Gericht / Entscheidungsdatum: BayVGH, Beschl. v. 05.11.2020 - 20 NE 20.2468
Leitsatz: Zur Frage der verfassungsrechtlichen Wirksamkeit des Beherbergungsverbots wegen Corona.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Normenkontrollsache
pp.
wegen Infektionsschutzgesetz / Gastro / Beherbergung
(Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO);
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof , die Richterin am Verwaltungsgerichtshof, den Richter am Verwaltungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung am 5. November 2020 folgenden
Beschluss:
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gegenstandswert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt mehrere Hotels mit angeschlossenen Gastronomiebetrieben in Bayern.
Mit ihrem Antrag wendet sie sich gegen §§ 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (S. BayIfSMV; BayMBl. 2020
Nr. 616 vom 30. Oktober 2020) und beantragt, diese vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Sie macht unter Berufung auf das Epidemiologische Bulletin Nr. 38/2020 des RobertKoch-Instituts (RKI) vom 17. September 2020 geltend, im Vergleich zu den Infektionszahlen mit Sars-CoV-2 in privaten Haushalten, am Arbeitsplatz, in Gemeinschaftseinrichtungen sowie im unspezifischen Bereich der Freizeit seien Infektionen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes zu vernachlässigen. Durch die Schließungen im Hotel- und Gaststättengewerbe komme es zu einer Verlagerung menschlicher Treffen in den unkontrollierbaren Privatbereich. Die Antragstellerin habe keine Planungssicherheit, weil nicht bekannt sei, ob die Schließungen über den 30. November 2020 hinaus anhielten; sie sei in ihrer Existenz bedroht. Auch seien ihre Mitarbeiter von Kurzarbeit betroffen. Die 8. BayIfSMV verletze die Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Vorbehalt des Gesetzes werde nicht beachtet.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen. Er sieht den Vorbehalt des Gesetzes als gewahrt und die Betriebsschließungen als durch § 28 Abs. 1 i.V.m. § 32 Satz 1 IfSG als gedeckt an. Außerdem seien sie in Anbetracht der stark steigenden Infektionszahlen auch verhältnismäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen im Ergebnis nicht vor. Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache sind unter Berücksichtigung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als offen anzusehen (2.). Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 4 B 480/19.NE NVwZ-RR 2019, 993 juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn wie hier die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 4 VR 5.14 u.a. ZfBR 2015, 381 juris Rn. 12).
2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht mit hinreichender Sicherheit einzuschätzen sind. Das gilt insbesondere für die Frage, ob die angegriffenen Bestimmungen noch auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung beruhen.
a) Nach Auffassung des Senats bestehen erhebliche Zweifel, ob die mit dem vorliegenden Eilantrag angegriffenen Maßnahmen noch mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts bzw. des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar sind. Mittlerweile erfolgen jedenfalls im antragsgegenständlichen Wirtschaftszweig des Hotel- und Gaststättengewerbes erhebliche Grundrechtseingriffe über einen längeren Zeitraum allein durch die Exekutive, wobei mit der Dauer der Maßnahmen und der Intensität der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die Frage an Gewicht gewinnt, ob die Verordnungsermächtigung zugunsten der Ländern in den §§ 28, 32 IfSG noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG genügt (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 29.10.2020 20 NE 20.2360 BeckRS 2020, 28521 Rn. 28 ff.; ähnlich bereits BayVGH, B.v. 14.4.2020 20 NE 20.763 juris Rn. 14 f.; B.v. 14.4.2020 20 NE 20.735 juris Rn. 15 f.; vgl. auch B.v. 7.9.2020 20 NE 20.1981 juris Rn. 25 ff. unter Verweis auf BayVGH, B.v. 27.4.2020 20 NE 20.793 juris, Leitsatz 3; zweifelnd auch VGH BW, B.v. 9.4.2020 1 § 925/20 juris Rn. 37 ff.; vgl. auch Volkmann, NJW 2020, 3153; Brocker, NVwZ 2020, 1485/1486 ff.; Thiele, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lockdown-light-corona-massnahmengastronomie-gerichte-urteile-medizinische-einschtzung-begruenden-gesetz-stattverordnung/; Lepsius, RuP 2020, 258/265 ff.; Papier, DRiZ 2020, 180/183; Möllers, https://verfassungsblog.de/parlamentarische-selbstentmaechtigung-im-zeichen-desvirus/).
Vorliegend geht es um erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Normadressaten aus Art. 12 Abs. 1 GG, da ihnen die Ausübung ihres Gaststätten- und Hotelbetriebs für einen zwar zunächst befristeten, aber in seiner Gesamtdauer (wohl) letztlich von externen, nicht beeinflussbaren Faktoren abhängigen Zeitraum vollständig untersagt wird.
Nach dem Beschluss der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1805024/5353edede6c0125ebe5b5166504df d79/2020-10-28-mpk-beschluss-corona-data.pdf?download=1), den der Antragsgegner seinem Verordnungserlass zugrunde gelegt hat (vgl. https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2020/10/201029-ministerrat.pdf), wird mit den seit dem 2. November 2020 geltenden Eingriffen das Ziel einer allgemeinen erheblichen Kontaktreduzierung verfolgt, um die Zahl der Neuinfektionen auf eine nachverfolgbare Größenordnung zu senken. Es geht somit nicht um eine Verhinderung aller bzw. aller nicht schlechthin (lebens-) notwendigen Kontakte, sondern um eine nur auf bestimmte Lebensbereiche und Wirtschaftszweige begrenzte Kontaktreduzierung unter ausdrücklicher Tolerierung von Kontakten in anderen Situationen. Während insbesondere der Freizeitgestaltung, Kultur und Unterhaltung dienende sowie touristische und gastronomische Einrichtungen geschlossen sind, werden Kontakte etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen, Kindergärten und Kirchen hingenommen. Zweck des Infektionsschutzgesetzes ist es nach § 1 Abs. 1 IfSG, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Auf welche Weise unsere Gesellschaft den Gefahren und den Belastungen durch eine bedrohliche übertragbare Krankheit, also einer übertragbaren Krankheit, die auf Grund klinisch schwerer Verlaufsformen oder ihrer Ausbreitungsweise eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit verursachen kann (§ 2 Nr. 3a IfSG), begegnen kann, ist bisher im IfSG nur bei den Maßnahmen nach § 5 IfSG aufgezeigt. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung dieser Vorschrift durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I §. 587) zwar zum Ausdruck gebracht, dass ein bundesweit auftretendes epidemisches Geschehen wie die COVID-19-Pandemie zusätzliche Kompetenzen auf Seiten des Bundes erfordert, ist aber gleichzeitig noch davon ausgegangen, dass in der Normallage die Befugnisse nach den §§ 28 ff. IfSG ausreichen (BT-Drs. 19/18111 §. 11). Ob bzw. inwieweit diese Einschätzung des Gesetzgebers zutreffend war, bedarf hier keiner Entscheidung. Aus der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens und der Erkenntnislage bis zum heutigen Tag ergibt sich jedoch, dass die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Verordnungsbestimmungen das tägliche Leben eines jeden auf noch nicht absehbare Zeit bestimmen werden und dabei teilweise schwerwiegende Grundrechtseingriffe umfassen, für die es bislang keine Grundentscheidung des nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, Art. 72 Abs. 1 GG hierzu berufenen Bundesgesetzgebers gibt. Der Senat geht jedoch einstweilen weiterhin davon aus, dass die Voraussetzungen einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung demnächst geschaffen werden (vgl. bereits BayVGH, B.v. 29.10.2020 20 NE 20.2360 BeckRS 2020, 28521 Rn. 36 f.).
b) Der Annahme offener Erfolgsaussichten liegt auch zugrunde, dass sich die angegriffenen Bestimmungen im Rahmen einer prognostischen Einschätzung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig erweisen. Ob sich die angeordneten Maßnahmen bei nachträglicher Betrachtung als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen, kann der Senat nicht beurteilen.
aa) Das Infektionsgeschehen stellt sich nach dem aktuellen Situationsbericht des RKI (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/N ov_2020/2020-11-03-de.pdf?__blob=publicationFile, Seite 1) wie folgt dar:
Aktuell ist eine Beschleunigung der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Die Inzidenz der letzten sieben Tage ist deutschlandweit auf 124,2 Fälle pro 100.000 Einwohner angestiegen, wobei auch der Anteil älterer Betroffener ansteigt. Der bundesweite Anstieg wird nach den Erkenntnissen des RKI verursacht durch meist diffuse Geschehen, mit zahlreichen Häufungen in Zusammenhang mit privaten Feiern im Familien- oder Freundeskreis oder Gruppenveranstaltungen, aber auch zunehmend in Gemeinschaftseinrichtungen und Alten und Pflegeheimen, sowie in beruflichen Settings und ausgehend von religiösen Veranstaltungen. Es gibt immer noch keine zugelassenen Impfstoffe, und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Risikobewertung.html).
bb) Das in der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 beschlossene und im Verordnungsweg durch den Antragsgegner umgesetzte Konzept der Schließung von Teilbereichen des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens, hier die Schließung von Betrieben des Hotel- und Gaststättengewerbes nach §§ 13 und 14 8. BayIfSMV, erscheint bei summarischer Prüfung als eine von sachlichen Gründen getragene und nicht von vornherein unverhältnismäßige Reaktion auf das derzeit stark ansteigende pandemische Geschehen und steht im Einklang mit der Risikobewertung des RKI. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 32 IfSG verpflichtet den Verordnungsgeber in dieser Situation, die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertagbarer Krankheiten zu ergreifen.
Die angegriffenen Bestimmungen als Bestandteil des der 8. BayIfSMV zugrundeliegenden Auswahl- und Regelungskonzepts erweisen sich bei summarischer Prüfung nicht offensichtlich als von vornherein ungeeignetes oder nicht erforderliches Mittel zur Reduzierung von weiteren Infektionsfällen. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht offensichtlich vor.
Die mit den angegriffenen Bestimmungen ausgesprochenen Betriebsuntersagungen sind zur Kontaktreduzierung und damit auch zur Vermeidung möglicher Ansteckungsfälle geeignet. Angesichts der derzeit hohen und weiter stark ansteigenden Infektionszahlen bei einem großen Anteil nicht rückverfolgbarer Infektionsketten (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-03-de.pdf?__blob=publicationFile, §. 13; Epidemiologisches Bulletin 38/2020 v. 17.9.2020, https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/6944/38-2020-DOI-Infektionsumfeld.pdf?sequence=4&isAllowed=y) erscheint die (befristete) Betriebsuntersagung auch nicht offensichtlich unangemessen, zumal für die betroffenen Betriebe erhebliche staatliche Entschädigungsleistungen für den Umsatzausfall angekündigt wurden (vgl. https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2020/10/201029-ministerrat.pdf).
Ebenso wenig liegt den angegriffenen Bestimmungen ein offensichtlicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde. Selbst wenn hier eine Ungleichbehandlung in infektiologischer Hinsicht vergleichbarer Sachverhalte vorläge, wäre diese jedenfalls bei summarischer Prüfung sachlich zu rechtfertigen. Die Betriebsuntersagungen sind Teil eines Gesamtkonzeptes, welches Offenhalten von Schulen und Kindertagesstätten und eine weitgehende Aufrechterhaltung des
Berufslebens verbunden mit der wirtschaftlichen Produktivität als Ausgangspunkt hat.
Nach Vornahme dieser Priorisierung auf Erwerbsleben und Bildung ist es aus der hier für diese Entscheidung maßgeblichen ex-ante-Sicht denkbar, in einer Phase der fehlenden Rückverfolgbarkeit von Infektionsketten und einer großen Zahl diffus auftretender Ansteckungen mit dem SARS-CoV-2-Virus die (von allgemeinen Kontaktverboten begleiteten, § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV) Kontaktbeschränkungen im Bereich der Freizeitgestaltung der Bürger zu verorten, wo längerdauernde soziale und damit auch infektiöse Kontakte (während der bevorstehenden Wintermonate vor allem in geschlossenen Räumen) stattfinden, um das Pandemiegeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Kontrolle über die Infektionswege wieder zu erlangen. Letztlich soll so eine Überlastung des Gesundheitswesens mit der Folge tödlicher Krankheitsverläufe verhindert werden.
3. Bei der Annahme offener Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt die gebotene Folgenabwägung zwischen dem betroffenen Schutzgut der freien wirtschaftlichen Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG mit dem Schutzgut Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere im Hinblick auf die enorm steigenden Infektionszahlen, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Folgen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. In dieser Situation ergibt eine Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm insbesondere die mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten durch eine mit der Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm verbundene Öffnung von Gaststätten und Hotels schwerer ins Gewicht fallen als die (insbesondere wirtschaftlichen) Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs (vgl. auch OVG NW, B.v. 26.10.2020 13 B 1581/20.NE juris Rn. 70).
Aktuell ist nach dem Lagebericht des RKI vom 4. November 2020 eine zunehmende Beschleunigung der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten.
Die Inzidenz der letzten 7 Tage ist deutschlandweit weiter auf 125,8 Fälle pro 100.000 Einwohner (EW) angestiegen, bayernweit liegt sie sogar höher. Seit Anfang September nimmt der Anteil älterer Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu.
Die 7-Tage-Inzidenz bei Personen ≥ 60 Jahre ist weiter auf aktuell 82,4 Fälle/100.000 EW angestiegen. Der bundesweite Anstieg wird verursacht durch zumeist diffuse
Geschehen, mit zahlreichen Häufungen in Zusammenhang mit privaten Feiern im Familien- und Freundeskreis oder Gruppenveranstaltungen, aber zunehmend auch in Gemeinschaftseinrichtungen und Alten- und Pflegeheimen, sowie in beruflichen Settings und ausgehend von religiösen Veranstaltungen. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle hat sich in den vergangenen 2 Wochen von 943 Patienten am 19.10.2020 auf 2.546 Patienten am 4. November 2020 fast verdreifacht. Aufgrund dieser dramatischen Entwicklung muss das Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs hinter dem Gesundheitsschutz der gesamten Bevölkerung zurücktreten.
Weiterhin ist sowohl der seitens der Bundesregierung in Aussicht gestellte Ausgleich für wirtschaftliche Verluste der betroffenen Betriebe als auch die zeitliche Befristung der Maßnahmen, zunächst bis zum 30. November 2020, zu berücksichtigen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffenen Bestimmungen bereits mit Ablauf des 30. November 2020 außer Kraft treten (§ 28 8. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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