Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 28.10.2020 - 202 Str 1438/19
Leitsatz: 1. Ein Umtausch einer ausländischen (hier: tschechischen) EU-Fahrerlaubnis nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG stellt nicht lediglich eine bloße Dokumentation oder Fortschreibung einer früher erteilten Fahrerlaubnis dar, sondern auch ohne erneute Eignungsprüfung - eine eigenständige Neuerteilung einer anderen ausländischen (hier: britischen) Fahrerlaubnis, auf die der Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV uneingeschränkt Anwendung findet.
2. Als Neuerteilung löst damit auch eine im Wege des Umtauschs erteilte EU-/EWR-Fahrerlaubnis grundsätzlich die Anerkennungspflicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV aus, sofern nicht Ausnahmen nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV greifen, wobei ein früherer Wohnsitzverstoß bei Erteilung der umgetauschten EU-/EWR Fahrerlaubnis nicht automatisch auf die Gültigkeit der von einem anderen EU/EWR-Mitgliedsstaat umgeschriebenen Fahrerlaubnis fortwirkt. Einer analogen Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV auf den Fall des Umtauschs einer unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erlangten EU-/EWR-Fahrerlaubnis in eine andere (ausländische) Fahrerlaubnis stehen der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) und das daraus folgende Analogieverbot (§ 1 StGB) entgegen.
In pp.
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 15.02.2019 mit den zugehörigen Feststellungen - ausgenommen die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist, sowie im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln festgesetzten Einzelstrafe und im Maßregelausspruch aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 16.07.2018 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Die hiergegen eingelegten Berufungen des Angeklagten und - beschränkt auf das Strafmaß - der Staatsanwaltschaft wurden durch das Landgericht mit Urteil vom 15.02.2019 verworfen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antragsschrift vom 02.07.2019 die Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde, und in diesem Umfang die Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu erneuter Verhandlung und Entscheidung beantragt. Das Landgericht habe verkannt, dass ein Umtausch nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG grundsätzlich eine eigenständige Neuerteilung einer Fahrerlaubnis darstelle, welche die Anerkennungspflicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV auslöse, sofern nicht Ausnahmen nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV greifen. Ob ein derartiger Ausschlusstatbestand greife, könne anhand der vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht hinreichend beurteilt werden. Hierzu hat sich die Verteidigung in ihrer Gegenerklärung vom 24.07.2019 geäußert.
II.
Die statthafte (§ 333 StPO) sowie nach §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte Revision hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - jedenfalls vorläufig - Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln für schuldig befunden und hierwegen eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten gegen ihn verhängt hat, hält dies sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Der Senat kann insoweit zur Begründung auf die in jeder Hinsicht zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 02.07.2019 Bezug nehmen.
2. Die Urteilsgründe tragen allerdings nicht die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, denn die bisherigen Feststellungen rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht über eine in Deutschland anzuerkennende, gültige Fahrerlaubnis verfügte. Die sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV ergebende Berechtigung, aufgrund einer im Ausland erteilten EU-/EWR-Fahrerlaubnis im Inland Kraftfahrzeuge zu führen, hat das Landgericht für die dem Angeklagten am 03.10.2010 erteilte britische Fahrerlaubnis der Klasse B zu Unrecht verneint. Für die Prüfung des insoweit im Raum stehenden Ausschlusstatbestands gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV sind weitere Feststellungen zu treffen.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Erwerb und Verlust von Fahrerlaubnissen durch den Angeklagten verfügte dieser noch nie über eine deutsche Fahrerlaubnis. Der Angeklagte erwarb jedoch am 07.12.2004 eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B, in der als Hauptwohnsitz Leipzig eingetragen war. Tatsächlich lebte der Angeklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis bzw. Ausstellung des tschechischen Führerscheins in Leipzig. Über einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik verfügte er weder zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrerlaubnis noch danach, sondern hielt sich lediglich zum Zwecke des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis wenige Wochen in der Tschechischen Republik auf. Diesen tschechischen Führerschein ließ der Angeklagte im Jahr 2010 während eines neunmonatigen Aufenthalts in Großbritannien umschreiben. Eigenen Angaben zufolge soll er zum damaligen Zeitpunkt in London gewohnt haben. In seinem am 03.10.2010 ausgestellten britischen Führerschein ist als Wohnort eine Anschrift in London eingetragen. Unter Ziffer 13 des britischen Führerscheins befindet sich der Vermerk 70 CZ, aus dem sich ergibt, dass der britische Führerschein auf der Grundlage einer tschechischen Fahrerlaubnis ausgestellt wurde.
b) Die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht berechtigt war, in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Die dem Angeklagten am 07.12.2004 erteilte tschechische Fahrerlaubnis sei unter Verstoß gegen das Erfordernis eines Wohnsitzes im Ausstellerstaat erteilt worden (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV), was sich unmittelbar aus der festgestellten Eintragung des Wohnsitzes Leipzig im Führerschein ergebe. Dieser Wohnsitzmangel wirke in dem vom Angeklagten durch Umtausch der tschechischen Fahrerlaubnis am 03.10.2010 erworbenen britischen Führerschein fort.
c) Dass das Landgericht vom Vorliegen eines der Anerkennung der britischen Fahrerlaubnis des Angeklagten entgegenstehenden Ausnahmetatbestandes in erweiternder Auslegung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ausgegangen ist, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass der Angeklagte bei der verfahrensgegenständlichen Fahrt aus der ihm am 07.12.2004 erteilten tschechischen Fahrerlaubnis keine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herleiten konnte, da die tschechische Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Erfordernis eines Wohnsitzes im Ausstellerstaat erteilt wurde (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV), was sich unmittelbar aus der festgestellten Eintragung des Wohnsitzes Leipzig im Führerschein ergibt.
bb) Der Angeklagte war jedoch zum Tatzeitpunkt im Besitz einer britischen Fahrerlaubnis der Klasse B, die ihn gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV grundsätzlich dazu berechtigte, Kraftfahrzeuge der Klasse B im Inland zu führen.
(1) Aus der festgestellten Eintragung 70 CZ in der dem Angeklagten am 03.10.2010 erteilten britischen Fahrerlaubnis der Klasse B folgt, dass die Erteilung auf einem Umtausch der tschechischen Fahrerlaubnis vom 07.12.2004 im Sinne des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vom 20.12.2006 (3. EU-Führerscheinrichtlinie) beruhte. Der Code 70 bezeichnet nach Anhang I der Richtlinie den Umtausch im Sinne der genannten Vorschrift, während die Buchstaben CZ die nationale Herkunft des umgetauschten tschechischen Führerscheins bezeichnen (vgl. Richtlinie 2006/126/EG Anhang I Ziff. 3a zu Seite 2 des Führerscheins sowie Ziff. 3c zu Seite 1 des Führerscheins).
(2) Der Umtausch ist begrifflich von der Ersetzung eines Führerscheins im Sinne von Art. 5 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie und Art. 11 Abs. 5 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie zu unterscheiden, die lediglich die Ausstellung eines neuen (Ersatz-) Führerscheins darstellt (zu einem solchen Fall des Ersatzführerscheins wegen Verlustes vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 10.12.2012 - 2 Ss 51/12 = DAR 2013, 277 = Blutalkohol 50 [2013], 133). Eine solche Ersetzung eines Führerscheins hätte eine Kennzeichnung mit dem Code 71 zur Folge (vgl. Dauer in Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl. § 28 FeV Rn. 23).
(3) Ein Umtausch nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG stellt nicht lediglich eine bloße Dokumentation oder Fortschreibung einer früher erteilten Fahrerlaubnis dar, sondern eine eigenständige Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, auf die der Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV uneingeschränkt Anwendung findet. Der Senat folgt insoweit vollumfänglich der - einen nahezu identischen Sachverhalt betreffenden - Rechtsauffassung des OLG München (OLG München, Beschl. v. 11.12.2017 - 4 OLG 15 Ss 336/17 [unveröffentlicht]; vgl. auch schon OLG Jena, Beschl. v. 08.07.2013 - 1 Ss 17/13 = NZV 2013, 509 = VRS125 [2013], 40 = Blutalkohol 50 [2013], 302).
(a) Nach Ansicht des OLG München spricht hierfür neben der aufgezeigten Unterscheidung von Umtausch und Ersetzung in Art. 11 Abs. 1 bzw. Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG, dass das europäische Recht dem umtauschenden Mitgliedstaat in gewissen Grenzen gestattet, beim Umtausch Modifikationen der vorhandenen Fahrerlaubnis vorzunehmen. Daher geht das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass ein Umtausch als Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu werten ist (vgl. nur BVerwG NJW 2013, 487 zur insoweit parallelen Vorgängerregelung in Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG vom 21.07.1991 - 2. EU-Führerscheinrichtlinie; aber auch BayVGH, Beschl. v. 24.11.2014 - 11 ZB 14.1193 bei juris; Dauer a.a.O. § 28 FeV Rn. 23). Soweit diese Einordnung in der strafrechtlichen Rechtsprechung davon abhängig gemacht wird, dass mit dem Umtausch zugleich die Gültigkeitsdauer der umgetauschten Fahrerlaubnis modifiziert wird (OLG Stuttgart NStZ-RR 2015, 182; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2016, 153), verhält sich das angefochtene Urteil des Landgerichts hierzu jedoch nicht, sodass schon insoweit ein durchgreifender Erörterungsmangel vorliegt.
(b) Zu Recht verweist das OLG München in seiner Entscheidung darauf, dass die Qualifikation als Neuerteilung unabhängig davon ist, ob anlässlich des Umtauschs im Ausstellerstaat eine Prüfung der Fahreignung erfolgt (vgl. Dauer a.a.O. § 28 FeV Rn. 23; a.A. wohl OLG Bamberg a.a.O.). Schon Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG stellt auf eine solche nicht ab. Soweit die Frage der Anerkennung in Deutschland inmitten steht, bekräftigt zudem der Umkehrschluss zu § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 1. Alt. FeV diese Auffassung. Diese Regelung enthält eine Ausnahme gegenüber dem Grundsatz der Anerkennung für Fälle des prüfungsfreien Umtauschs, begrenzt dies aber ausdrücklich auf den Umtausch von Fahrerlaubnissen aus Drittstaaten. Nachdem Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind (was bereits für die nach europäischem Recht gegenüber dem Anerkennungsgrundsatz bestehenden Ausnahmetatbestände gilt, vgl. EuGH NJW 2004, 1725; Dauer a.a.O. § 28 FeV Rn. 22 m.w.N.), rechtfertigt dies nur den Schluss, dass der deutsche Verordnungsgeber den Fall des prüfungsfreien Umtauschs einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis durch einen weiteren EU-Mitgliedstaat gerade nicht von der Anerkennung ausnehmen wollte. Mit diesen abgesenkten Anforderungen - so das OLG München weiter - harmoniert zudem auch die eigene Regelung des deutschen Fahrerlaubnisrechts zum Umtausch von EU-/EWR-Fahrerlaubnissen. In § 30 FeV wird der Umtausch ausweislich des Wortlauts ebenfalls als Erteilung einer (deutschen) Fahrerlaubnis verstanden (vgl. BVerwG NJW 2013, 487). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV ist dabei die Vorgabe einer Befähigungsprüfung (§ 15 FeV) generell nicht anzuwenden.
cc) Als Neuerteilung löst damit auch eine im Wege des Umtauschs erteilte EU-/EWR-Fahrerlaubnis grundsätzlich die Anerkennungspflicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV aus, sofern nicht Ausnahmen nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV greifen, wobei die Missachtung des Wohnsitzerfordernisses bei Erteilung der dem Umtausch zugrundeliegenden tschechischen Fahrerlaubnis gegenüber der am 03.10.2010 erlangten britischen Fahrerlaubnis keine Ausnahme von der Anerkennungspflicht begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts bedeutet dies, dass ein Wohnsitzverstoß bei Erteilung des umgeschriebenen Führerscheins aus einem EU-/EWR-Mitgliedsstaat nicht automatisch auf die Gültigkeit der von einem anderen EU-/EWR-Mitgliedsstaat umgeschriebenen Fahrerlaubnis fortwirkt. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass es ausschließlich Aufgabe des die Fahrerlaubnis erteilenden Mitgliedsstaates ist zu prüfen, ob die Erteilungsvoraussetzungen nach europäischem Recht erfüllt sind, und die übrigen Mitgliedsstaaten zu einer Nachprüfung nicht befugt sind (vgl. Dauer a.a.O. § 28 FeV Rn. 20 m.w.N.).
dd) Die in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur vertretene analoge Anwendung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV auf Wohnsitzmängel in einer umgetauschten EU-/EWR-Fahrerlaubnis (BVerwG NJW 2018, 3661; BayVGH a.a.O.) kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn ihr steht nunmehr schon die durch Änderungsverordnung vom 26.06.2012 geschaffene Regelungen in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 FeV entgegen, die eine Ausnahme von der Anerkennung beim Wohnsitzmangel einer umgetauschten Fahrerlaubnis explizit nur dann begründet, wenn diese Fahrerlaubnis aus einem Drittstaat stammt. Wie oben schon für die Fälle nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 FeV erörtert, legt dies für umgetauschte EU-/ERW-Fahrerlaubnisse einen Umkehrschluss nahe (i.E. ebenso wie OLG München auch OLG Jena a.a.O.). Dass zudem die analoge Anwendung einer das Bestehen einer Fahrerlaubnis ausschließenden Norm jedenfalls nicht zu einer Strafbarkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG führen könnte, hat das OLG München in seinem Beschluss vom 11.12.2017 wie folgt begründet:
Auch wenn § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV isoliert betrachtet keine Strafnorm darstellt, stünde eine Ausdehnung dieser Norm im Wege eines Analogieschlusses im hier relevanten Zusammenhang das aus Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB folgende strafrechtliche Analogieverbot entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen, ob es sich bei § 21 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 StVG und den Normen der FeV um einen Blankettstraftatbestand handelt. Es hat die Ausfüllung dieser Strafnorm durch die Regelungen der FeV jedoch wie bei einem Blankettstraftatbestand an den Vorgaben des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips gemessen (vgl. BVerfG NJW 1979, 1981, Rn. 57 und 59 bei juris). Daher liegt nahe, sie in gleicher Weise auch dessen spezieller Ausprägung in Form des Analogieverbots zu unterwerfen [
]. Bei Blankettstrafgesetzen gilt das Analogieverbot sowohl für das verweisende Strafgesetz als auch für die das Strafgesetz ausfüllenden außerstrafrechtlichen Vorschriften. Denn die durch das Strafrecht in Bezug genommenen außerstrafrechtlichen Normen erlangen durch das Zusammenlesen zwar nicht die Rechtsqualität der Strafnorm, nehmen aber an der Rechtsnatur der verweisenden Strafnorm teil, soweit sie zur Begründung der strafrechtlichen Maßstäbe des Art. 103 Abs. 2 GG und damit auch am Analogieverbot gemessen werden [...].
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen eines der Anerkennung der britischen Fahrerlaubnis des Angeklagten entgegenstehenden Ausnahmetatbestandes in erweiternder Auslegung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV angenommen hat, nicht trägt, sondern dass es allein darauf ankommt, ob bei der Erteilung der britischen Fahrerlaubnis ein Verstoß gegen das sog. Wohnsitzprinzip vorlag. Hierzu fehlen Feststellungen des Landgerichts.
III.
Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Fehlers war das Urteil des Landgerichts in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO). Die Teilaufhebung zieht den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe nach sich, sodass schon deshalb die Gesamtstrafe ihre Grundlage verliert. Zudem kann die Maßregelanordnung bezüglich der Fahrerlaubnis keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen konnten aufrechterhalten bleiben, da sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Wohnsitzsituation des Angeklagten zum Zeitpunkt der Erteilung der britischen Fahrerlaubnis zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht im Widerspruch stehen dürfen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.01.2017 - 1 StR 604/16 = StV 2017, 672). Ein Freispruch des Angeklagten durch das Revisionsgericht kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da die Möglichkeit besteht, dass der auf die am 03.10.2010 erteilte britische Fahrerlaubnis gestützten Fahrberechtigung des Angeklagten der Ausschlusstatbestand nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV entgegenstand. Voraussetzung hierfür wäre, dass auch bei Erteilung der britischen Fahrerlaubnis das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellerstaat missachtet wurde und sich dieser Verstoß unmittelbar aus dem Führerschein oder aus vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt. Das Berufungsurteil enthält insoweit lediglich unzureichende Feststellungen zu dem von dem Angeklagten behaupteten neunmonatigen Aufenthalt in Großbritannien und dem bisher erfolglosen Versuch, über die britische Polizei die Umstände der Umschreibung zu ermitteln. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat insoweit zu einem Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Akyüz (EuGH, Urt. v. 01.03.2012 - C 467/10 bei juris) veranlasst. Ergibt sich ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip nicht aus dem Führerschein selbst, können danach alle Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat herangezogen werden, die von einer Behörde dieses Staates herrühren (a.a.O. Rn. 67, 70). Die Prüfung, ob die Information als vom Ausstellermitgliedstaat herrührend einzustufen ist und die Beurteilung, ob es sich um eine unbestreitbare, zum Nachweis des Wohnsitzverstoßes ausreichende Information handelt, ist dabei den nationalen Gerichten vorbehalten (a.a.O. Rn. 73, 74). Diese sind nicht daran gehindert, im Rahmen der Beweiswürdigung weitere, nicht von dem Ausstellermitgliedstaat herrührende Umstände heranzuziehen (a.a.O. Rn. 75). Ausreichend ist daher, wenn die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen auf einen Wohnsitzverstoß lediglich hinweisen bzw. ein unbestreitbares Indiz hierfür bilden. Sie bilden dann gleichsam den Rahmen, innerhalb dessen die nationalen Gerichte alle Umstände eines vor ihnen anhängigen Verfahrens berücksichtigen dürfen (vgl. BayVGH, ZfSch 2012; 416; BayVGH, Beschl. v. 18.06.2018 - 11 ZB 17.1696 bei juris; OLG Zweibrücken ZfSch 2017, 712; OLG Stuttgart DAR 2014, 335).
Einsender: RiBayObLG Dr. G. Gieg, Bamberg
Anmerkung:
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