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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung beim Dritten, Auffindevermutung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 02.06.2021 - 1 Qs 3/21

Leitsatz: Die bloße Vermutung, die Durchsuchung werde zum Auffinden relevanter Beweismittel führen, reicht für ein Vorgehen nach § 103 StPO nicht aus.


1 Qs 3/21

BESCHLUSS

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

wegen versuchten Totschlags
hier: Beschwerde des Betroffenen

ergeht am 02.06.2021

durch das Landgericht Dresden - 4. Große Strafkammer als Beschwerdekammer -
nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt. dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.09.2020 (Gz.: 273 Gs 3793/20), soweit er die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers betrifft, rechtswidrig war.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Geschäftsräume in einem gegen den Beschuldigten pp. u.a. wegen des Verdachts des versuchten Totschlages geführten Verfahren.

Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter eines pp., welches sich auf dem Grundstück pp. in Dresden befindet.

Die Staatsanwaltschaft Dresden legt dem Beschuldigten pp. aufgrund ihrer bisherigen Ermittlungen folgende Taten zur Last:

1. Am 08.09.2019 gegen 21.45 Uhr habe der Beschuldigte in der Bar „pp“ in Dresden, den Geschädigten B. den er als Zeugen aus einer Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten pp. vor dem Amtsgericht Dresden erkannt habe, aufgefordert, die Bar zu verlassen und ihm dann mit der Faust ins Gesicht geschlagen und in Verletzungsabsicht mit mehreren Gläsern beworfen.

Als der Geschädigte pp. sich gegen den Angriff habe wehren wollen, habe er von den Beschuldigten pp. und pp. weitere Schläge auf den Rücken und gegen das Bein bekommen. Auch dem Geschädigten pp., der seinem Freund pp. habe helfen wollen, habe der Beschuldigte pp. einen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

Anschließend habe der Beschuldigte — mindestens in Bedrohungsabsicht — ein Magazin in eine unbekannte Schusswaffe — wahrscheinlich eine scharfe Pistole oder eine zu einer scharfen Waffe umgebaute Schreckschusspistole — eingeführt und diese durchgeladen. Die Waffe habe der ebenfalls Beschuldigte pp. während der Schlägerei aus einem dunklen Pkw, der vor der Bar geparkt habe, geholt. An weiteren Angriffen auf die Geschädigten habe der Beschuldigte pp. von unbekannten Gästen in der Bar gehindert werden können.

2. Am 21.09.2019 gegen 12.30 Uhr sei es am pp. in Dresden erneut zu einem Angriff des Beschuldigten pp. auf den Geschädigten pp. gekommen. Der Beschuldigte sei schnell auf den Geschädigten zugelaufen und habe ihn mit den Worten „du Fotze" beleidigt, um seine Missachtung auszudrücken. Anschließend habe er den Geschädigten bedroht, indem er angekündigt habe, dass er jetzt seine Waffe aus dem Auto holen würde. Daran sei er aber von drei unbekannten Begleitern aus seinem Umfeld gehindert worden, sodass der Geschädigte in die Bar pp. seinen Arbeitsplatz, habe flüchten können.

3. Der Beschuldigte pp habe am 05.10.2019 gegen 23.00 Uhr in der Bar pp in Dresden. mit acht Personen. die mit Messern, Flaschen und Gläsern bewaffnet gewesen seien, den Geschädigten pp. angegriffen.

Aus der Gruppe heraus seien Flaschen und Gläser nach dem Geschädigten geworfen worden. Ein gläserner Gegenstand habe ihn am Kopf getroffen. sodass er zu Boden gefallen sei. Unbekannte Täter aus der Gruppe hätten auf den am Boden liegenden Geschädigten eingetreten. Diesem sei es aber gelungen, wieder aufzustehen. Einen ersten Messerstich habe er noch abwehren können.

Während des Angriffs habe der Beschuldigte mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm in Tötungsabsicht auf den Geschädigten eingestochen und ihn in der linken Bauchseite getroffen.

Der Beschuldigte habe bei seiner Tat den Tod von pp. zumindest billigend in Kauf genommen. Der Geschädigte habe mit einer lebensbedrohlichen Stichverletzung in die Uniklinik Dresden eingeliefert werden müssen und sei dort notoperiert worden.

Mit dem angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.09.2020 hat die zuständige Ermittlungsrichterin gemäß §§ 103, 105 Abs. 1 StPO u.a. die Durchsuchung der Geschäftsräume mit Nebenräumen der Firma des Beschwerdeführers zum Auffinden von Beweismitteln (u.a. Waffen, vor allem der möglichen Tatwaffe der Tat zu 3. - einem Messer mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm -, Unterlagen/Fotos, die Hinweise auf Kontakte des Beschuldigten zu näher bezeichneten Mitgliedern der „ sowie zu weiteren Personen enthalten; jeweils einschließlich der Daten auf visuell nicht lesbaren Datenträgern) angeordnet.

Zudem wurde die Beschlagnahme der gesuchten Gegenstände nach §§ 94, 98 StPO angeordnet, sofern diese nicht freiwillig herausgegeben werden.

Ausweislich der Beschlussbegründung bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte pp. bereit sei, Zeugen zu bedrohen und unter Druck zu setzen, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen und er auch vor diesem Hintergrund die o.g. Taten begangen habe. Aus der laufenden Telekommunikationsüberwachung und weiteren Ermittlungen zur Nutzung des Grundstücks gehe hervor, dass auf dem Grundstück eine Vielzahl von Firmen tätig seien, die jeweils einen Bezug zum Beschuldigten pp. und seiner Familie haben. Eigentümer der gesamten Immobilie sei der Vater des Beschuldigten pp. Letzterer nutze Büros der auf dem Grundstück ansässigen Firma pp. GmbH. Es sei wahrscheinlich, dass der Beschuldigte auch Zugriff auf die Räumlichkeiten der weiteren auf dem Grundstück ansässigen Firmen habe, weshalb die Annahme gerechtfertigt sei, dass die Durchsuchung zum Auffinden der Gegenstände führen werde.

Die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers fand am 06.10.2020 statt. Ausweislich des Durchsuchungsprotokolls wurde u.a. ein Messer mit einer Klingenlänge von 26 cm, sowie ein Mobiltelefon und zwei Festplatten aufgefunden.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.11.2020 legte der Beschwerdeführer gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein und beantragte zugleich festzustellen, dass die Art und Weise der am 06.10.2020 durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme rechtswidrig war.

Das Amtsgericht Dresden hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Ungeachtet der Beendigung der Durchsuchung und damit der Erledigung des Beschlusses aufgrund der bereits erfolgten und abgeschlossenen Durchsuchung bleibt die Beschwerde gleichwohl zulässig.

Die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 13 GG gebietet, dass auch nach Abschluss der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Maßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl. BGH. Beschluss vom 13.10.1999 - StB 7, 8/99). Daher bleibt ein Feststellungsinteresse des von der Durchsuchungsmaßnahme Betroffenen für den Fall bestehen, dass — wie hier — die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerügt wird.

2. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.09.2020 war in Bezug auf den Beschwerdeführer rechtswidrig.

Der angefochtene Beschluss genügt nicht den Anforderungen. die aus rechtsstaatlicher Sicht an die richterliche Anordnung einer Durchsuchung gemäß §§ 103, 105 StPO zu stellen sind.

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung und gewährt dem Einzelnen einen elementaren, dem staatlichen Eingriff entzogenen Lebensbereich innerhalb dessen er seine Privatsphäre ungestört entfalten kann. Dabei fallen auch Betriebs- und Geschäftsräume grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG. Hat eine nicht verdächtige Person durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben, müssen deshalb konkrete Gründe und nicht nur die allgemeine Lebenserfahrung dafür sprechen, dass der gesuchte Beweisgegenstand in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2016 — 2 BvR 1361/13).

Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Notwendigkeit der Durchsuchung aller Räume auf dem Grundstück pp.Str. wurde durch das Amtsgericht damit begründet, dass sämtliche auf dem Grundstück ansässigen Firmen mit der Familie des Beschuldigten in Verbindung stehen. Dies ergebe sich v.a. daraus, dass Eigentümer der gesamten Immobilie der Vater des Beschuldigten sei. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich zunächst, dass die pp. mbH Eigentümerin des Grundstücks ist, wobei es sich bei deren Geschäftsführer tatsächlich um den Vater des Beschuldigten handelt (vgl. BI. 1058 d.A.). Darüber hinaus waren aber keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine konkrete Verbindung des Beschuldigten zum Unternehmen des Beschwerdeführers sprachen. Der Umstand, dass der Beschuldigte sich häufig in dem auf dem Grundstück pp.Str. befindlichen Bürogebäude der Firma pp. aufhielt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da sich das Gebäude in einer nicht unerheblichen Entfernung zu den vom Beschwerdeführer gemieteten Räumlichkeiten befindet. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte über entsprechende Möglichkeiten verfügte, auch auf Räumlichkeiten der anderen auf dem Grund-stück ansässigen Firmen zuzugreifen, waren nicht gegeben. Hierbei handelte es sich lediglich um Vermutungen, die nicht durch weitere Tatsachen gestützt wurden. Für die Annahme, dass die gesuchten Beweisgegenstände in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers aufgefunden werden könnten, sprach vor diesem Hintergrund bereits nicht die allgemeine Lebenserfahrung, erst recht aber gab es hierfür keine konkreten Gründe.

Die bloße Vermutung, die Durchsuchung werde zum Auffinden relevanter Beweismittel führen, reicht für ein Vorgehen nach § 103 StPO nicht aus. Der Beschluss war daher rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 467 StPO.


Einsender: RA M. Stephan, Dresden

Anmerkung:


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