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Entscheidungen

StPO

Anklage beim Jugendschöffengericht, Pflichtverteidiger

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Münster, Beschl. v. 07.09.2020 - 21 Qs 12/20

Leitsatz: Gemäß § 140 Abs.1 Nr. 1 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn zu erwarten ist, dass die Verhandlung vor dem Schöffengericht stattfindet. Diese Erwartung ist im Zwischenverfahren zu bejahen, wenn Anklage zum Schöffengericht erhoben wird. Diese Vorschrift findet nach der klaren Regelung des § 68 Abs.1 Nr. 1 JGG auch im Verfahren gegen Jugendliche uneingeschränkte Anwendung.


21 Qs 12/20

Landgericht Münster

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren
gegen pp.

Verteidiger: Urbanzyk,

hat die 21. große Jugendkammer des Landgerichts Münster auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Coesfeld vom 07.07.2020 - Az: 3b Ls 53/20 - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Amtsgericht am 07.09.2020 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Coesfeld vom 07.07.2020 aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Münster legt dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift vom 29.05.2020 (83 Js 1568/20) zur Last, gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten pp. in der Zeit vom 25.04.2019 bis zum 26.03.2019 fremde bewegliche Sachen einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sachen sich rechtswidrig zuzueignen, wobei sie zur Ausführung der Tat in ein Gebäude eingebrochen sein sollen. Die Angeschuldigten sollen in das Gebäude des Sportvereins SG Coesfeld 06 eingedrungen sein, indem sie ein Fenster mittels eines Brecheisens aufhebelten. Aus dem Gebäudeinneren sollen sie drei Schokoriegel entwendet haben.

Mit weiterer Anklageschrift vom 29.05.21.020 (83 Js 1560/20) wird dem Beschwerdeführer ein Diebstahl, begangen in der Zeit vom 30.03.2020 bis zum 31.03.2020 zur Last gelegt. Er soll im Tatzeit aus dem Kofferraum des auf der Garageneinfahrt des Zeugen pp. abgestellten PKW pp. eine Geldkassette mit Eintrittskarten für ein Konzert der Jugendblaskapelle Coesfeld und 1500,- Euro Bargeld entwendet habe,.

Die Staatsanwaltschaft Münster hat in beide Fällen beantragt, das Hauptverfahren von dem Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Coesfeld zu eröffnen.

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Coesfeld hat die Anklagen mit Beschluss vom 07.07.2020 verbunden.

Der Verteidiger des Beschwerdeführers hatte bereits mit Schriftsatz vom 19.06.2020 zum Verfahren 83 Js 1560/20 die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt.

Mit Beschluss vom 07.07.2020 hat das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Coesfeld den Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger mit der
Begründung, es liege kein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO vor, insbesondere sei ungeachtet der Anklage beim Jugendschöffengericht nicht mit der Verhängung einer Jugendstrafe zu rechnen (§ 68 Nr.5 JGG) und die Sach- und Rechtslage sei nicht schwierig, zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Verteidiger im Namen des Beschwerdeführers pp. eingelegte sofortige Beschwerde vom 15.07.2020. Zur Begründung führt der Verteidiger aus, nach der Neufassung des § 140 Abs.1 Nr.1 StPO liege ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht stattfinde. § 68 Abs.1 JGG enthalte diesbezüglich keine Einschränkungen, so dass auch bei allen Verfahren vor dem Jugendschöffengericht ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege.

Das Amtsgericht Coesfeld hat der sofortige Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren der Kammer vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft Münster hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Il.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor.

Gemäß § 140 Abs.1 Nr. 1 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn zu erwarten ist, dass die Verhandlung vor dem Schöffengericht stattfindet. Diese Erwartung ist im Zwischenverfahren zu bejahen, wenn Anklage zum Schöffengericht erhoben wird (BeckOK StPO § 140 Rn.5, Meyer-Goßner/Schmidt 63.Auflagen, StPO § 140 Rn.11 b). Sie entfällt, wenn nicht vor einem der in § 140 Abs.1 Nr.1 StPO genannten Gerichte eröffnet wird.

Diese Vorschrift findet nach der klaren Regelung des § 68 Abs.1 Nr. 1 JGG auch im Verfahren gegen Jugendliche uneingeschränkt Anwendung, so dass auch vor dem Jugendschöffengericht eine Verteidigung stets erforderlich ist. Eine Reduktion der Vorschrift des § 68 Abs.1 Nr.1 JGG bei Anklageerhebung vor dem Jugendschöffengericht auf Fälle des § 68 Abs.1 Nr.5 JGG lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (Eisenberg/Körbel, 21.Auflage JGG § 68 Rn.21a).

Ausgehend davon ist dem Angeklagten im vorliegenden Verfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Die Staatsanwaltschaft Münster hat in beiden Verfahren Anklage zum Jugendschöffengericht erhoben. Jedenfalls solange das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Coesfeld das Verfahren nicht vor dem Jugendrichter eröffnet hat, liegen damit die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung vor. Dem Angeklagten pp. ist daher Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung des § 467 Abs.1 StPO.


Einsender: RA H. Urbanzyk, Coesfeld

Anmerkung:


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