Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hamburg, Beschl. v. 28.04.2021 - 616 Qs 12/21
Leitsatz: Eine nachträgliche Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger kommt nicht in Betracht.
616 Qs 12/21
Landgericht Hamburg
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen des Verdachts des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
beschließt das Landgericht Hamburg - Große Strafkammer 16 - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 28.04.2021:
Die sofortige Beschwerde der Beschuldigten vom 17.03.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 10.03.2021 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg führte gegen die ehemals Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Widerstands gegen Vollstreckung_ am 25.10.2020, nachdem ihr Sohn wegen eines angekündigten Suizidversuchs die Polizei gerufen hatte. Unter dem 02.02.2021 hat der Verteidiger und Betreuer der Beschuldigten seine Beiordnung als notwendigen Verteidiger beantragt. Am 09.02.2021 teilte die Staatsanwaltschaft der Polizei mit, dass beabsichtigt sei, das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, weil nicht auszuschließen sei, dass die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen sei. Dies wurde auch dem Verteidiger und Betreuer der Beschuldigten am 09.02.2021 telefonisch mitgeteilt. Das Amtsgericht Hamburg hat den Antrag auf Beiordnung mit hier angegriffenem Beschluss vom 10.03.2021 zurückgewiesen. Am 12.03.2021 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.03.2021 wendet sich der Verteidiger mit seiner sofortigen Beschwerde, welche am 17.03.2021 bei dem Amtsgericht Hamburg eingegangen ist.
Die Beschuldigte steht aufgrund einer bipolaren Störung, einer schizoaffektiven Störung, einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sowie einer primär einfachen Persönlichkeitsstruktur seit dem 03.11.2020 unter rechtlicher Betreuung.
II.
Die statthafte (§§ 142 Abs. 7, 311 StPO) sofortige Beschwerde ist unzulässig, weil bereits bei ihrer Einlegung keine Beschwer vorlag. Das Verfahren wurde bereits am 12.03.2021 - also vor Einlegung der sofortigen Beschwerde - gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, so dass eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht mehr in Betracht kommt. Damit besteht kein Bedürfnis mehr für die Führung der Verteidigung in dem hiesigen Verfahren.
Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für das abgeschlossene. Verfahren ist unzulässig, und zwar auch dann, wenn der Wahlverteidiger rechtzeitig und begründet seine Bestellung beantragt hatte. Deshalb kann dahinstehen, ob mit Blick auf die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragsstellung (02.02.2021) (naheliegend) ein Fall der notwendigen Verteidigung vorlag.
Das Institut der notwendigen Verteidigung ist dazu bestimmt, dem Beschuldigten oder Angeklagten einen rechtskundigen Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Beschuldigten öder Angeklagten. Eine nachträgliche Bestellung würde einzig dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Verteidiger für einen bereits abgeschlossenen Verfahrensabschnitt einen Vergütungsanspruch zu verschaffen (vgl. OLG Hamburg Beschl. v. 16.09.2020 2 Ws 112/20, BeckRS 2020, 27077 Rn. 14 ff., beck-online; OLG Köln Beschl. v. 28.01.2011 2 Ws 74/11 jew mwN).
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019, da die zugrundeliegende PKH-Richtline (EU) 2016/1919 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2016 einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe nur dann zuspricht, wenn dies für das weitere Verfahren von Bedeutung ist und gerade keine Bedürftigkeitsprüfung verpflichtend vorsieht (vgl. OLG Hamburg aaO; aA Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Auflage 2020, § 142 StPO Rn 20).
Im Übrigen war der Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger bereits auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts am 10.03.2021 aufgrund prozessualer Überholung unbegründet, weil beabsichtigt war, das Verfahren alsbald einzustellen, §§ 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 3 StPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA D. Ketelsen, 22085 Hamburg
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