsempfänger gegen die Staatskasse wie folgt festzusetzen:

Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG- 119,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 190,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 190,00 €
Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG 300,00 €
Post- und Telek.pauschale Nr. 7002 W RVG 20,00 €
Auslagen (Aufwand) 12,00 €
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 157,89 €
Summe 988,89 €

Zur Begründung seines Antrages führte der Verteidiger des Betroffenen aus, dass der Ansatz von Gebühren leicht über den Mittelwerten angemessen sei, da es sich um völlig neue Rechtsnormen handele, sodass eine intensive Einarbeitung erforderlich gewesen sei, zumal zum Zeitpunkt der Verhandlung erst eine einzige entsprechende Entscheidung veröffentlicht gewesen sei und die Verteidigung nicht davon habe ausgehen können, dass sich das Amtsgericht Salzgitter dieser Rechtsmeinung anschließen würde. Kommentarliteratur habe überhaupt noch keine vorgelegen. Darüber hinaus legte der Verteidiger des Betroffenen eine „Vollmacht mit Abtretung" bei.

Im angefochtenen Beschluss setzte das Amtsgericht Salzgitter die dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen gekürzt fest:

Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG 90,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG 110,00 €
Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 110,00 €
Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG 180,00 €
Post- und Telek.pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Auslagen 12,00 €
Summe 621,18 €

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss wendete sich der Verteidiger mit seiner am 25.05.2021 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 23.05.2021, in der er ausführt, dass aufgrund der mitgeteilten Abtretung die Kostenfestsetzung nicht für den Freigesprochenen, sondern für den Verteidiger beantragt worden sei, sodass die Festsetzung für den Freigesprochenen schlicht falsch sei, sodass das Rechtsmittel auch nicht auf die nicht zuerkannte Höhe beschränkt werden könne. Darüber hinaus habe er sich mit einer Rechtsnorm beschäftigen müssen, zu der es das konkrete Problem betreffend bis dahin weder Kommentierungen noch Aufsätze gegeben habe und lediglich ein einziges Urteil veröffentlicht gewesen sei. Die Recherche sei daher naturgemäß ausgesprochen aufwendig gewesen. Er habe insbesondere auch Online-Datenbanken befragen und Rückfragen bei Kollegen stellen müssen. Mit dem gefundenen Urteil habe er sich darüber hinaus auseinandersetzen müssen. Weil es bei der Entscheidung auf nicht ausgetragene Rechtsfragen angekommen sei, sei die Rechtslage schwierig gewesen. Das Rechtsproblem habe zur damaligen Zeit bundesweit jeden Autoinsassen betroffen, wenn Personen aus verschiedenen Haushalten unterwegs gewesen seien. Daher habe auch großes öffentliches Interesse an dem Verfahren bestanden, was gebührentechnisch ebenfalls zu berücksichtigen sei. Die durchgeführte Hauptverhandlung habe nur dadurch abgekürzt werden können, dass der Unterzeichner trotz mangelnder Kommentierungen und Aufsätze maximal vorbereitet gewesen sei und auf einen Richter getroffen sei, mit dem man, weil auch er maximal vorbereitet gewesen sei, dann sehr schnell dieses tiefgreifende Rechtsproblem einvernehmlich habe besprechen können. Auch die Folgen einer Verurteilung wären nicht undramatisch gewesen, denn anders als im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht hätten bei Wiederholungsfällen dramatische Bußgelderhöhungen gedroht. Darüber hinaus sei das Bußgeld von 200.00 € in dem konkreten Zusammenhang als durchaus überdurchschnittlich anzunehmen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die von der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen waren dem Betroffenen und nicht dessen Verteidiger zu erstatten. Denn der Erstattungsanspruch des Betroffenen auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen aus der Staatskasse ist nicht gemäß § 398 BGB formwirksam an den Verteidiger abgetreten worden. Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt ist, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (NJW 2011, 2713 Rn. 6 beck-online). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Denn die Forderung. die Gegenstand der Abtretung ist, ist nur dann bestimmt, oder wenigstens bestimmbar, wenn Gegenstand und Umfang der Forderung, das heißt die Person des Schuldners, Gegenstand und Umfang der Leistung, bei Verwechslungsgefahr auch weiter der Rechtsgrund der Forderung (MüKoBGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl. 2019, BGB § 398 Rn. 66) erklärt werden. Weder die von dem Verteidiger des Betroffenen vorgelegte Abtretungsanzeige im Schreiben vom 29.01.2021 noch die entsprechende Abtretungsvereinbarung vom selben Tag erfüllen diese Voraussetzungen. Ausdrücklich angezeigt hat der Verteidiger des Betroffenen die Abtretung nicht. Er hat stattdessen lediglich in seinem Schreiben vom 29.01.2021 auf eine „anbei liegende Vollmacht mit Abtretung" verwiesen. Die daher allein maßgebliche Abtretungsvereinbarung ist bereits nicht mit „Abtretung" oder ähnlichem überschrieben, sondern mit "Vollmacht für Rechtsanwalt pp". Ihrem Text entsprechend hat die Erklärung lediglich einen Erklärungsinhalt, nämlich die Beauftragung und Vertretung des Betroffenen mit dessen VerteidigungNertretung in dem Verfahren „696/OWi pp." wegen "Kostenfestsetzung. Geldempfang und Abtretung an RA pp.. Eine Vertretung bei einer Abtretung einer eigenen Forderung durch den Abtretungsempfänger dürfte zivilrechtlich jedoch bedenklich sein. Im Falle einer daher gebotenen Auslegung dürfte die "Vollmacht für Rechtsanwalt pp." daher zwei Erklärungsinhalte haben. Im ersten Teil beauftragt der Betroffene in ihr die Verteidigung/Vertretung in dem Verfahren „696/OWI pp." wegen „Kostenfestsetzung und Geldempfang". Im zweiten Teil wird eine „Abtretung an RA pp." erklärt. Welche Forderung abgetreten werden soll, ergibt sich aus dem Text jedoch nicht. Stattdessen enthält der Text lediglich die Formulierung "Abtretung an RA pp." ohne Bezug zu einer Forderung. Um diese hinreichend konkretisieren zu können, wäre erforderlich gewesen, dass die Abtretungsvereinbarung die Bezeichnung der Erstattungsansprüche, das gerichtliche Aktenzeichen und die Bezeichnung des Gerichts enthalten hätte. Aus dem Kontext könnte zwar entnommen werden, dass es sich um die Erstattungsansprüche des Betroffenen aus dem Verfahren 11a OWi 123 Js 40670/20 vor dem Amtsgericht Salzgitter handeln könnte. Jedoch ist dieser Schluss im vorliegenden Fall nicht möglich. Denn der Text ist in sich widersprüchlich und lässt den Schluss auf eine vollständige Abtretung nicht zu. Es wäre inkonsequent eine Forderung vollständig an den Abtretungsempfänger abzutreten und diesen gleichzeitig hinsichtlich des Geldempfanges zu bevollmächtigen. Eine entsprechende Vollmacht wäre im Falle einer vollständigen Abtretung nicht erforderlich.

2.

Die vom Verteidiger angesetzten Gebühren sind unbillig gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.

Unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit liegt jedenfalls insgesamt eine unterdurchschnittliche Angelegenheit vor. Es handelt sich nämlich um ein einfach gelagertes Ordnungswidrigkeitsverfahren, das keiner besonderen Vorbereitung bedurfte. Inhaltlich war lediglich zu klären, ob der gemeinsame Aufenthalt von drei Personen in einem privaten Pkw einen Aufenthalt im öffentlichen Raum darstellt, wobei es sich um eine reine Rechtsfrage handelte. über die es zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits Ausführungen in zwei Beschlüssen des Amtsgerichts Stuttgart (Az.: 4 OWi 177 Js 68534/20) und Amtsgericht Reutlingen (4 OWi 23 Js 16246/20) gab. Es handelte sich daher auch nicht um eine. wie der Verteidiger meint, nicht ausgetragene Rechtsfrage. Darüber hinaus ergibt sich aus der Akte kein Hinweis darauf, dass an dem Verfahren ein besonderes öffentliches Interesse bestand. Die Dauer der Hauptverhandlung betrug lediglich 10 Minuten, wobei Zeugen nicht vernommen worden sind und der Betroffene von dem persönlichen Erscheinen entbunden worden ist. Der Schriftverkehr mit dem Verteidiger beschränkte sich auf den Einspruchsschriftsatz vom 29.06.2020 und eine Einspruchsbegründung vom 02.07.2020 deren Inhalt äußerst überschaubar war. Der Aktenumfang war mit 34 Blatt bis zum Beginn der Hauptverhandlung gering, wobei sich ein nicht unerheblicher Teil des Umfanges aus den Folgen der teilweisen mehrfachen Heftung von ergänzenden Sachverhaltsmitteilungen/Stellungnahmen ergab.

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ist angesichts der verhängten Geldbuße in Höhe von 200,00 € noch als unterdurchschnittlich zu bewerten. Es drohten weder berufliche noch andere einschneidende Konsequenzen. Der Verteidiger hat in der Beschwerdeschrift vom 23.05.2021 zwar vorgetragen, dass die Angelegenheit für den Betroffenen von hoher Bedeutung gewesen sei, da im Wiederholungsfalle (anders als im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht) dramatische Bußgelderhöhungen gedroht hätten. Dieses Vorbringen ist jedoch zu allgemein gehalten, um daraus ein billiges Ermessen für die Gebührenbestimmung abzuleiten. Der Verteidiger hat bereits nicht vorgetragen, warum es bei dem Betroffenen im Verurteilungsfalle zu Wiederholungsfällen hätte kommen sollen, wäre er doch in diesem Falle besonders sensibilisiert gewesen.

Die genauen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen sind unbekannt. Sie bleiben daher als Gebührenbemessungskriterien außer Betracht. Für die Angemessenheit einer Gebühr ist der Rechtsanwalt darlegungs- und beweispflichtig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG.


Einsender: Werner Siebers. Wolfenbütteler Str. 79. 38102 Braunschweig

Anmerkung:


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