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Entscheidungen

OWi

Messunterlagen, Einsichtsrecht, Messreihe

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Landstuhl, Urt. v. 08.04.2021 – 2 OWi 4211 Js 2936/21

Leitsatz: 1. Es gibt keinen Grundsatz, dass die Erhebungsdaten eines standardisierten Verfahrens der Geschwindigkeitsmessung stets gespeichert werden müssen.
2. Inhaltlich ist dem Betroffenen vor der Hauptverhandlung zwar voller Einblick in die Messung betreffende Unterlagen oder Daten zu gewähren, um sie ggf. sachverständig überprüfen zu lassen. Ein Anspruch auf Einsicht in die gesamte Messreihe besteht dabei jedoch nicht.


In pp.

1. Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 70 EUR verurteilt.
2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften:

§§ 24 StVG, 41, 49 StVO, 11.3.4 BKat

Gründe

I.

Der entbundene Betroffene hat sich zur Person nicht eingelassen. Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können: Der Betroffene war am 22.10.2020 Führer des PKW mit dem Kennzeichen pp. und befuhr um 14:09 Uhr die BAB6, Fahrtrichtung Mannheim. Auf Höhe des km 633,2, Gemarkung Ramstein, fuhr der Betroffene statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 101 km/h. Gemessen wurde mit dem Messsystem PoliScan Speed FM1. Die gemessene Geschwindigkeit betrug zunächst 105 km/h, wobei anschließend als Toleranz 4 km/h abgezogen worden sind. Das Messgerät wurde stationär und damit gemäß der zugrundeliegenden Baumusterprüfbescheinigung genutzt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung geeicht, ausweislich des Eichscheins auch konformitätsbewertet, und wurde gemäß der Gebrauchsanweisung von geschultem Messpersonal bedient. Die aufgestellten Verkehrszeichen waren beidseitig aufgestellt und erkennbar.

III.

Der Betroffene hat sich außer der Einräumung der Fahrereigenschaft zur Sache nicht eingelassen.

Der Verteidiger des Betroffenen hat das Messverfahren angegriffen und vorgetragen, dass ein Privatsachverständiger die Messung nicht vollständig prüfen könne, weil nicht alle Daten gespeichert werden würden und weil er keine Einsicht in die Rohmessdaten erhalten habe.

IV.

Die getroffenen Feststellungen beruhen, soweit sich der Betroffene nicht geständig eingelassen hat, auf der Durchführung der Beweisaufnahme. Das Gericht hat das zur Messung gehörende Messbild in Augenschein genommen und hinsichtlich der Datenleiste verlesen. Auf das Messbild, Bl. 13 d.A., sowie den auf derselben Aktenseite befindlichen vergrößerten Ausschnitt aus dem Messbild, der zur Identifikation des Betroffenen als Fahrer des Fahrzeugs diente, wird jeweils im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und Bezug genommen. Das Gericht hat den Eichschein, Bl. 16-17 d.A., sowie das Messprotokoll, Bl. 15 d.A., gemäß § 256 StPO verlesen. Das Gericht hat den Schulungsnachweis des eingesetzten Messbeamten, Bl. 18 d.A., verlesen.

Eine weitere Beweiserhebung war nicht erforderlich. Es handelt sich bei dem eingesetzten Messgerät um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291; BGHSt 43, 277), das durch die obergerichtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung als solches Verfahren bestätigt wird (vgl. OLG Zweibrücken Beschl. v. 23.7.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 68/19, BeckRS 2019, 20220).

Die Beanstandung der fehlenden Speicherung greift nicht durch. Weder der Umstand, dass die durch ein Messgerät erfolgte Messwertbildung einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle nicht zugänglich ist, schließt die Annahme eines standardisierten Messverfahrens nicht aus, noch begründet die mangelnde gerichtliche Kenntnis der genauen Funktionsweise des Messgerätes von vornherein Zweifel an seiner Zuverlässigkeit noch eine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses (OLG Koblenz BeckRS 2016, 13085). Gleiches gilt für den Umstand, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen die genaue Funktionsweise des Gerätes anhand hierfür relevanter Taten der Messwertermittlung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann (OLG Dresden NZV 2016, 438). Es gibt keinen Grundsatz, dass die Erhebungsdaten eines standardisierten Verfahrens der Geschwindigkeitsmessung stets gespeichert werden müssen (KG BeckRS 2020, 31908).

Soweit – ohne weiteren Einsichtsantrag oder Aussetzungsantrag – gerügt wurde, dass Rohmessdaten nicht erhalten worden seien, ist dies falsch bzw. rechtlich irrelevant. Ausweislich der Akte (CD mit Inhaltsangabe Bl. 63 d.A.) hat der Betroffene Einsicht in die Rohmessdaten der ihn betreffenden Messung erhalten. Mit seinem Gesuch, darüberhinausgehende Messdaten zu erhalten, ist der Betroffene bereits mit seinem gerichtlichen Antrag gescheitert (2 OWi 16/21). Sie stehen ihm auch aus rechtlichen Gründen nicht zu. Inhaltlich ist dem Betroffenen vor der Hauptverhandlung zwar voller Einblick in die Messung betreffende Unterlagen oder Daten zu gewähren, um sie ggf. sachverständig überprüfen zu lassen (BVerfG BeckRS 2020, 34958). Das gilt aber mit Einschränkungen: (1) Die Daten und Unterlagen müssen tatsächlich vorhanden sein; (2) Aus den Daten und Unterlagen müssen relevante Erkenntnisse für die Beurteilung der Verlässlichkeit der den Betroffenen betreffenden Messung gezogen werden können; (3) Der Betroffene muss sich rechtzeitig und ggf. wiederholt um die entsprechenden Daten und Unterlagen bemühen. Den Anspruch auf die gesamte Messreihe hat bereits das OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 32678) verneint. Das BVerfG hat diese Entscheidung zitiert und nicht beanstandet. Soweit sich das OLG Jena (OLG Jena, Beschl. v. 17.3.2021 - 1 OLG 331 SsBs 23/20) dem entgegenstellt und ohne tatsächliche Anhaltspunkte die Einsicht in die gesamte Messreihe aufgrund eines vagen Verdachts auf mögliche Erkenntnisse zugesprochen hat, geht dies fehl. Das OLG Jena hat – anders als das OLG Zweibrücken – nicht die PTB ergänzend zur gutachterlichen Stellungnahme aufgefordert, obwohl veröffentlichte Stellungnahmen der PTB als offenkundige Tatsachen zu behandeln sind (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 337 Rn. 25). Diese Nichtbeteiligung der PTB ist zudem ein eklatanter Widerspruch zur bisherigen OLG-Rechtsprechung, die den Tatgerichten genau diese Erkundigungspflicht auferlegt (vgl. nur OLG Köln zfs 2018, 407). Hinzu kommt, dass das OLG Jena zur Untermauerung seiner These, dass sich aus den gesamten Messdaten eine breitere Basis für die Fehlersuche ergeben würde, zwei Entscheidungen zitiert hat, die dem gerade diametral entgegenstehen: In OLG Düsseldorf NZV 2016, 140 wird ein Bezug gerade verneint und das KG NStZ 2019, 289 befasste sich mit einer Riegl-Messung, wo bekanntermaßen gar keine Daten gespeichert werden.

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu verantworten, §§ 24 StVG, 41, 49 StVO. Er hätte, auch aufgrund der verkürzten Ausfahrt, die Beschilderung wahrnehmen und beachten können und müssen.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 70 EUR gemäß Ziffer 11.3.4 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz bedingen würden.

Wird ein Bußgeld nach dem Regelsatz angeordnet oder ein Regelbußgeld wegen vorsätzlichen Verhaltens verdoppelt, sind keine gesonderten Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich. Es wird davon ausgegangen, dass der Betroffene diese Geldbußen wirtschaftlich tragen kann, sofern nicht besonders schlechte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen. Hierzu wurde weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG, 465 StPO.


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