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Entscheidungen

Zivilrecht

Desinfektionskosten, Ersatz, Corona-Pandemie

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Aachen, Urt. v. 25.11.2020 - 116 C 123/20

Leitsatz: 1. Kosten für die Desinfektion eines Fahrzeuges nach einer durchgeführter Reparatur sind in der Kaskoversicherung als erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung des Schadens zu erstatten.
2. Es handelt sich nicht nur um Allgemeinkosten, sondern auch einen Aufwand zum Schutz des Kunden.
3. Ein Betrag i.H.v. 73 € liegt dabei im vertretbaren Rahmen der üblichen Vergütung.


116 C 123/20
Verkündet am 25.11.2020

Amtsgericht Aachen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit pp.

hat das Amtsgericht Aachen im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 16. 11 .2020 durch den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten der Klägerin an die pp. zu der Rechnungsnummer pp. 73,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2020 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar,

Ohne Tatbestand gemäß §§ 313, 495a ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet,

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aus der bei dieser unterhaltenen Kfz Vollkaskoversicherung einen Anspruch auf Zahlung weiterer 73272 €.

a) Allerdings hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass vorliegend die Grundsätze zur schadensersatzrechtlichen Erforderlichkeit einzelner Schadenspositionen nicht einschlågig sind. Denn die beklagte Partei wird als Kasko- und nicht als Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen. Welche Positionen im Schadensfall im Rahmen der Vollkaskoversicherung zu regulieren sind, bestimmt sich folglich nach den zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Versicherungsbedingungen. Insoweit steht es den Parteien eines Versicherungsvertrags grundsätzlich frei, bestimmtet schadensersatzrechtlich erstattungsfähige Positionen von der Ersatzpflicht auszunehmen. Dementsprechend sehen die in der Kfz-Vollkaskoversicherung regelmäßig verwandten Versicherungsbedingungen eine Zahlungspflicht der Versicherung nur hinsichtlich der für die Reparatur erforderlichen Kosten (bis zu bestimmten Obergrenzen) vor, während sonstige, im Haftpflichtfall einem Geschädigten zu erstattende Positionen wie Sachverständigenkosten Wertminderung oder Nutzungsausfall nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen ersetzt werden. Da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die zwischen den Parteien geltenden Versicherungsbedingungen zu Reinigungskosten im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten wie der COVID-Pandemie eine Regelung enthalten, ist folglich zu prüfen, ob die allein streitgegenständlichen Kosten für die Desinfektion des klägerischen Fahrzeugs erforderlich für dessen Reparatur waren,

b) Bei den fraglichen Kosten handelt es sich um erforderliche Reparaturkosten die nach dem Versicherungsvertrag erstattungsfähig sind.

aa) Treffen die Vertragsparteien zu der Frage, welche Maßnahmen zur Reparatur eines beschädigten Kraftfahrzeugs erforderlich sind, keine näheren Vereinbarungen, so kann auch im Rahmen der Kfz-Vollkaskoversicherung auf die Grundsätze des Schadensrechts jedenfalls ergänzend zurückgegriffen werden (vgl. AG Coburg, Urteil vom 15.11.2019, 17 C 652/19, juris Rn. 8). Als erforderlich sind danach diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch machen würde.

bb) Vorliegend ist unstreitig, dass Kfz-Werkstätten - und damit auch der klägerseits beauftragte Reparaturbetrieb angesichts der besonderen Gefahren der COVID-19 Pandemie strikte und ordnungsbehördlich überwachte Auflagen wie die Desinfektion instand zusetzender Kundenfahrzeuge einhalten mussten Angesichts dieser Verpflichtung, die die von der Klägerin beauftragte Werkstatt schon zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs zu erfüllen hatte, kommt es auf die Frage, ob die vorgenommenen Desinfektionsmaßnahmen einen (naturwissenschaftlich nachweisbaren) Effekt im Sinne einer tatsächlichen Verringerung von Infektionsrisiken hatten, nicht mehr an. Denn zu einer Desinfektion gab es keine Alternative, so dass nicht nur aus der subjektiven Sicht der Klägerin! sondern vielmehr objektiv erforderlich waren.

cc) Dass eine Desinfektion des Fahrzeugs durchgeführt wurde, folgt bereits aus der Reparaturrechnung vom in der entsprechende Kosten in Höhe von 01,95 € netto bzw. 73,72 € enthalten sind. Angesichts des Umstands, dass die fragliche Position in der Rechnung explizit aufgeführt wurde, geht ein einfaches Bestreiten diesbezüglich ins Leere (vgl. AG Köln, Urteil vom 28.08.2013, 261 C 34/13, juris Rn. 29). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf die streitbefangene Position tatsächlich nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden sein könnten. Hinsichtlich des sonstigen Rechnungsinhalts hat auch die Beklagte offenkundig keine Zweifel an dessen Richtigkeit.

dd) Die Reparaturwerkstatt war auch nicht gehindert, die Reinigungskosten gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Denn eine derartige Positionen als Gemeinkosten zu behandeln (und damit in die Kalkulation der am Markt angebotenen sonstigen Preise einfließen zu lassen), gibt es nicht, Dies folgt schon daraus, dass die fraglichen Kosten allein aufgrund außergewöhnlicher Umstände (der COVID-i9-Pandemie) und konkret bezogen auf bestimmte Fahrzeuge angefallen sind. Im Übrigen kann insoweit nichts anderes als im Haftpflichtschadensfall gelten. Dort ist etwa bei der Inanspruchnahme eines Mietwagens anerkannt, dass der Schädiger bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung nicht berechtigt ist dem gewerblichen Vermieter vorzugeben, welche Kosten er für seine Leistung in Rechnung stellen darf (vgl. AG Suhl, Urteil vom 14.09.2016, 1 C 544/15, juris Rn. 46 f.). Die Bestimmung seines Preisgefüges ist damit grundsätzlich die unternehmerische Entscheidung des Jeweiligen Reparaturbetriebs.

ee) Schließlich ist auch die Höhe der Reinigungskosten, die lediglich rund % der Rechnungssumme ausmachen nicht zu beanstanden. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht nicht aus, um die Berechtigung der geltend gemachten Summe -in Frage zu stellen (vgl. hierzu und zum Folgenden; AG Coburg Urteil vom 15.11.2019, 17 C 852/19, juris Rn, 11). Es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass der von der klagenden Partei ausgewählte Reparaturbetrieb Preise verlangt, die deutlich über den ortsüblichen Preisen und damit dem Versicherungsnehmer als überzogen hätten 'ins Auge springen müssen, Dies ist hier nicht der Fall. Die fraglichen Kosten bewegen sich wie aus den klägerseits vorgelegten gerichtlichen Entscheidungen folgt ersichtlich in einem Bereich, wie er in vergleichbaren Fällen üblich ist, Das Gericht würde deshalb auch im Wege des § 287 Abs. 2 ZPO zu dem zuerkannten Betrag gelangen.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

3. Nebenentscheidungen: §§ 91, 713 ZPO

4. Wert: 73,72 €


Einsender: RA M. Nugel, Essen

Anmerkung:


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