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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Ermittlungsverfahren, Zur-Last-Legung eines Verbrechens

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Flensburg, Beschluss vom 30.07.2020 - II Qs 28/20 jug.

Leitsatz: Ein Verbrechen gilt schon dann als zur Last gelegt , wenn wegen eines solchen ermittelt wird.


In pp.

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten A L gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 26.06.2020 wird dieser wie folgt abgeändert: Dem Beschuldigten A L wird Rechtsanwalt J S aus pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die als sofortige Beschwerde auszulegende "Beschwerde" (vgl. § 142 Abs. 7 S. 1 StPO) des Beschuldigten ist zulässig, da sie insbesondere fristgerecht eingelegt wurde, und begründet.

Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines notwendigen Verteidigers im Ermittlungsverfahren liegen vor.

Der Beschuldigte hat einen Antrag gemäß § 141 Abs. 1 S. 1 StPO gestellt. Auch liegen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO vor, da gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB, die ein Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB darstellt, ermittelt wurde.

Ein Verbrechen gilt nämlich schon dann als "zur Last gelegt", wenn wegen eines solchen ermittelt wird (vgl. BeckOK StPO/Krawczyk, 36. Ed. 1.1.2020 Rn. 6, StPO § 140 Rn. 6 m.w.N.). Zwar sind seitens der Kriminalpolizei bereits frühzeitig Überlegungen angestellt worden, wonach eine Strafbarkeit wegen eines Brandstiftungsdeliktes ausscheiden könnte (vgl. Bl. 45 d. A.). Diese Überlegungen haben indes zu keiner Änderung der Bewertung des Tatvorwurfes geführt, wie die Vorladung des Beschuldigten vom 22.01.2020 (Bl. 117 d. A.) dokumentiert. Diesem ist darin bekanntgegeben worden, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB geführt werde. Dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Beiordnungsverfahrens nunmehr eine - wenngleich zutreffende - rechtliche Würdigung dahingehend, dass lediglich ein Tatverdacht wegen Sachbeschädigung bestehe, vornimmt, führt zu keinem Entfallen der Beiordnungsvoraussetzungen. Denn wenn die Tat nach Einordnung als Verbrechen im Laufe des weiteren Verfahrens anders beurteilt, bleibt die Verteidigung nach allgemeiner Ansicht gleichwohl notwendig (MüKoStPO/Thomas/Kämpfer, 1. Aufl. 2014 Rn. 13, StPO § 140 Rn. 13). Auch wenn dieser Grundsatz keine uneingeschränkte Anwendung entfaltet und vor dem Hintergrund der zeitlichen Vorverlagerung des Beiordnungsverfahrens ins Ermittlungsverfahren modifiziert werden muss, dürfte er aber jedenfalls gelten, wenn - wie hier - mit dem Vorwurf eines Verbrechens an den Beschuldigten herangetreten wird.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.


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