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Entscheidungen

StPO

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Mängel in der Revisionsbegründung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 06.01.2021 – 4 RVs 131/20

Leitsatz: 1. Weisungen müssen hinreichend bestimmt sein. Die Grundzüge der Ausgestaltung müssen vom Gericht vorgenommen werden, dem Weisungsunterworfenen muss das ihm abverlangte Verhalten deutlich werden und jugendrichterliche Weisungen müssen erzieherisch klar sein. Eine Weisung, bei Gesprächen bei der Drogenberatung mitzuarbeiten wird dem nicht gerecht.
2. Entscheidend für den Fristbeginn (§ 45 Abs. 1 StPO) wann das Hindernis i.S.v. § 44 Abs. 1 StPO ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Verteidigers kommt es hingegen nicht an.
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einzelner Revisionsrügen ist in der Regel jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger in der tatrichterlichen Hauptverhandlung anwesend waren. Ist die Revision des Angeklagten infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint. Ist Gegenstand der Verfahrensrüge und Anlass für das Wiedereinsetzungsgesuch die Nichtgewährung von Akteneinsicht, muss der Beschwerdeführer zur Zulässigkeit seines Wiedereinsetzungsbegehrens für jede Rüge ausreichend darlegen, dass er gerade durch die fehlende Akteneinsicht an einer ordnungsgemäßen Begründung gehindert war.
4. Die §§ 44 ff. StPO dienen nicht dazu, etwaige (vom Angeklagten unverschuldete) handwerkliche Mängel in der Rechtsmittelbegründung seines Verteidigers nachträglich zu beheben, sondern nur dazu, über eine (vom Angeklagten nicht verschuldete) Fristversäumnis hinwegzuhelfen.


In pp.

1. Der Antrag des Angeklagten vom 16.11.2020 und der Antrag des Angeklagten vom 10.12.2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung einer Verfahrensrüge werden verworfen.
2. Die Anträge des Angeklagten vom 24.08.2020 und vom 11.09.2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung einer Verfahrensrüge werden verworfen.
3. Das angefochtene Urteil wird mit den insoweit zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben, als der Angeklagte angewiesen wurde, "bei der Drogenberatung [...] mitzuarbeiten" und die Erfüllung der Weisung dreier binnen sechs Monaten bei der Drogenberatung wahrzunehmender Beratungsgespräche zweimonatlich unaufgefordert schriftlich dem Gericht mitzuteilen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere für Jugendsachen zuständige Abteilung des Amtsgerichts Detmold zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Jugendrichterin - Detmold hat den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig gesprochen. Es hat dem Angeklagten zur Auflage gemacht, eine Geldbuße in Höhe von 2.400 Euro, zahlbar in monatlichen Raten zu je 240 Euro, an den Tierschutz der Tat e.V. zu zahlen. Ferner hat es dem Angeklagten aufgegeben, für die Dauer von sechs Monaten nach Rechtskraft an mindestens drei Beratungsgesprächen bei der Drogenberatung in E teilzunehmen, bei den Beratungsgesprächen "mitzuarbeiten" und die Erfüllung der Weisung zweimonatlich nachzuweisen. Weiterhin hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von noch zehn Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Das Amtsgericht hat u. a. folgende Feststellungen zur Sache getroffen:

"Am 17.10.2019 war der Angeklagte gegen 06:37 Uhr mit einem PKW aus Richtung M Straße in Fahrtrichtung N Straße auf der O-Straße in E unterwegs. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich betrug 70 km/h. Es war noch dunkel und die Fahrbahn war nass. Während der Fahrt stand der Angeklagte unter dem Einfluss von Cannabis, welches seine Fahrweise beeinflusste, was der Angeklagte hätte wissen können und auch müssen.

Vor ihm in dieselbe Fahrtrichtung fuhren die Zeugin F in ihrem PKW sowie davor die Zeugin J in dem Stadtbus der Linie 123.
[...]
Da ihm die vor ihm fahrenden Fahrzeuge viel zu langsam waren, setzte der Angeklagte kurz hinter der Einmündung zur P-Straße verkehrswidrig zu einem Überholmanöver an, indem er den Fahrstreifen wechselte, obwohl dies durch die Sperrfläche (Vz. 298) und die folgende durchgezogene Linie (Vz. 295) untersagt war. Denn der zweite Fahrstreifen auf der O-Straße in Fahrtrichtung N Straße war ausschließlich als Beschleunigungsstreifen für Linksabbieger aus der P-Straße vorgesehen, was der Angeklagte, dem die Strecke und die Verkehrsführung gut bekannt waren, auch wusste.
[...]
Dennoch nutzte der Angeklagte diese Fahrbahn verkehrswidrig als Überholstreifen, um des schnelleren Vorkommens willen. Der durch den erfolgten Cannabiskonsum enthemmte Angeklagte war nicht bereit, die kurze Strecke abzuwarten, bis der zweite Fahrstreifen freigegeben war. Daher beschleunigte der Angeklagte um des schnelleren Vorkommens willen sein Fahrzeug zudem auf mindestens 95 km/h während seines Überholvorgangs. Dass er hierdurch andere Verkehrsteilnehmer schädigen oder erheblich gefährden kann, hätte der Angeklagte bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt erkennen können und auch müssen.

Als der Angeklagte sich dem Fahrzeug der Zeugin F näherte, bereits fast neben dem Auto der Zeugin war und diese - da die Freigabe des zweites Fahrstreifens bevorstand - anfing zu blinken und auch den Schulterblick absolvierte, verlor der Angeklagte wegen seiner überhöhten Geschwindigkeit bei nasser Fahrbahn oder aufgrund seines durch den Cannabiskonsum eingeschränkten Reaktionsvermögens die Kontrolle über sein Fahrzeug, geriet über die doppelte Linie hinweg nach links auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit dem entgegenkommenden LKW des Zeugen Q, an welchem ein erheblicher Sachschaden von ca. 30.000,00 € entstand. [...]"

Gegen das in Anwesenheit des Angeklagten verkündete und auf Anordnung der Vorsitzenden dem Angeklagten am 30.07.2020 und seinem Verteidiger am 31. 07.2020 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 08.07.2020 Rechtsmittel eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre mit Schriftsatz vom 08.07.2020 eingelegte Berufung bereits mit Schriftsatz vom 11.08.2020 zurückgenommen. Mit am 24.08.2020 per Fax eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom selben Tag hat der Angeklagte sein Rechtsmittel als "Sprungrevision" konkretisiert, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache anstrebt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt die Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 244 Abs. 3, Abs. 4, 337 Abs. 1, Abs. 2 StPO wegen der Ablehnung eines Antrages des Angeklagten auf Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens. In diesem Schriftsatz kündigt der Verteidiger an, die Verfahrensrüge nach gewährter Akteneinsicht begründen zu wollen. Gleichzeitig beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision bzgl. der erhobenen Verfahrensrüge. Er führt aus, dass er zur Revisionsbegründung die Akten benötige. Er habe am 03.08. und 17.08.2020 Akteneinsicht beantragt, welche er nicht erhalten habe. Auch ein Sitzungsprotokoll habe er nicht erhalten. Der Schriftsatz enthält gleichzeitig einen erneuten Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 11.09.2020, eingegangen per Telefax am selben Tag, hat der Verteidiger erklärt, dass er an seinem Wiedereinsetzungsantrag festhalte und hat die o. g. Verfahrensrüge "nach gewährter Akteneinsicht" näher begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 04.11.2020 beantragt, das Wiedereinsetzungsgesuch als unzulässig und die Revision als offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Sie weist darauf hin, dass der Verteidiger die Akteneinsicht am 02.09.2020 erhalten habe, so dass die erst mit Schriftsatz vom 11.09.2020 erfolgte Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nebst Ausführung der Verfahrensrüge verspätet (§ 45 StPO) erfolgt sei.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 16.11.2020, per Telefax am selben Tag eingegangen, hat der Verteidiger erklärt, dass ihm infolge der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nunmehr die Versäumung der Frist aufgefallen sei. Er sei versehentlich von einer Frist nach § 234 ZPO und nicht von einer einwöchigen Frist ausgegangen. Er beantragt daher die Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist. Zur weiteren Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Schreiben vom 11.09.2020. Es liege ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO vor.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Antragsschrift vom 30.11.2020 beantragt, auch das weitere Wiedereinsetzungsgesuch als unzulässig zu verwerfen.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 10.12.2020 hat der Angeklagte schließlich (erneut) beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist zu gewähren. Er führt darin aus, dass es infolge eines Verteidigerverschuldens dazu gekommen sei, dass die o.g. Verfahrensrüge auch im Schriftsatz vom 11.09.2020 nicht ordnungsgemäß begründet worden sei. Der gestellte Beweisantrag sei nicht vollständig wiedergegeben worden. In diesem Schriftsatz wird gleichzeitig die o. g. Verfahrensrüge erneut begründet.

II.

Die Revision ist zulässig, hat aber nur den aus dem Tenor erkennbaren geringfügigen Erfolg.

Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurückgenommen hat, hat der Senat nur über eine Wahlrevision des Angeklagten (§ 55 JGG) zu entscheiden. Diese ist form- und fristgerecht eingelegt und - jedenfalls mit der zulässig erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts - begründet worden. Der Angeklagte greift das angefochtene Urteil nicht allein wegen der Rechtsfolgen an.

1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat lediglich einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten bei Ausgestaltung der Weisung der Drogenberatungsgespräche ergeben und führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gem. §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat ist durch § 55 Abs. 1 JGG nicht gehindert, allein eine Teilaufhebung im Rechtsfolgenausspruch vorzunehmen (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.06.2020 - Ss 19/12 --juris).

Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:

a) Das Verhalten des Angeklagten war selbst dann rücksichtslos im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn die Einschätzung des Angeklagten von der Gefährlichkeit seines Tuns durch die Wirkungen des genossenen Cannabis beeinträchtigt gewesen sein sollte. Rücksichtlos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt. Bei bewusster grober Fahrlässigkeit ist Rücksichtslosigkeit regelmäßig gegeben (Fischer, StGB, 67. Aufl., § 315c Rdn. 14; Karst NJW 1993, 3308). Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, hätte der Angeklagte bei der hohen THC-Konzentration, welche die Untersuchung einer unmittelbar nach der Tat entnommenen Blutprobe ergeben hat und welche den Grenzwert der sog. "Grenzwertekommission" um mehr als das Vierfache überstieg, bei seiner Fahrweise wissen müssen, dass er unter dem Einfluss von Cannabis stand und er deswegen in seiner Reaktionsfähigkeit und in seiner Fähigkeit zur richtigen Einschätzung von Verkehrssituationen und seines eigenen Verhaltens beeinträchtigt war. Obwohl er dies hätte wissen müssen, ist er aber nicht äußerst defensiv gefahren, sondern hat sich gleich über mehrere Verkehrsregeln hinweggesetzt und damit seine Gleichgültigkeit in dem o. g. Sinne gezeigt.

b) Dass sich das Amtsgericht nicht ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob Erziehungsmaßregeln ausreichend sind (§ 5 Abs. 2 JGG, vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11.07.2017 - 3 StR 176/17 - juris; OLG Hamm, Beschl. v. 16.04.2020 - 4 RVs 45/20 - juris), ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise unschädlich, da dies angesichts der Feststellungen zur Person, insbesondere der zahlreichen Eintragungen im Verkehrszentralregister, auf der Hand liegt.

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die Ausgestaltung der oben genannten Weisung. Bei der Weisung, an drei Drogenberatungsgesprächen innerhalb von sechs Monaten teilzunehmen, handelt es sich um eine zulässige Weisung i.S.v. §§ 105 Abs. 1; 10 JGG, an derer grundsätzlicher Zulässigkeit im vorliegenden Fall angesichts des Umstands, dass die Tat unter erheblichem Cannabiseinfluss begangen wurde, keine Zweifel bestehen und die von der Aufhebung nicht betroffen ist.

Weisungen müssen allerdings hinreichend bestimmt sein. Die Grundzüge der Ausgestaltung müssen vom Gericht vorgenommen werden. Dem Weisungsunterworfenen muss das ihm abverlangte Verhalten deutlich werden, Weisungen müssen erzieherisch klar sein (Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 10 Rdn. 25; vgl. auch: OLG Hamburg, Beschl. v. 06.02.2020 - 5 Ws 215/19 = BeckRS 2020, 33671). Das gilt angesichts der Möglichkeit der Sanktionierung eines schuldhaften Weisungsverstoßes (§ 11 Abs. 3 JGG) in verstärktem Maße (vgl. nur: Nehring, BeckOK-JGG, Ed. 19; § 10 Rdn. 22).

Diesen Bestimmtheitsanforderungen wird die Weisung insoweit nicht gerecht, als dem Angeklagten aufgegeben wird, bei der Drogenberatung "mitzuarbeiten". Insoweit bleibt schon unklar, ob der Angeklagte etwa auch Anregungen der Drogenberatung für die Zeiten zwischen den Beratungsgesprächen Folge leisten soll (sich etwa mit bestimmten Fragestellung bis zum nächsten Beratungsgespräch auseinanderzusetzen etc.). Es bleibt aber auch unklar, welches Verhalten von ihm im Rahmen der drei Gespräche verlangt wird, ob er etwa gehalten ist, jeglicher Anweisung des Beraters Folge zu leisten und jegliche Frage zu beantworten. Beides wäre in dieser Weite rechtlich bedenklich. Letztlich würde damit das dem Angeklagten Abverlangte unzulässigerweise (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 21. Aufl., § 10 Rdn. 9) in das Ermessen der Drogenberatungsstelle gestellt und ist nicht mehr vom Gericht vorgegeben.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Weisung des zweimonatlichen Nachweises der Erfüllung der Weisung bzgl. der Beratungsgespräche jedenfalls insoweit in Widerspruch zu der Grundweisung steht, als dem Angeklagten dort lediglich aufgegeben wird, mindestens drei Beratungsgespräche innerhalb von sechs Monaten zu absolvieren, nicht aber deren zeitlicher Bezug zueinander bestimmt wird. Damit käme der Angeklagte der Grundweisung auch dann hinreichend nach, wenn er etwa alle drei Gespräche im letzten Monat der Frist durchführte. In einem solchen Fall könnte er allerdings nicht schon zuvor in zweimonatigem Abstand die Weisungserfüllung nachweisen. Das wäre ihm dann unmöglich.

Da zwischen der Mitarbeits- und Nachweisverpflichtung und den übrigen Rechtsfolgen keine Wechselwirkung besteht und über sie getrennt neu entschieden werden kann, war auch nur insoweit eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache geboten.

Der neue Tatrichter wird zu entscheiden haben, ob eine sinnvolle Konkretisierung der Mitarbeitsverpflichtung überhaupt möglich ist oder ob diese entfallen muss und wird ggf. eine Anpassung der Nachweisverpflichtung an die Vorgaben der unberührt gebliebenen Hauptweisung vorzunehmen haben.

2. Die erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch, da sie bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügt.

a) Der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingegangene Schriftsatz vom 24.08.2020 enthält noch keine Begründung, sondern nur den Hinweis, dass eine Begründung mangels Akteneinsicht bis dahin nicht möglich gewesen sei.

b) Der die Verfahrensrüge näher begründende Verteidigerschriftsatz vom 11.09.2020 ist hingegen erst außerhalb der Revisionsbegründungsfrist, welche mit der späteren Zustellung an den Verteidiger (vgl. § 37 Abs. 2 StPO) am 31.07.2020 in Gang gesetzt wurde und am 31.08.2020 endete, eingegangen.

aa) Insoweit war dem Angeklagten nicht bereits Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf sein Wiedereinsetzungsgesuch vom 24.08.2020 zu gewähren. Denn dieses Wiedereinsetzungsgesuch war bereits deswegen unzulässig, da die Revisionsbegründungsfrist zu diesem Zeitpunkt nach gar nicht abgelaufen und damit keine Frist versäumt worden war.

bb) Auch auf den Schriftsatz vom 11.09.2020, welchen der Senat zu Gunsten des Angeklagten entgegen seiner Formulierung nicht nur als Aufrechterhaltung des (unzulässigen, s. o.) Wiedereinsetzungsgesuchs vom 24.08.2020, sondern als neues Wiedereinsetzungsgesuch auslegt, war dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bzgl. der o. g. Verfahrensrüge nicht zu gewähren.

(1) Schon die fehlende Angabe innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 StPO, wann das Hindernis i. S. v. § 44 Abs. 1 StPO, d.h. die Nichtgewährung von Akteneinsicht, weggefallen ist, führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages (vgl. § 45 Abs. 2 StPO).

Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Verteidigers kommt es hingegen nicht an. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH StraFo 2017, 66).

Vorliegend trägt der Verteidiger zur Kenntnisnahme vom Wegfall des Hindernisses durch den Angeklagten nichts vor. Dem Senat erscheint es zwar fernliegend, dass der Angeklagte zeitlich vor dem Verteidiger, der die Akteneinsicht am 02.09.2020 erhalten hat, von dem Wegfall des Hindernisses Kenntnis hatte. Das wäre nur für den Fall denkbar, dass der Verteidiger (womöglich irrtümlich) ein falsches Datum in das Empfangsbekenntnis bzgl. der bereits am 27.08.2020 an ihn abgesandten Akten eingetragen hat, die Akten also tatsächlich früher erhalten und den Angeklagten entsprechend informiert hätte. Indes erscheint es durchaus möglich, dass der Angeklagte von dem Verteidiger noch am Tage des Zugangs der Akten (02.09.2020) oder am Folgetag entsprechend informiert wurde. In einem solchen Fall wäre der Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs am 11.09.2020 womöglich verspätet gewesen. Mithin ist die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich.

Insoweit ist dem Angeklagten auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsgesuchs zu gewähren, denn auch dieses Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig, weil der Verteidiger einen eigenen Irrtum über die Dauer der Frist zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsgesuchs geltend macht und nichts dazu vorträgt, wann der Angeklagte von der Versäumung der Frist zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsgesuchs gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist durch die Kenntnis von der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft erfahren hat. Insbesondere ist in diesem Wiedereinsetzungsgesuch auch nicht die versäumte Handlung, nämlich die ordnungsgemäße Begründung des vorangehenden Wiedereinsetzungsgesuchs nunmehr zu erbringen, nachgeholt worden (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO).

(2) Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre gleichwohl keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren gewesen:

(a) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einzelner Revisionsrügen ist in der Regel jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger in der tatrichterlichen Hauptverhandlung anwesend waren (BGHSt 26, 335, 337 m.w.N.). Ist die Revision des Angeklagten infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. nur BGH, Beschl. v. 10.11.2020 - 5 StR 308/20 - juris m.w.N.; BGH Beschl. v. 28.08.2018 - 5 StR 245/18 - juris m.w.N. ). Das ist dann der Fall, wenn der Angeklagte bzw. sein Verteidiger vor Fristablauf trotz ausreichender Bemühungen keine Akteneinsicht erhalten haben und eine Begründung der Verfahrensrüge ohne Akteneinsicht nicht möglich war (OLG Hamm, Beschl. v. 10.04.2008 - 5 Ss 126/08 - juris m.w.N.).

(b) Im vorliegenden Fall waren der Angeklagte und sein Verteidiger in der tatrichterlichen Hauptverhandlung anwesend. Die Revision ist bereits mit der form- und fristgerechten Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Es kann dahinstehen, ob die Akten tatsächlich - wie der Verteidiger auf dem Empfangsbekenntnis vom 31.07.2020 mit seiner Unterschrift bestätigt hat - mit der Urteilszustellung dem Verteidiger zugeleitet wurden oder ob - wie er später vorträgt - die Akten nicht beigefügt waren. Insoweit weist der Verteidiger nicht völlig zu Unrecht auf Unklarheiten hin. Dafür, dass die Akten bereits der Urteilszustellung an den Verteidiger beigefügt waren, könnte sprechen, dass "Gelegenheit zur Akteneinsicht 3 Tage" als Zusatz bei dem Anschreiben bzgl. der Urteilszustellung an den Verteidiger von der Vorsitzenden verfügt worden war. Dagegen könnte sprechen, dass in derselben Verfügung die Akten mit der urschriftlichen Verfügung an die Staatsanwaltschaft übersandt werden sollten. Ausweislich des Eingangstempels vom 06.08.2020 ist dann am 06.08.2020 auch tatsächlich ein "Vorgang" bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und die Staatsanwaltschaft hat die Akten ausweislich einer Verfügung vom 11.08.2020 offenbar ihrerseits an das Amtsgericht zurückgesandt. Letztlich kann das aber offen bleiben.

Selbst wenn dem Verteidiger vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist die Akten nicht übersandt worden sein sollten und man sein insgesamt dreimaliges Bitten um Aktenübersendung als ausreichende Bemühung erachtet, erschließt sich nicht, warum die Akten zur Begründung der hier erhobenen Verfahrensrüge notwendig waren. Der Beschwerdeführer muss zur Zulässigkeit seines Wiedereinsetzungsbegehrens für jede Rüge ausreichend darlegen, dass er gerade durch die fehlende Akteneinsicht an einer ordnungsgemäßen Begründung gehindert war (BGH Beschl. v. 06.5.1997 - 4 StR 152/97; BeckRS 1997, 31121070). Das hat die Revision nicht getan und es versteht sich vorliegend auch nicht von selbst.

Da der Angeklagte und der Verteidiger in der tatrichterlichen Hauptverhandlung zugegen waren, kannten sie sowohl den eigenen Beweisantrag als auch den entsprechenden Ablehnungsbeschluss des Amtsgerichts und hätten beides insoweit wiedergeben können, zumal die auf Bedeutungslosigkeit und Ungeeignetheit gestützte Ablehnung des Beweisantrages nur wenige Zeilen umfasst und die wesentlichen Gründe für die Ablehnung auch noch einmal in den Urteilsgründen wiedergegeben sind. Entsprechendes gilt für die Aussage der Zeugin F. Soweit es um die Lichtbilder von der Unfallstelle geht, sind diese nicht in die Revisionsbegründung aufgenommen worden, denn das war nicht nötig, weil auf sie zulässigerweise nach § 267 Abs. 1 S. 2 StPO verwiesen worden ist. Sie sind in der Hauptverhandlung auch in Augenschein genommen worden.

(c) Hinzu kommt, dass die Begründung der Verfahrensrüge auch den Anforderungen von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügen muss, damit das Wiedereinsetzungsgesuch zulässig wäre (vgl. BGH Beschl. v. 06.05.1997 - 4 StR 152/97; BeckRS 1997, 31121070; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 44 Rdn. 7a). Das bedeutet, dass die Rüge so ausgeführt sein muss, dass das Revisionsgericht allein anhand der Rügebegründung überprüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Sie teilt die protokollierte Aussage der Zeugin F mit. Im Rahmen der Wiedergabe des Protokolls findet sich auch der Eintrag:

"Auf Vorhalt Bl. 8 d.A. erster Ansatz (subjektiver Befund Angaben UB03) endend mit ob die Zeugin jetzt sagen wolle, dass sie bei der Polizei gelogen habe? Durch die Verteidigung
... [Auslassung im Original, Anm. d. Senat]".

Eine Prüfung des Senats in dem o.g. Sinne ist nicht möglich, da weder der Inhalt von Bl. 8 d. A., welcher offenbar von der Verteidigung der Zeugin vorgehalten wurde, mitgeteilt wird, noch die Antwort der Zeugin hierauf.

Ergänzend ist anzumerken, dass der von der Revision als "Beweisantrag" bezeichnete, abgelehnte Antrag in der Revisionsbegründung falsch bzw. unvollständig wiedergegeben wurde. Ausweislich der Revisionsbegründung sollte das beantragte Sachverständigengutachten die Aussage der Zeugin F als unplausibel darstellen und die Aussage des Angeklagten bestätigen. Demgegenüber lautete der Beweisantrag, der als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen wurde dahin, dass ein unfallanalytisches Gutachten "zum Beweis der Tatsache, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall hauptsächlich durch das Fahrverhalten der Zeugin F verursacht wurde" einzuholen sei. Es kann dahinstehen, ob es sich, da sich die Anträge nach ihrem Wortlaut auf vom Gericht zu treffende Wertungen beziehen und nicht auf Tatsachen, überhaupt um Beweisanträge handelt. Jedenfalls hat der Antrag, wie er nach der Revisionsbegründung gestellt worden sein soll, ein anderes Ziel (nämlich Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin F) als der Antrag laut Hauptverhandlungsprotokoll (Angabe zur Verursachungsquote). Insgesamt wird - worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist - von dem gut vierseitigen Antrag offenbar nur ein kleiner Ausschnitt (in der Revisionsbegründung sechs Zeilen) wiedergegeben. Dies alles erlaubt eine Prüfung der Verfahrensrüge durch das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung nicht.

(d) Im Hinblick auf die zuvor unter (c) aufgezeigten Mängel ist dem Angeklagten auch nicht auf seinen Antrag vom 10.12.2020 hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die §§ 44 ff. StPO dienen nicht dazu, etwaige (vom Angeklagten unverschuldete) handwerkliche Mängel in der Rechtsmittelbegründung seines Verteidigers nachträglich zu beheben, sondern nur dazu, über eine (vom Angeklagten nicht verschuldete) Fristversäumnis hinwegzuhelfen. Dies macht schon der Wortlaut von § 44 StPO deutlich (Graalmann-Scherer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 44 Rdn. 14). Dies wird gestützt von der systematischen Auslegung mit Blick auf § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Könnte ein Angeklagter, dem - wie hier - durch die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO außer Kraft gesetzt. Da den Angeklagten selbst an dem Mangel regelmäßig kein Verschulden trifft, wäre ihm stets Wiedereinsetzung zu gewähren und zwar letztlich so lange, bis er (bzw. sein Verteidiger) eine der Regelung des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Begründung verfasst haben (BGH, Beschl. v. 10.07.2012 - 1 StR 301/12 - juris; BGH NStZ-RR 2019, 25; OLG Hamburg, Beschl. v. 13.08.2018 - 2 Rev 47/18 = BeckRS 2018, 18716; Graalmann-Scherer a.a.O. Rdn. 13). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH NStZ-RR 2019, 25). Ein solcher Fall (zu möglichen Fallgruppen vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 13.08.2018 - 2 Rev 47/18 = BeckRS 2018, 18716) liegt hier ersichtlich nicht vor.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die letzte Rügebegründung aus dem Schriftsatz vom 10.12.2020 nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, da nach wie vor der Inhalt von "Bl. 8", welcher der Zeugin F vorgehalten wurde (s.o.), nicht mitgeteilt wird.

Angesichts der dargestellten Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs vom 10.12.2020 hat der Senat davon abgesehen, der Generalstaatsanwaltschaft diesbezüglich (erneut) rechtliches Gehör zu gewähren.


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