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Entscheidungen

OWi

Verjährungsunterbrechung, nicht zugegangene Anhörung, Täteridentifizierung, Lichtbild, Urteilsgründe, Rechtsbeschwerde

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 18.08.2020 – 3 Ws (B) 152/20

Leitsatz: 1. Maßgeblich für die Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ist die An-ordnung der Anhörung. Wird die Anhörung unter einer fehlerhaften Anschrift angeordnet (hier: falsche Hausnummer) und geht der Anhörungsbogen deshalb nicht zu, so hindert dies die Verjährungsunterbrechung nicht.
2. Erhält der Verteidiger entgegen seinem Antrag nach Fertigstellung des Haupt-verhandlungsprotokolls keine Akteneinsicht, so kann hierauf die Rechtsbeschwerde nicht gestützt werden, weil das Urteil nicht darauf beruhen kann.
3. Zu den Erfordernissen der Darstellung, dass eine auf einem Messfoto abge-bildete Person mit dem Betroffenen identisch ist


3 Ws (B) 152/20 - 162 Ss 54/20

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 18. August 2020 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. März 2020 wird gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m.
§ 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 24. Juli 2019 gegen den Betroffenen wegen fahrlässig begangener Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h eine Geldbuße in Höhe von 200,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen. Auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat ihn das Amtsgericht Tiergarten am 2. März 2020 wegen einer vorsätzlichen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 400,00 € unter Ge-währung einer Zahlungserleichterung verurteilt, ihm für die Dauer von einen Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen und eine Anordnung nach § 25a Abs. 2a StVG getroffen.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 16. Juni 2020 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die von Amts wegen veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht verjährt ist.

Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung für Ordnungs-widrigkeiten nach § 24 StVG – wie hier – bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate, danach sechs Monate.

a) Die zunächst dreimonatige Verjährungsfrist der am 28. Januar 2019 begangenen Ordnungswidrigkeit ist am 17. April 2019 durch die automatisiert veranlasste Über-sendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrochen und zugleich erneut in Gang gesetzt worden, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG. Dass die Anhörung unter einer fehlerhaften Anschrift – nämlich unter der Angabe einer falschen Hausnummer – angeordnet worden und der Anhörungsbogen deshalb dem Betroffenen nicht zugegangen ist, hindert die Verjährungsunterbrechung nicht. Denn maßgeblich für die Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ist die Anordnung der Anhörung (vgl. BGHSt 25, 6; Senat, Beschlüsse vom 21. August 2018 – 3 Ws (B) 185/18 –, juris und 28. Juni 2017 – 3 Ws (B) 148/17 –; OLG Hamm VRS 112, 46; BayObLG VRS 105, 301; OLG Frankfurt NJW 1998, 1328; OLG Stuttgart VRS 94, 456; Gürtler in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 33 Rdn. 6a, 10; Ellbogen in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 33 Rdn. 23). Der Gesetzgeber hat damit den Unter-brechungstatbestand allein an ein Internum der Bußgeldbehörde geknüpft (OLG Hamm a.a.O.). Ist der Anhörungsbogen an eine unzutreffende Adresse gerichtet, führt dies nur dann nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung, wenn der anordnende Beamte wusste, dass der Betroffene den Anhörungsbogen nicht erhalten werde (OLG Hamm a.a.O.). Für eine solchen Sachverhalt liegen indes keine Anhaltspunkte vor.

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Betroffene sei infolge der falschen Melde- und Wohnanschrift nicht ausreichend individualisiert, trifft nicht zu. Denn die Identität des Betroffenen kann aus den weiteren Umständen – Vor- und Zuname, Wohnort, Straße, Geburtsdatum – zweifelsfrei abgeleitet werden (vgl. BGHSt 42, 283; OLG Hamm VRS 74, 121; BayObLG NZV 2003, 588) und stellt die verjährungsunterbrechende Wirkung der angeordneten Anhörung auch insoweit nicht Frage.

b) In der Folge ist mit der am 6. Mai 2019 durch die Verfolgungsbehörde angeordneten vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG eine weitere Verjährungsunterbrechung eingetreten. Zwar ist der Betroffene tatsächlich nicht abwesend gewesen. Vielmehr nahm die Verfolgungsbehörde dies fälschlicherweise an, denn das Polizeirevier Ludwigsfelde hatte die unzutreffende Auskunft erteilt, dass die Nummer des von dem Betroffenen bewohnten Hauses 7 (statt 9) lautet, so dass der an den Betroffenen zunächst abgesandte und mit der unrichtigen Hausnummer versehene Anhörungsbogen mit dem Vermerk des Briefzustellers „Empfänger unbekannt“ in den Rücklauf geraten ist. Die verjährungsunterbrechende Wirkung einer vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen wird aber selbst dann ausgelöst, wenn die Annahme der Abwesenheit auf einem Irrtum der Behörde beruht, der hätte vermieden werden können. (Senat, Beschluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. September 2018 – 2 Rb 7 Ss 498/18 –, BeckRS 2018, 25542; OLG Bam-berg NStZ 2008, 532; BayObLG VRS 58, 389). Denn die enumerative Aufzählung der verjährungsunterbrechenden Handlungen in § 33 OWiG dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, weshalb grundsätzlich keine Einzelfallprüfung erfolgt, ob die jeweilige Unterbrechungshandlung objektiv tatsächlich geboten war (Senat, Be-schluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.). Eine Unterbrechungswirkung wird nur dann abgesprochen, wenn es sich um eine die bloße Untätigkeit verdeckende Scheinmaßnahme handelt (BGH NStZ 1985, 545; Senat, Beschluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; Gürtler a.a.O. § 33 Rdn. 3). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Es kann deshalb dahinstehen, ob – so wie die Rechtsbeschwerde meint – dem zuständigen Sachbearbeiter der Berliner Verfolgungsbehörde hätte auffallen müssen, dass die mitgeteilte Haus-nummer des Betroffenen falsch war.

c) Das während der noch andauernden Verfahrenseinstellung von der Verfolgungs-behörde am 24. Mai 2019 an das Polizeirevier Ludwigsfelde zum Zweck der Aufenthaltsermittlung des Betroffenen gerichtete Ersuchen hat gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO abermals zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung geführt.

d) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG wurde die Verjährungsfrist am 24. Juli 2019 erneut unterbrochen, denn an diesem Tag ist der Bußgeldbescheid ergangen, der dem Betroffenen am 2. August 2019 wirksam zugestellt worden ist. Zugleich hat sich mit dem Erlass des Bußgeldbescheides die Verjährungsfrist gemäß § 26 Abs. 3 2. Alt. StVG auf sechs Monate verlängert. Es schlossen sich weitere Unterbrechungen an, und zwar durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht am 1. Oktober 2019 nach Aktenübersendung durch die Amtsanwaltschaft Berlin (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG), durch die am 20. November 2019 erfolgte Anberaumung der Haupt-verhandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG) sowie durch die Vernehmung des Betroffenen und des Zeugen X in der Hauptverhandlung am 2. März 2020 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG).

2. Den Verfahrensrügen bleibt der Erfolg versagt.

a) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch die behauptete Nichtgewährung von Akteneinsicht ist nicht in einer nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form erhoben und daher unzulässig.

Nach dieser Regelung muss die Rechtsmittelbegründung die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen angeben, so dass das Gericht allein aufgrund der Beschwerdeschrift prüfen kann, ob – für den Fall, dass das Beschwerdevorbringen zu-trifft – ein Verfahrensmangel vorliegt (BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13 –, juris m.w.N.; Senat, Beschlüsse vom 18. Mai 2020 – 3 Ws (B) 107/20 –, 11. Mai 2020 – 3 Ws (B) 95/20 –, 5. Februar 2019 – 3 Ws (B) 3/19 –, juris; OLG Hamm NZV 2010, 214; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 344 Rdn. 20f. m.w.N.). Daran fehlt es hier, da der Betroffene keine Umstände darlegt, die – ihr tatsächliches Vorliegen unterstellt – eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen würden.

Das Gebot des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG soll sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrages des Betroffenen haben. Es gewährt aber keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag des Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Hamm, Beschluss vom 25. August 2008 – 2 Ss OWi 616/08 –, juris).

Zeitlich muss das Recht auf Gehör vor der maßgeblichen Entscheidung gewährt werden (BVerfGE 1, 418; Mitsch in Karlsruher Kommentar a.a.O. Einleitung Rdn. 135). Dementsprechend können im Rechtsbeschwerdeverfahren nur diejenigen Beschränkungen des Gehörs gerügt werden, auf denen das Urteil möglicherweise beruht (vgl. Bohnert/Krenberger/Krumm in Krenberger/Krumm, OWiG 5. Aufl., § 80 Rdn. 24). Schon durch das in der Rechtsmittelschrift geschilderte Verfahrensgeschehen ist aber ausgeschlossen, dass das angefochtene Urteil auf einer rechtswidrigen Versagung der Akteneinsicht beruhen kann. Denn dem Rechtsmittelvorbringen ist zu entnehmen, dass der Verteidiger des Betroffenen am Ende der Hauptverhandlung um die Gewährung ergänzender Akteneinsicht in die vollständigen amtlichen Verfahrensunterlagen nach Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls ersucht habe, die er nicht erhalten habe. Damit hat die Rechtsbeschwerde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die ergänzende Akteneinsicht erst nach Verkündung des Urteils begehrt worden ist. Denn die Fertigstellung des Protokolls konnte vorliegend erst nach Verkündung des Urteils erfolgen, §§ 46 OWiG, 271 Abs. 1, 273 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dass dem Betroffenen die Möglichkeit genommen worden ist, zu entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen Stellung zu nehmen (vgl. Hadamitzky in Karlsruher Kommentar a.a.O. § 80 Rdn. 41) oder dass das Amtsgericht seine Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidungsüberlegungen nicht einbezogen hat (vgl. BGHSt 28, 44), zeigt die Rechtmittelschrift gerade nicht auf.

b) Die behauptete Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren entspricht nicht den gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an die Verfahrensrüge zu stellenden Anforderungen, weil die Rechtsbeschwerdebegründung auch hier nicht darlegt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verfahrensfehler (Nichtgewährung der beantragten Akteneinsicht nach Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls) und dem Urteil konkret bestehen kann (vgl. Senat ZfSch 2013, 410; OLG Hamm NZV 2016, 291).

c) Soweit die Rechtsmittelschrift nach Maßgabe von § 46 Abs. 1 OWiG, § 300 StPO auch als Rüge der Beschränkung der Verteidigung in einem wesentlichen Punkt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 338 Nr. 8 StPO) auszulegen ist, ist sie ebenfalls schon deshalb unzulässig, weil eine konkret-kausale Beziehung zwischen dem behaupteten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt nicht dargetan wird.

3. Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.

a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die auf einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung beruhenden tatrichterlichen Feststellungen genügen den sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Urteilsgründe.

(1) Die Beweiswürdigung ist hinsichtlich der festgestellten Fahrereigenschaft des Betroffenen rechtsfehlerfrei.
Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung dann, wenn sie in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist. Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters zwar nicht zwingend zu sein. Es genügt grundsätzlich, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Das Gericht muss je-doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens und die Gesetze der Logik beachten. Um dem Rechtsbeschwerdegericht diese Nachprüfung zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachen-grundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa lediglich eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch möglicherweise schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Juli 2020 – 3 Ws (B) 135/20 –, 19. Februar 2020 – 3 Ws (B) 25/20 –, 14. Februar 2020 – 3 Ws (B) 6/20 –, 27. September 2019 – 3 Ws (B) 297/19 – und 19. Februar 2014 – 3 Ws (B) 67/14 – m.w.N.).

Die Feststellung, ob eine auf einem Foto abgebildete Person mit dem Betroffenen identisch ist, unterliegt zwar im Prinzip nicht der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. BGH NJW 1996, 1420; Brandenburgisches OLG DAR 2016, 282). Der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter sind indessen auch hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen Grenzen gesetzt. So kann sich die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Identifizierung durch den Vergleich mit dem Erscheinungsbild des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen anhand eines unscharfen oder das Gesicht des Fahrers nur zu einem geringen Teil abbildenden Fotos als willkürlich erweisen (BGH NJW 1996 a.a.O.). Die Urteilsgründe müssen vor diesem Hintergrund so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGH NJW 1996 a.a.O.). Insoweit reicht die deutlich und zweifelsfrei (BGH NStZ-RR 2016, 178) zum Ausdruck gebrachte Bezugnahme auf das in den Akten befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG aus, um dem Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, die Abbildung aus eigener Anschauung zu würdigen (vgl. BGH StraFo 2016, 155; Senat, Beschlüsse vom 30. April 2020 – 3 Ws (B) 84/20 –, 27. November 2019 – 3 Ws (B) 380/19 –, 18. Juni 2019 – 3 Ws (B) 186/19 – und 1. August 2017 – 3 Ws (B) 158/17 –; OLG Hamm NZV 2006, 162). Bestehen danach Zweifel an der Eignung eines qualitativ schlechten Bildes zur Identifikation des Betroffenen, so müssen die Urteilsgründe aufzeigen, warum dem Tatrichter die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben (BGH NJW 1996 a.a.O.; Senat, Beschluss vom 1. August 2017 a.a.O.; OLG Hamm NZV 2006 a.a.O.; OLG Rostock VRS 108, 29).

Das Amtsgericht hat diesen Maßstäben entsprechend durch genaue Bezeichnung der Seitenzahlen in den Akten die in Bezug genommenen Messbilder zum Inhalt des Urteils gemacht und dabei maßgeblich auf das Lichtbild Bl. 3 der Akten abgestellt, das eine Ausschnittsvergrößerung des Lichtbildes Bl. 2 darstellt.

Das Lichtbild Bl. 3 der Akten weist eine mäßige Qualität auf. Es ist verhältnismäßig unscharf und kontrastarm. Die Körnung der Aufnahme ist grob. Das Tatgericht hat sich zwar sehr knapp aber noch hinreichend mit der Ergiebigkeit dieses Lichtbildes auseinandergesetzt. Es hat hierzu ausgeführt, dass die Qualität des Lichtbildes aus-reichend sei und ist in nicht zu beanstandender Weise zu der Überzeugung gelangt, dass es den Betroffenen zeigt. Dies hat es unter Darlegung und Beschreibung verschiedener Identifikationsmerkmale (wie Dichte und Farbe des Haares, Farbe der Augenbrauen, Bartwuchs, Gesichtsform, Nasen- und Augenpartie, Größe der Ohrläppchen) begründet. Zwar sind die Augen der Person auf dem Lichtbild durch eine Spiegelung nicht deutlich abgebildet. Auch die Größe des – allein zu sehenden – rechten Ohrläppchens ist mangels tiefergehender Konturen nur schemenhaft zu er-kennen. Deshalb ist das Messfoto jedoch nicht generell ungeeignet zur Fahreridentifizierung (vgl. Senat, Beschlüsse 6. August 2018 – 3 Ws (B) 168/18 – und 26. Januar 2018 – 3 Ws (B) 11/18 –, beide bei juris). Angesichts der übrigen vom Amtsgericht hervorgehobenen Merkmale und aufgrund des Umstandes, dass auf dem Foto weitestgehend das ganze Gesicht der Person uneingeschränkt zu sehen ist, erweist sich das zum Inhalt der Urteilsurkunde gemachte Lichtbild auf dieser Grundlage als zur Identifizierung geeignet, so dass Zweifel dahingehend, dass das Tatgericht anhand des Lichtbildes einen Vergleich auf Übereinstimmung der darauf abgebildeten Person mit dem äußeren Erscheinungsbild des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen vorzunehmen vermochte, nicht bestehen.

(2) Die Beweiswürdigung ist auch bezüglich der Feststellungen zur Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht zu beanstanden.

Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier verwendeten Messgerät PoliScan FM 1 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 13. März 2020 – 3 Ws (B) 16/20 –; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. November 2019 – (1 Z) 53 Ss-Owi 661/19 (381/19) –, BeckRS 2019, 30215), so dass sich das Tatgericht in seinen Feststellungen grundsätzlich auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, der gefahrenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Gebrauchsanweisung für das Messgerät nicht eingehalten worden ist, oder sonstige Fehlerquellen konkret behauptet werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 6. März 2019 – 3 Ws (B) 47/19 –, juris; 4. Juli 2017 – 3 Ws (B) 134/17 – und 25. Ja-nuar 2017 – 3 Ws (B) 680/16 – m.w.N.).

Diesen Maßstäben entsprechend sind den Urteilsgründen das eingesetzte Messverfahren und die durch den Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit von 84 km/h abzüglich der gewährten Toleranz in Höhe von 3 km/h – hier 81 km/h statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – zu entnehmen. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert bilden vor dem Hintergrund des Einsatzes eines standardisierten Messverfahrens die Grundlage einer ausreichenden, nachvollziehbaren Beweiswürdigung (BGH NStZ 1993, 592).

Anhaltspunkte für Messfehler oder andere Abweichungen liegen nicht vor. Ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils hat das Amtsgericht vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass die Messung mit einem gültig geeichten Gerät durch eine in der Handhabung geschulte Person vorgenommen wurde.

(3) Es begegnet überdies keinen Bedenken, dass das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Begehungsweise der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen ist. Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit drängt sich eine vorsätzliche Begehungsweise umso mehr auf, je massiver deren Ausmaß ist. Insoweit kann nach dem gegenwärtigen Wissensstand auf den Erfahrungssatz zu-rückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 % – vorliegend beläuft sich diese um mehr als 60 % – von Vorsatz aus-zugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 31. Mai 2019 – 3 Ws (B) 161/19 – und 6. März 2019 a.a.O. m.w.N.). Derartige besondere Umstände weisen die Urteilsgründe nicht aus.

b) Der Rechtsfolgenausspruch ist nicht zu beanstanden.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 –, juris m.w.N.). Hier weisen weder die Fest-setzung einer Geldbuße in Höhe von 400,00 € noch die Anordnung des einmonatigen Regelfahrverbots einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

(1) Bei der Bemessung der Geldbuße hat sich das Amtsgericht erkennbar am Regel-satz von 160,00 € der hier einschlägigen Nr. 11.3.6 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, hat diesen gemäß § 3 Abs. 4a BKatV aufgrund der vorsätzlichen Begehungsweise verdoppelt und ihn schließlich angesichts der zwei mitgeteilten Voreintragungen des Betroffenen rechts-fehlerfrei auf 400,00 € erhöht.

Insbesondere durfte das Amtsgericht auch die bereits am 16. September 2016 rechtskräftig gewordene Voreintragung verwerten und bußgelderhöhend heranziehen – für die seit dem 12. Dezember 2018 rechtskräftige Voreintragung gilt dies ersichtlich ohnehin –, denn diese unterliegt gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b) StVG einer fünfjährigen Tilgungsfrist, weil das Fahreignungs-Bewertungssystem für den damaligen Verstoß – Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,27 mg/l – gemäß der Anlage 13 zu § 40 FeV zwei Punkte vorsieht (Nr. 2.2.1 der Anlage 13 i.V.m. Nr. 241, 241.1, 241.2 der Anlage BKat).

Das Gericht hat die festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 Satz 2 1.HS OWiG rechtsfehlerfrei bei der Bußgeldbemessung berücksichtigt und ersichtlich darauf geachtet, dass die Tilgung der Geld-buße den Betroffenen wirtschaftlich nicht überfordert. In diesem Zusammenhang hat es dem Betroffenen eine Zahlungserleichterung nach § 18 OWiG gewährt.

(2) Die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Be-denken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeits-überschreitungen von 31 km/h nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 11.3.6 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV regelmäßig die Anordnung eines einmonatigen Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor.

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei keinen Grund angenommen, von dem Fahrverbot ausnahmsweise abzusehen.
Von der Anordnung eines Fahrverbots kann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter besitzt, dass die Verhängung der regelhaften Sanktionen der BKatV eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 a.a.O. m.w.N.). Auf ein Fahrverbot kann somit im Ausnahmefall insbesondere dann verzichtet werden, wenn dem Betroffenen in Folge des Fahrverbots Arbeitsplatz- und oder sonstiger wirtschaftlicher Existenzverlust droht und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 2015 – 3 Ws (B) 19/15 –, juris m.w.N.). Dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine solche ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die er auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Unabhängig davon ist es dem Betroffenen zuzumuten ist, die Zeit des Fahrverbotes etwa durch eine hieran angepasste Urlaubsplanung zu überbrücken, was ihm durch die Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG erleichtert wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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