Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

OWi

Bußgeldverfahren, Urteilsgründe, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.09.2020 - Ss BS 2/2020 (14/20 OWi)

Leitsatz: Auch in einem Urteil im Bußgeldverfahren muss die den Tatsachenfeststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung im Regelfall erkennen lassen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob und warum der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung als widerlegt ansieht; schweigt der Betroffene oder bestreitet er die Tat, müssen die Urteilsgründe die tragenden Beweismittel wiedergeben und sich mit ihnen auseinandersetzen.


Ss BS 2/2020 (14/20 OWi)

SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT
BESCHLUSS

In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Verteidigerin: Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous

hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 22. September 2020

gemäß § 80a Abs. 1 OWiG durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 7. November 2019 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts St. Ingbert zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 37 km/h eine Geldbuße in Höhe von 640,— Euro festgesetzt und ihm gemäß § 18 OWiG Ratenzahlungen gestattet. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die die Verteidigerin mit der Verfahrensrüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung und der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren sowie der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, dass im Tenor die Schuldform „fahrlässig durch „vorsätzlich" ersetzt wird.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete (SS 341 Abs. 1, 344, 345 StPO i. V. mit § 79 Abs. 3 Satz OWiG), mithin zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg, so dass es auf die Verfahrensrüge nicht ankommt. Das angefochtene Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die den Tatsachenfeststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung lückenhaft ist.

1. Zwar sind an die Gründe eines tatrichterlichen Bußgeldurteils keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl gilt für sie gemäß § 46 Abs. 1 OWiG die Vorschrift des § 267 StPO sinngemäß und damit für ihren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Auch die Gründe eines Bußgeldurteils müssen so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 02.04.2015 — 2 Ss OWi 251/15, juris Rn. 13; Senatsbeschlüsse vom 5. November 2015 - Ss Bs 76/2015 (44/15 OWi) - ZfSch 2016, 352 ff. und juris, vom 24. Januar 2019 - Ss Bs 107/2018 (76/18 OWi) ZfSch 2019, 351 f. und juris, vom 9. April 2019 - Ss Bs 16/2019 (18/19 OWi) vom 12. Juni 2019 - Ss Bs 2/2019 (29/19 OWi) - und vom 18. September 2020 Ss Bs 56/2020 (23/20 OWi) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.09.2016 - 2 (7) SsBs 507/16, juris Rn. 8; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 17. Aufl. § 71 Rn. 42; KK-OWiG/ Senge, 5, Aufl., § 71 Rn. 106). Das gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand versetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Lücken, Unklarheiten, Widersprüche sowie auf Verstöße gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (vgl. vorgen. Senatsbeschlüsse; OLG Karlsruhe, a. a. O.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O., § 71 Rn. 43; KK-OWiG/Senge, a. a. O., § 71 Rn. 107). Die den Tatsachenfeststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung muss daher im Regelfall erkennen lassen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob und warum der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung als widerlegt ansieht; schweigt der Betroffene oder bestreitet er die Tat, müssen die Urteilsgründe die tragenden Beweismittel wiedergeben und sich mit ihnen auseinandersetzen (vgl. vorgen. Senatsbeschlüsse; OLG Karlsruhe, a. a. O.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. O., § 71 Rn. 43; KK-OWiG/Senge, a. a. O., § 71 Rn. 107 m. w. N.). Das Fehlen einer zumindest gestrafften Darstellung der Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen sowie gegebenenfalls einer Beweiswürdigung, die sich mit den tragenden Beweismitteln und deren Ergebnissen auseinandersetzt, begründet auch im Bußgeldverfahren in aller Regel einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils (vgl. OLG Bamberg, a. a. O.; vorgen. Senatsbeschlüsse; KK-OWiG/Senge, a. a. O., § 71 Rn. 107 m. w. N.). Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann auf die Wiedergabe der Einlassung und auf eine Auseinandersetzung mit ihr in den Urteilsgründen ohne Verstoß gegen die materiell-rechtliche Begründungspflicht verzichtet werden (vgl. BGH MDR 1975, 198; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 323; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.08.2010 - 1 SsBs 97/10 -v juris; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 - Ss Bs 2/2019 (29/19 OWi) KK-OWiG/Senge, a. a. O., § 71 Rn. 107).

2. Diesen Anforderungen genügen die Gründe des angefochtenen Urteils nicht. Ihnen lässt sich zwar entnehmen, dass der Betroffene „nach insofern geständiger Einlassung" am Mittag des 05.02.2019 mit dem Pkw (amtliches Kennzeichen: pp.) die Sinzer Straße in Nennig, Fahrtrichtung Sinz, befuhr, er also seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt eingeräumt hat. Ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene zum eigentlichen Tatvorwurf nämlich der ihm zur Last gelegten Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit, eingelassen hat, ob und gegebenenfalls warum der Tatrichter dieser Einlassung gefolgt ist oder ob und inwieweit er sie als widerlegt angesehen hat, wird in den Gründen des angefochtenen Urteils hingegen nicht mitgeteilt. Im weiteren Verlauf der — die Feststellungen zur Tat, die Beweiswürdigung und rechtliche Wertungen vermengenden — Urteilsgründe heißt es insoweit lediglich, dass konkrete Messfehler oder Unregelmäßigkeiten seitens des Betroffenen nicht vorgebracht worden seien. Dies lässt sowohl die Deutung zu, dass sich der Betroffene zu dem Tatvorwurf überhaupt nicht eingelassen hat, als auch die Deutung, dass er diesen in Abrede gestellt hat. Dementsprechend fehlt auch jedwede Auseinandersetzung mit einer (möglichen) Einlassung des Betroffenen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Betroffene bezüglich des ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsverstoßes substantiiert verteidigt hat und der Tatrichter die Bedeutung der Betroffeneneinlassung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. -Januar 2019 - Ss Bs 107/2018 (76/18 OWi) ZfSch 2019, 351 f. und juris, vom 9. April 2019 - Ss Bs 16/2019 (18/19 OWi) und vom 12. Juni 2019 - Ss Bs 2/2019 (29/19 OWi) OLG Karlsruhe, a. a. O., juris Rn. 9). Im Hinblick auf die festgesetzte, die Regelgeldbuße in Höhe von 160,— € nach Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 des Anhangs zu Nr. 11 des Bußgeldkatalogs der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV um das Vierfache übersteigende Geldbuße von 640,— € ist auch kein Fall von geringer Bedeutung gegeben (vgl. OLG Koblenz, a. a. O.; Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 - Ss Bs 2/2019 (29/19 OWI) -), weshalb eine Wiedergabe und — gegebenenfalls — Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen zum Tatvorwurf auch nicht gänzlich entbehrlich war.

Das angefochtene Urteil ist daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO i, V. mit § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat im Hinblick darauf, dass er den vorstehend dargelegten sachlich-rechtlichen Mangel in Bußgeldurteilen desselben Tatrichters bereits zum wiederholten Male beanstandet hat, von der Möglichkeit der Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gebrauch macht (§ 79 Abs. 6 OWiG).


Einsender: RÄin M. Zimmer-Gratz, Bous

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".