Gericht / Entscheidungsdatum: AG Naumburg, Beschl. v. 31.03.2021 9 Gs 408/20
Leitsatz: Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist auch noch nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO zulässig.
Amtsgericht Naumburg
Beschluss
9 Gs 626 Js 204538/20 (4 8/20)
31. März 2021
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Diebstahls
wird dem vormals Beschuldigten Herr Rechtsanwalt pp. gemäß 140 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 141 Abs. 1 S. 1, 142 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Der Verteidiger des vormals Beschuldigten beantragte mit dem an die Polizei in Naumburg gerichteten Schriftsatz vom 17.09.2020 in dem hier in Rede stehenden Ermittlungsverfahren wegen eines vermeintlich am 23.10.2019. in Naumburg begangenen Einbruchdiebstahls In eine Gaststätte namens und in Vollmacht des vormals Beschuldigten seine Beiordnung zum Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. §§ 141 Abs. 1 a 1, 142 Abs. 1 5. 1 und 2 StPO. Er erklärte diesbezüglich, dass er im Fall der Beiordnung das Wahlmandat niederlegen werde. Gegen den vormals Beschuldigte wurde zum Zeitpunkt der Antragstellung die Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Naumburg vom 02.07.2020 (10 Ls 626 Js 201440/20) in der Justizvollzugsanstalt Halle vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft Halle Zweig-stelle Naumburg stellte das Ermittlungsverfahren gegen den vormals Beschuldigten am 14.10.2020 gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig ein. Sie beantragte unter dem Datum des 28.10.2020, den Beiordnungsantrag als unbegründet zu verwerfen, da von der Beiordnung des Verteidigers gemäß § 141 Abs. 2 S. 3 StPO abzusehen gewesen sei.
Dem Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung war gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO L V. m. §§ 141 Abs. 1 S. 1, 142 Abs. 1 a 1 StPO stattzugeben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung lagen die Voraussetzungen der Beiordnung vor, weil der Verteidiger die Niederlegung des Wahlmandats im Fall der Beiordnung erklärt hatte und sich der vormals Beschuldigte in anderer Sache zur Vollstreckung eines Urteils in Haft befand und weil das Erfordernis der unverzüglichen Weiterleitung der Akten an das Gericht und der unverzüglichen Bestellung nicht beachtet wurde. Unverzüglich i. S. cl. §§ 141 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 2 StPO bedeutet, dass die Pflichtverteidigerbestellung zwar nicht sofort, aber doch so rechtzeitig zu erfolgen hat, dass die Verteidigungsrechte gewahrt werden. Grundsätzlich ist hierunter eine Prüfungs- und Überlegungsfrist von einer bis maximal 2 Wochen zu verstehen (LG Bochum, Beschluss vom 18.09.2020 II-10 Qs 6/20-, juris, Rn. 30 f.). Hier vergingen jedoch seit Geltung des Gesetztes noch Monate bis zur Verfahrenseinstellung.
Der Pflichtverteidigerbestellung steht auch nicht entgegen, dass diese nach Einstellung des Verfahrens hier nur noch rückwirkend möglich ist. Denn aufgrund der Neuregelung der Pflichtverteidigerbestellung durch Umsetzung der PKH-Richtlinie der EU ist die Intension des Gesetzgebers jedenfalls nicht mehr nur eine ordnungsgemäße Verteidigung zu gewährleisten, sondern gleichermaßen mittellosen Beschuldigten von den Kosten ihrer Verteidigung freizustellen. Dies spricht dafür, eine rückwirkende Bestellung für zulässig zu erachten, wenn trotz Vorllegens der Voraussetzungen der §§ 140, 141 StPO über den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung nicht entschieden oder wenn der Antrag ohne Begründung abgelehnt wurde (MeyerGoß-ner/Schmidt, Kommentar zur StPO, 63. Aufl., § 142, Rn 20).
Etwas Anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Staatsanwaltschaft sich bei Ihrer Einstellung auf § 141 Abs. 2 S. 3 StPO beruft, wonach die Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt wird, das Verfahren alsbald einzustellen. Denn diese Absehensmöglichkeit bestand hier aufgrund des Antrags des vormals Beschuldigten auf Pflichtverteidigerbestellung gerade nicht. Die Ausnahmevorschrift des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur die Fälle der antragsunabhängigen Beiordnung von Amts wegen nach § 141 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO, nicht aber die Beiordnung auf Antrag gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 StPO (LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 27.08.2020 - 3 Qs 121/20 -, Juris, Rn 13). Der Umstand, dass hier auch die Beiordnung von Amts wegen nach § 141 Abs. 1 Nr. 2 StPO für den Fall erforderlich gewesen wäre, dass das Verfahren nicht alsbald eingestellt worden wäre, ändert nichts an der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung eben auch ein Antrag auf Beiordnung vorlag.
Einsender: RA J. R. Funck, Braunschweig
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