Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. 21.09.2020 1 OLG 151 SsBs 72/20
Leitsatz: 1. Gründet das Tatgericht seine Überzeugung von der Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung auf ein Sachverständigengutachten, reicht es nicht aus, im Urteil lediglich das Ergebnis des Gutachtens aufzuführen.
2. Ebenfalls nicht ausreichend ist, hinsichtlich des Tatgeschehenes bloß auf den Bußgeldbescheid zu verweisen.
In pp.
Das Urteil des Amtsgerichts Pößneck vom 08.06.2020 wird mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Pößneck zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Pößneck verurteilte den Betroffenen, gegen den zuletzt wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung am 11.04.2018 eine Geldbuße in Höhe von 240 EUR mit seit dem 05.04.2019 rechtskräftigem Urteil vom 16.11.2018 verhängt wurde, am 08.06.2020 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 120 und ordnete ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat mit der Wirksamkeitsregelung des §. 25 Absatz 2a StVG an. Die Geschwindigkeitsmessurig erfolgte mit dem Messgerät vom Typ PoliScan M1 HP. Der Betroffene hat die Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Messung bezweifelt Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung insbesondere auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. F. in seinem Gutachten vom 13.01.2020 gestützt.
Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 12.06.2020 (eingegangen beim Amtsgericht Pößneck am selben Tag), die nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 06.07.2020 mit Verteidigerschriftsatz vom 31.07.2020 (eingegangen beim Amtsgericht Pößneck am selben Tag) mit der Verfahrens- und der Sachrüge näher begründet wurde.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat die Akten am 10.09.2020 vorgelegt und in ihrer Zuschrift vom 02.09.2020 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Pößneck vom 08.06.2020 aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung dorthin zurückzuverweisen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg, so dass es auf die daneben erhobene Verfahrensrüge nicht mehr ankommt.
Die Überprüfung des Urteils auf die von dem Betroffenen erhobene Sachrüge hin lässt einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen.
Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist lückenhaft, weil lediglich das Ergebnis des Gutachtens dargestellt wird.
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch wie vorliegend auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06. Oktober 2004 2 Ss OWi 555/04 -, Rn. 9; Beschluss vom 18. Dezember 2012 III-1 RBs 166/12-, Rn. 9, juris).
Die Gründe ermöglichen dem Senat vorliegend nicht die Überprüfung, ob die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, die durchgeführte Messung sei in jeder Beziehung ordnungsgemäß erfolgt und sei zu einem völlig richtigen Messergebnis gelangt, ohne Rechtsfehler getroffen wurde. Das Urteil führt nur punktuell das Ergebnis des Gutachtens auf, ohne eine geschlossene Darstellung der Anknüpfungs- und Befundtatsachen. Auch die das aufgeführte Ergebnis des Gutachtens tragende fachliche Begründung wird nicht mitgeteilt. Eine Prüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens ist somit nicht möglich.
Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens kann zwar u.U. dann ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat, es sich um einen renommierten Sachverständigen handelt und wenn von keiner Seite Einwände gegen die der Begutachtung zugrunde liegende Tatsachengrundlage und die Zuverlässigkeit der Begutachtung selbst erhoben werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06. Oktober 2004 2 Ss OWi 555/04 -, Rn. 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen, unter denen die Mitteilung des Ergebnisses ausnahmsweise zur Beweisführung ausreicht, liegen hier nicht vor.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Urteil nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 1 StPO eigene Feststellungen zum Tatgeschehen als Grundlage des Schuldspruchs ausweisen muss. Mit der Darstellung der Tat unter Ziff. II des Urteils, eingeleitet mit dem Betroffenen wird vorgeworfen, werden eigene Feststellungen des Amtsgerichts nicht belegt. Die bloße Wiedergabe des Bußgeldbescheides ist nicht ausreichend (vgl. Senat, Beschluss vom 30.07.2020, Az. 1 Ss 57/20 für § 267 Abs. 1. Satz 1 StPO; Beschluss vom 10.01.2005 1 Ss 239/04 -, Rn. 21 ff., juris).
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