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Entscheidungen

Haftfragen

EncroChat, dringender Tatverdacht, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 23.03.2021 - 20 Ws 70/21

Leitsatz: 1. Schon die Verwendung eines Krypto-Handys der Fa. EncroChat deutet auf ein konspiratives Verhalten zur Begehung und Verdeckung von Straftaten hin und begründet "dringenden Tatverdacht“.
2. Die von französischen Ermittlungsbehörden gewonnenen "EncroChat-Erkenntnisse“ und die darauf aufbauenden Beweisergebnisse sind in deutschen Strafverfahren verwertbar.


20 Ws 70/21

Oberlandesgericht Rostock

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verstoßes gegen das BtMG

hat das Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht

am 23. März 2021 beschlossen:

Die weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss der 1. Strafkammer als Beschwerdekammer des Landgerichts Rostock vom 01.02.2021 — 11 Qs 5/21 (1) —wird als unbegründet auf Kosten des Beschuldigten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Rostock führt gegen den Beschuldigten das verfahrensgegenständliche Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Am 02.12.2020 erließ das Amtsgericht Rostock gegen den Beschuldigten einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr — und subsidiär auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr — gestützten Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Bd. I BI. 40 ff. d.A.). Der dringende Tatverdacht stützte sich hiernach auf die Auswertungen der von den französischen Ermittlungsbehörden in einem dortigen Verfahren erlangten und sodann im Rechtshilfeweg an die deutschen Ermittlungsbehörden übermittelten EncroChat-Nachrichten.

Der Inhalt der betreffenden Kommunikation über EncroChat ergibt sich aus Daten, die von den französischen Ermittlungsbehörden der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zur Verfügung gestellt worden sind (BI. 30 f. SH „Rechtshilfe mit Frankreich"), nachdem die Generalstaats-anwaltschaft sich mit Datum vom 02.06.2020 mit einem Formular entsprechend dem Anhang A der RL-EEA an die französischen Behörden gewandt hatte (BI. 1 ff. SH „Rechtshilfe mit Frankreich). Angekreuzt wurden in Abschnitt C des (europäisch einheitlichen) Formulars die beiden Positionen „Erlangung von Informationen oder Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der Vollstreckungsbehörde befinden" und „Erlangung von Informationen, die sich in den von Polizei- oder Justizbehörden geführten Datenbanken befinden". Unter Abschnitt G hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Gründe für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung dargelegt.

Nach Auswertung der übermittelten Daten konnten richterlich angeordnete Maßnahmen der optischen und akustischen Überwachung gegen den Beschuldigten erzielt werden. Ebenfalls wurden richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt.

Der Beschuldigte wurde in den Morgenstunden des 17.12.2020 festgenommen und befindet sich aufgrund o.g. Haftbefehls seit diesem Tage durchgehend in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt pp.

Gegen den amtsgerichtlichen Haftbefehl richtet sich die von dem Pflichtverteidiger des Beschuldigten (Verteidiger zu 2.) für diesen angebrachte Haftbeschwerde vom 17.12.2020, begründet mit gesonderten anwaltlichen Schriftsätzen vom 30.12.2020 (Bd. II BI. 16 ff. d.A.) und 27.01.2021 (Bd. II BI. 63 ff. d.A.). Die Verteidigung vertritt im Wesentlichen die Auffassung, die gegen den Beschuldigten erlangten Erkenntnisse seien nicht verwertbar.

Die Haftbeschwerde hat die 1. Strafkammer als Beschwerdekammer des Landgerichts Rostock mit Beschluss vom 01.02.2021 — 11 Qs 5/21 (1) — (Bd. II BI. 96 ff. d.A.) als unbegründet verworfen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschuldigte nunmehr mit seiner weiteren Beschwerde im Schriftsatz seines Verteidigers zu 2. vom 08.02.2021.

Die Generalstaatsanwaltschaft trägt mit Zuschrift vom 12.03.2021 auf Verwerfung des Rechtsmittels als unbegründet an. Hierauf hat die Verteidigung mit Schriftsatz vom 16.03.2021 erwidert.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§§ 304 Abs. 1, 310 Abs. 1 Nr. 2 StPO) ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Fortbestand des Haftbefehls des Amtsgerichts Rostock vom 02.12.2020 und dessen weiteren Vollzug liegen vor.

1. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 StPO) folgt aus den bislang gewonnenen, verwertbaren Beweismitteln. Schon die Verwendung eines Krypto-Handys der Fa. EncroChat deutet auf ein konspiratives Verhalten zur Begehung und Verdeckung von Straftaten hin (OLG Bremen, Beschluss vom 18.12.2020 - 1 Ws 166/20 - juris -). Soweit der Beschuldigte die Ansicht vertreten lässt, die EncroChat-Erkenntnisse und die darauf aufbauenden Beweisergebnisse seinen prozessrechtlich nicht verwertbar, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Beschlussgründe des OLG Bremen (a.a.O.) und des Hanseatischen OLG Hamburg vom 29.01.2021 — 1 Ws 2/21 — Bezug genommen. Den dort vertretenen Auffassungen schließt sich der Senat an. Zur Verwertbarkeit der Erkenntnisse ausländischer Ermittlungsbehörden (EncroChat) vgl. zudem Pauli, NStZ 2021, 146 (m.w.N.).

2. Es besteht aus den fortbestehenden Erwägungen im Haftbefehl (Bd. 1 BI. 43 f. d.A.) weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Lebensverhältnisse des Beschuldigten ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass er dem wegen der hohen Straferwartung in vorliegender Sache bestehenden ganz erheblichen Fluchtanreiz nachgeben, als dass er sich dem weiteren Verfahren zur Verfügung halten wird. Hinzu kommt der drohende Bewährungswiderruf einer zweijährigen Freiheitsstrafe, verhängt wegen einschlägiger Straffälligkeit. Wie die bisherigen Ermittlungen gezeigt haben, hat der Beschuldigte zudem intensive Beziehungen in die organisierte Drogenszene im In- und Ausland, was ihm ein Abtauchen leichtmachen würde.

3. Weniger einschneidende Maßnahmen nach § 116 StPO begründen nicht die Erwartung, dass sich der Beschuldigte dem weiteren Fortgang des Verfahrens freiwillig stellen wird.

4. Schließlich ist den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§§ 112 Abs. 1 Satz 1, 120 Abs. 1 Satz 1 StPO) genüge getan. Vorliegend rechtfertigt die Anzahl und Schwere der Taten, denen der Beschuldigte dringend verdächtig ist, die bisher erlittene Haftdauer von knapp über drei Monaten ohne weiteres.


Einsender: RA H. Stehr, Göppingen

Anmerkung:


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