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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Werbung, Schwangerschaftsabbruch, Internetseite

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 19.11.2019 - (3) 121 Ss 143/19 (80 + 81/19)

Leitsatz: 1. Ein Arzt, der auf seiner Internetseite in dem angebotenen Leistungsspektrum auf die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen unter Angabe der verwendeten Behandlungsmethode und dem Zusatz "in geschützter Atmosphäre“ hinweist, macht sich auch auf der Grundlage des neu eingefügten § 219a Abs. 4 StGB nach § 219a Abs. 1 StGB wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft strafbar.
2. Das Tatbestandsmerkmal um seines Vermögensvorteils willen im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB ist zwar im Sinne einer Bereicherungsabsicht zu verstehen. Die Ausgestaltung von § 219a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt ist dabei aber zu berücksichtigen.
3. Bietet ein Arzt fremde Schwangerschaftsabbrüche an, liegt eine Bereicherungsabsicht im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB nicht auf der Hand. In so gelagerten Fällen bedarf es für das Bejahen dieses Merkmals darüber hinausgehender Feststellungen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse belegen.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer:
(3) 121 Ss 143/19 (80 + 81/19)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 19. November 2019 beschlossen:

1. Die Revision der Angeklagten pp. gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Juni 2019 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Die Angeklagte hat die Kosten ihrer Revision zu tragen.

2. Auf die Revision der Angeklagten pp. wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Juni 2019, soweit es diese Angeklagte betrifft, einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1. Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagten am 14. Juni 2019 wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft nach § 219a Abs. 1 Nr. 1 erster Fall StGB jeweils zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100,- Euro verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen betrieben die Angeklagten - beide sind Gynäkologinnen – in B. eine Gemeinschaftspraxis. Dazu heißt es im amtsgerichtlichen Urteil weiter:

„Beide betrieben zumindest vom 02.02.2018 bis zum 12.07.2018 unter www.xxxx.de eine Internetseite, die der Öffentlichkeit frei zugänglich war. Unter der Rubrik „Leistungsspektrum – Sie sind schwanger . . .“ stand unter anderem auch: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“

Beide Angeklagten standen im Impressum der Internetseite.“

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

„Die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus den Angaben der Angeklagten selbst, daraus auch, dass nur die Angeklagte pp. Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.
Vom zu beurteilenden Inhalt der Internetseite hat sich das Gericht durch Verlesen eines Screenshots Überzeugung verschafft. Daraus ergab sich auch, dass bei der damaligen Seite beide Angeklagte im Impressum verantwortlich für die Seite zeichneten.

Durch Verlesen des Screenshots der aktuellen Seite war festzustellen, dass nunmehr nur noch als Leistungsspektrum der Angeklagten pp. ein narkosefreier, medikamentöser Schwangerschaftsabbruch angeboten wird und nur Frau pp. im Impressum steht.“

Nach Auffassung des Amtsgerichts haben die Angeklagten mit ihrem Verhalten den Tatbestand des gemeinschaftlichen Werbens für den Abbruch der Schwangerschaft nach §§ 219a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht. Dazu hat es festgestellt, dass sie „durch die öffentlich zugängliche Internetseite […] eigene (Frau pp.) bzw. fremde (Frau pp.) Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten“ haben. Der auf der Internetseite öffentlich zugänglich gemachte Text verwirkliche das Tatbestandsmerkmal des Anbietens, das auch dann vorliege, wenn der Erklärung kein anpreisender Werbeeffekt innewohne. Auch hätten beide Angeklagten ihres Vermögensvorteils wegen gehandelt. Dazu heißt es in den Urteilsgründen:

„Die Angeklagte pp. erhält für einen durchgeführten Schwangerschaftsabbruch das dafür vorgesehene ärztliche Honorar. […] Aber auch die Angeklagte pp. hat ein Interesse an den finanziellen Zuwendungen, die die Mitangeklagte erhält, denn beide teilen sich zumindest die Praxisräume und das Personal, so dass die Einnahmen der einen Angeklagten zumindest indirekt auch der anderen zugutekommen.“

Weiter hat das Amtsgericht ausgeführt, das Handeln der Angeklagten stelle auch keine nach § 219a Abs. 4 StGB von der Strafbarkeit ausgenommene Handlung dar. Für eine tatbestandliche Einschränkung durch § 219a Abs. 4 StGB sei im vorliegenden Fall kein Raum, weil danach allein die Mitteilung erlaubt sei, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, nicht aber, wie diese vorgenommen würden.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht zu Gunsten der Angeklagten deren „grundsätzliches Geständnis“ gewürdigt.

Zur festgesetzten Geldstrafe hat das Amtsgericht ausgeführt, es habe die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten schätzen müssen. Angaben zur konkreten Schätzgrundlage hat es nicht mitgeteilt.

2. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagten mit ihrer auf die Sachrüge gestützten (Sprung-) Revision. Sie sind der Auffassung, die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung von § 219a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB sei systemwidrig. Der bloße Hinweis auf ein nach § 218a StGB tatbestandsloses oder gerechtfertigtes Verhalten könne kein strafbares Unrecht sein. Zudem müsse - dies ergebe sich aus der amtlichen Überschrift von § 219a StGB - der Tathandlung des Anbietens Werbecharakter zukommen. Werde die Norm nicht entsprechend restriktiv ausgelegt, liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG vor. Zudem müsse die Norm im Lichte von Art. 5 und 12 GG ausgelegt werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Revisionsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Verteidiger vom 29. Juli, 1. und 8. August sowie 4. und 9. Oktober 2019 Bezug genommen.


II.

Die zulässige Revision der Angeklagten pp. hat in der Sache keinen Erfolg.

1.Die festgestellte Tathandlung der Angeklagten erfüllt den objektiven Tatbestand des § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Danach macht sich strafbar, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt.

a) Die Angeklagte pp. hat eigene Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten. Unter Anbieten im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB ist - ebenso wie bei § 184 StGB (vgl. Merkel in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch 5. Aufl., § 219a Rdn. 11; Gropp in MüKo-StGB 3. Aufl., § 219a Rdn. 6) - eine einseitige Erklärung der Bereitschaft zur Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs zu verstehen (vgl. Kröger in LK-StGB 12. Aufl. Rdn.; 4; Merkel a.a.O. Rdn. 12; beide zu § 219a StGB; zu § 184 StGB vgl. Hörnle in MüKo-StGB 3. Aufl. Rdn. 31; Eisele in Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl., Rdn. 14; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB 12. Aufl., Rdn. 17). Um dieses Merkmal zu erfüllen, genügt eine bloße Beschreibung und Funktionserklärung der Dienste nicht. Hinzutreten muss, dass die angebotenen Dienste als in bestimmter Weise zugänglich dargestellt werden (Merkel a.a.O. Rdn. 11).

aa) Rechtsfehlerfrei hat danach das Amtsgericht das auf der Internetseite der Angeklagten angebotene ärztliche Leistungsspektrum, namentlich der Hinweis auf die Vornahme von medikamentösen, narkosefreien Schwangerschaftsabbrüchen in geschützter Atmosphäre als Anbieten eines Schwangerschaftsabbruchs festgestellt. Dieses Angebot ist nach Maßgabe von § 219a Abs. 1 StGB öffentlich (vgl. dazu im Einzelnen Merkel a.a.O. Rdn. 13), da es sich um eine im Internet frei zugängliche Seite handelte.

Diese Auslegung wird auch dem Sinn und Zweck von § 219a StGB gerecht. Die Strafvorschrift soll verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird (vgl. BT-Drucks. 7/1981, S. 17; Merkel a.a.O. Rdn. 2). Die Vorschrift ist als ein vom eigentlichen Erfolgseintritt des durchgeführten Abbruchs losgelöstes Gefährdungsdelikt angelegt (vgl. Wörner in NStZ 2018, 416, 418).

bb) Dem Einwand der Verteidigung, bei der systematischen Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Anbieten“ sei auch die amtliche Überschrift des § 219a StGB (Werben für den Abbruch der Schwangerschaft) zu berücksichtigen und der von der Angeklagten ins Internet gestellten Erklärung fehle der werbende Charakter, weil sie lediglich „eine neutrale Informationsbereitstellung“ beinhalte, ist nicht zu folgen. Denn die verfahrensgegenständliche Erklärung mit dem Zusatz „in geschützter Atmosphäre“ stellt jedenfalls mehr als lediglich „eine neutrale Informationsbereitstellung“ dar.

Zwar ist bei der Auslegung von § 219a StGB auch deren amtliche Überschrift (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) in den Blick zu nehmen (vgl. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, § 1 Rdn. 18). Dies rechtfertigt jedoch keine abweichende Bewertung. Nach dem zur Tatzeit geltenden Recht machte sich bereits strafbar, wer öffentlich darüber informiert, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen (vgl. zum alten Recht BT-Drucksache 7/1981, S. 17 f.). Auf einen werbenden Charakter der Information kam es nicht an. Durch die Einfügung von § 219a Abs. 4 StGB hat der Gesetzgeber eine grundlegende strukturelle Veränderung des § 219a Abs. 1 StGB nicht vorgenommen. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben in ihrer Begründung für den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 12. Februar 2019 (BT-Drucks. 19/7693) klargestellt, dass § 219a StGB - anders als dessen Überschrift nahelegt - nicht nur werbende Handlungen unter Strafe stellt (a.a.O., S. 7). Der amtlichen Begründung zur aktuellen Gesetzesnovelle ist weiter zu entnehmen, dass § 219a StGB in einem neuen Absatz 4 um „einen weiteren Ausnahmetatbestand ergänzt“ wird (a.a.O.). Dem gegenüber blieben die in § 219a Abs. 1 StGB aufgeführten Tathandlungsvarianten (anbieten, ankündigen, anpreisen) unangetastet.

b) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Berücksichtigung der am 29. März 2019 in Kraft getretenen Vorschrift des § 219a Abs. 4 StGB, die unter den Voraussetzungen der Nr. 1 und Nr. 2 Tathandlungen des § 219a StGB tatbestandslos stellt.

aa) Der neu eingefügte § 219a Abs. 4 StGB ist im vorliegenden Fall anwendbar. Zwar war die angeklagte Tat vor Inkrafttreten dieser Vorschrift bereits beendet. Die neue Rechtslage ist jedoch gegenüber der bisherigen Regelung, die zur Tatzeit galt, nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 StGB das mildere Recht, das der Senat nach § 354a StPO bei seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. BGHSt 20, 116; OLG Frankfurt StV 2019, 687).

Nach § 219a Abs. 4 StGB gilt § 219a Abs. 1 StGB nicht, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen auf die Tatsache hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 StGB vornehmen (§ 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB) oder auf Informationen einer insoweit zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen (§ 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB).

bb) Nach der allein einschlägigen Nr. 1 des § 219a Abs. 4 StGB ist die Tathandlung der Angeklagten nur dann tatbestandslos, wenn sie darüber informiert hat, dass sie Schwangerschaftsabbrüche als eigene oder fremde Dienste vornimmt. Daher stellt der Hinweis auf die angewandte Behandlungsmethode nicht nur - wie der Verteidiger meint - eine Konkretisierung der Information über die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen dar. Unabhängig davon hebt jedenfalls der Zusatz, die Behandlung werde „in geschützter Atmosphäre“ durchgeführt, die verfahrensgegenständliche Tathandlung über die bloße - straflose - Information hinaus (s.o.). Sie fällt - wie vom Tatgericht zutreffend angenommen - weiterhin unter den Tatbestand von § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Auch die Berücksichtigung der amtlichen Überschrift (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) bei der von der Verteidigung angemahnten einengenden Auslegung der Tathandlung „anbieten“ rechtfertigt keine abweichende Bewertung (s.o. 1. a) b))).

c) Die von der Verteidigung befürwortete Auslegung der Vorschrift des § 219 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist weder mit der Gesetzessystematik noch mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen.

aa) Anlass für die Gesetzesänderung war u.a., dass sich nach altem Recht bereits jeder strafbar machte, wer öffentlich darüber informierte, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen (vgl. zum alten Recht BT-Drucksache 7/1981, S. 17 f.). Dies betraf in besonderer Weise Ärzte. Daher hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 2006 darauf hingewiesen, dass, wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, es dem Arzt ohne negative Folgen möglich sein muss, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Mai 2006 - 1 BvR 1060/02 -, juris). Die Literatur hat sich der Kritik an der früheren Rechtslage angeschlossen und unterstrichen, dass der bloße öffentliche Hinweis auf ein nach § 218a StGB tatbestandsloses oder gerechtfertigtes Verhalten kein strafbares Unrecht sein könne (vgl. Mitsch in Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwaltKommentar 2. Aufl., § 219a Rdn. 1 m.w.N.).

Weiterer Anlass für die Gesetzesänderung war, Frauen in Konfliktlagen ohne Zeitverzögerung über Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen zu informieren, die straffreie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Ausgehend von dieser Motivation des Gesetzgebers bleiben alle Zusatzinformationen, die über die bloße Tatsache der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen oder Hinweise auf Informationen der in § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB genannten Institutionen hinausgehen, weiterhin strafbewehrt.

bb) Zwar könnten die ebenfalls neu eingefügten § 13 Abs. 3 und § 13a des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchwKG) darauf hindeuten, dass auch ärztliche Angaben zur Art und Weise des Schwangerschaftsabbruchs unter § 219a Abs. 4 StGB fallen und damit nicht tatbestandsmäßig wären. Denn nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SchwKG führt die Bundesärztekammer eine Liste der Ärztinnen und Ärzte sowie der Krankenhäuser und Einrichtungen, die ihr mitgeteilt haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 StGB durchführen. Die Liste enthält nach § 13 Abs. 3 Satz 2 SchwKG auch Angaben über die jeweils angewendeten Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, soweit diese mitgeteilt werden. Die - ausschließlich durch Angaben der Ärztinnen und Ärzte gespeiste - Liste ist gemäß § 13a Abs. 1 SchwKG durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu veröffentlichen.

Dem möglichen Schluss, dass Ärztinnen und Ärzten gestattet sein muss, selbst die in der genannten Liste enthaltenen Informationen zu veröffentlichen, stehen indes durchgreifende Bedenken entgegen. Zum einen hätte eine so verstandene Auslegung von § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB zur Folge, dass für den ebenfalls eingefügten § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB kein Anwendungsraum mehr verbliebe. Denn einer gesonderten Erwähnung, dass (auch) die in Nr. 2 genannten mittelbaren Hinweise auf (eigene) ärztliche Behandlungsmethoden straflos sind, hätte es dann nicht mehr bedurft. Die Systematik von § 219a Abs. 4 StGB spricht deswegen für den vom Senat dargelegten engen Anwendungsbereich von § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB.

cc) Auch steht der von der Verteidigung geforderten Auslegung des § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB der im Beratungsverfahren hervorgetretene gesetzgeberische Wille entgegen. Im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ist zwar erwogen worden, auch den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit einzuräumen, über die angewandten Behandlungsmethoden zu informieren. Aus der Beschlussempfehlung nebst Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages vom 20. Februar 2019 (BT-Drucks. 19/7965) geht jedoch hervor, dass sich dafür keine Ausschussmehrheit gefunden hat. In ihrer Stellungnahme hat die Fraktion der CDU/CSU klargestellt, dass die Formulierung „hinweisen“ in § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB so zu verstehen sei, dass allein die Setzung eines Links zur Information über Schwangerschaftsabbruchmethoden auf der Homepage der (Bundes-) Ärztekammer oder das Kopieren der Information unter Angabe der Quelle straffrei bleiben solle. Nicht erfasst von der Ausnahme in Absatz 4 Nr. 2 sei, wenn sich die Ärztin oder der Arzt diese Information auf der eigenen Homepage zu eigen machte (a.a.O. S. 9). Die Fraktion der SPD hat sich mit ihrer Forderung, Ärztinnen und Ärzten zu ermöglichen, unmittelbar über die angewandten Schwangerschaftsmethoden auf der eigenen Homepage zu informieren, nicht durchgesetzt. Nach Auffassung der SPD-Fraktion sehe der gefundene Kompromiss aber die Möglichkeit vor, die Homepage der Ärztekammer zu verlinken oder eine Kopie dieser Informationen zitierend zu kopieren (a.a.O.).

dd) Auch von Verfassungs wegen ist die von der Verteidigung vorgebrachte einengende Auslegung nicht geboten. Das durch § 219a StGB statuierte Verbot, über § 219a Abs. 4 StGB hinausgehend Informationen zu verbreiten oder zu werben, stellt lediglich einen Eingriff auf unterster Ebene in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG dar und ist bloße Folge der Entscheidung für den Arztberuf (vgl. BVerfG 71, 162). Werbeverbote für freie Berufe, die - wie hier - die Berufsausübung beschränken, sind zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. BVerfG a.a.O. und BVerfGE 68, 272).

Auf der Grundlage dieses Maßstabs teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Angeklagten nicht. Insbesondere erweist sich das durch § 219a Abs. 1 i.V.m Abs. 4 StGB ausgesprochene strafbewehrte Verbot als angemessen. Die Einschränkung von ärztlichen Informationsrechten wird durch die in § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB beschriebene Möglichkeit, die Angaben in der nach § 13 Abs. 3 SchwKG zu führenden Liste als Zitat zu kennzeichnen oder eine (erkennbare) Verlinkung zur Seite der Bundesärztekammer herzustellen, auf ein minimales Eingriffsniveau abgesenkt. Soweit Ärzten durch § 219a StGB Werbung im engeren Sinn gänzlich untersagt wird, bestehen im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck, der Kommerzialisierung und der Darstellung eines Schwangerschaftsabbruchs als etwas Normalem entgegen zu wirken (vgl. BT-Drucks. 7/1981, S. 17), ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Unbenommen bleibt den Ärzten, Patientinnen im Beratungsgespräch über die von ihnen praktizierten Behandlungsmethoden zu informieren.

ee) Zu Unrecht verweisen die Angeklagten zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26. Juni 2019 (StV 2019, 309), denn dazu, ob § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB einer ihrer Auffassung entsprechenden Auslegung zugänglich ist, verhält sich das OLG Frankfurt nicht.

2. Die Angeklagte pp. handelte auch subjektiv tatbestandsmäßig, insbesondere um ihres Vermögensvorteils willen im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB.

a) Bei diesem Merkmal handelt es sich nicht um ein strafbegründendes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB, sondern umschreibt ein subjektives Tatbestandsmerkmal (vgl. Merkel in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch 5. Aufl., § 219a Rdn. 15). Es ist zwar im Sinne einer Bereicherungsabsicht zu verstehen (vgl. Kröger in LK-StGB 12. Aufl., Rdn. 7; Merkel a.a.O.; Gropp a.a.O., Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl., Rdn. 4; Eser/Weißer in Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl., Rdn. 12; alle zu § 219a StGB), aber unter besonderer Berücksichtigung der Ausgestaltung des § 219a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt.

a) Die angestrebte Bereicherung (hier die Honorarleistung der Patientinnen) kann entfernt sein, wie dies bei Werbemaßnahmen im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB in der Natur der Sache liegt. Es reicht aus, wenn der Täter das Ziel verfolgt, mit dem Angebot seiner Dienstleistung ein Honorar zu erzielen (vgl. BT-Drucksache 19/7693, S. 7; Fischer, StGB 66. Aufl., § 219a Rdn. 6; Kröger a.a.O.; Eser/Weißer in Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl., § 219a Rdn. 8; Lackner/Kühl a.a.O., § 219a Rdn. 4).

Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht daher das von den Patientinnen für den Schwangerschaftsabbruch zu entrichtende ärztliche Honorar als angestrebten Vermögensvorteil im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB angesehen. Dass Ärzte für ihre Leistungen ein angemessenes Honorar zu verlangen haben und ihnen nur in Ausnahmefällen gestattet ist, auf ein ärztliches Honorar zu verzichten (vgl. § 12 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin), hat darauf keinen Einfluss.

1. Gegen die verhängte Anzahl der Tagessätze ist nichts zu erinnern. Zwar lassen die Urteilsgründe fehlerhaft nicht erkennen, auf welchen Tatsachen das vom Amtsgericht ersichtlich zugunsten der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte „grundsätzliche Geständnis“ beruht, dies stellt aber keinen Rechtsfehler zum Nachteil von Frau pp. dar. Gleiches gilt im Ergebnis für die Feststellungen zur Höhe des einzelnen Tagessatzes, deren Grundlage das Amtsgericht geschätzt hat.

Nach § 40 Abs. 3 StGB können die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung des Tagessatzes geschätzt werden. Die Schätzungsbefugnis nach § 40 Abs. 3 StGB gilt, wenn der Angeklagte keine, unzureichende oder unzutreffende Angaben über seine finanziellen Verhältnisse macht (vgl. KG, Beschluss vom 9. Februar 2015 - (5) 161 Ss 8/15 - (3/15) - juris; Radtke in MüKo-StGB 3. Aufl., § 40 Rdn. 118 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Die Angeklagte hat keine Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Zwar hat das Amtsgericht versäumt, die tatsächliche Grundlage für die Bemessung der Tagessatzhöhe im Einzelnen darzustellen, aber der Gesamtheit der Urteilsgründe ist sie noch hinreichend deutlich zu entnehmen, so dass dem Senat die gebotene rechtliche Überprüfung der Tagessatzbildung möglich ist. (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Juni 2015 - 2 BvR 67/15 – juris; BGHSt 27, 230; BGH NJW 1993, 408; KG a.a.O.; StV 2005, 89; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Mai 2008 - 3 Ss 179/08 - juris m.w.N.; OLG Zweibrücken ZfSch 2017, 649; Radtke a.a.O. Rdn. 123 m.w.N.).

Danach hat die 56jährige Angeklagte ein Hochschulstudium der Humanmedizin absolviert und ist Fachärztin der Gynäkologie. Sie betreibt eine Gemeinschaftspraxis in S. Sie ist verheiratet, lebt in B. und ist gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig.

Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen hält die Höhe des Tagessatzes von 100 Euro der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

III.

Die zulässige Revision der Angeklagten pp. hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

1. Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt nur einer eingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht. Es darf die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (std. Rechtspr.; vgl. statt aller nur BGH NStZ 1983, 277, 278; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 267 StPO Rdn. 29 m.w.N.).

Kommt es auf die Auslegung einer Erklärung an, obliegt die Auslegung allein dem Tatgericht (BGHSt 40, 97; KG, Beschluss vom 30 August 2019 - (4) 121 Ss 62/19 (123/19) - m.w.N.). Dem Revisionsgericht ist eine eigene Würdigung selbst dann verwehrt, wenn der Inhalt der Erklärung wörtlich und vollständig im Urteil festgestellt ist. Aufgabe des Revisionsgerichts ist es, die Schlussfolgerungen, auf denen die Auslegung beruht, darauf zu überprüfen, ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lassen. Als Verstoß gegen ein Denkgesetz gilt auch, wenn der Tatrichter verkannt hat, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, und es unterlassen hat, sie gegeneinander abzuwägen (vgl. KG, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - (4) 121 Ss 161/12 (193/12) - m.w.N). Diesen Maßstab hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft bei der Auslegung des Textes über das ärztliche Leistungsspektrum nicht beachtet.

Nach dem in den Urteilsgründen wiedergegebenen Wortlaut der von beiden Angeklagten betriebenen Internetseite boten beide Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche als „unsere Leistungen“ an (s.o. I.). Diese Wortwahl und der Umstand, dass beide im tatrelevanten Zeitraum im Impressum aufgeführt waren, legen jedenfalls auch den Schluss nahe, dass (auch) die Angeklagte pp. eigene Leistungen angeboten hat. Das Tatgericht kommt jedoch, ohne sich damit auseinandergesetzt zu haben, zu der Annahme, die Angeklagte pp. biete fremde Leistungen, nämlich die Dienste der Angeklagten pp. an. Dies hat sich indes nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt.

Die Beweiswürdigung erweist sich im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite, namentlich zur Bereicherungsabsicht, als rechtsfehlerhaft. Da das Amtsgericht der Angeklagten pp., wie dargelegt, lediglich das Anbieten fremder Schwangerschaftsabbrüche zur Last legt, versteht sich deren durch § 219a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Bereicherungsabsicht nicht von selbst. Die diesbezügliche Beweiswürdigung ist lückenhaft. Denn sie belegt nicht, dass die Angeklagte pp. durch das tatbestandliche Handeln das Ziel verfolgt hat, ihre Vermögenslage günstiger zu gestalten. Weder aus dem Umstand, dass nur die Angeklagte pp. Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, noch aus dem Umstand, dass die Angeklagten eine Gemeinschaftspraxis betrieben und damit Kosten für Praxisräume und Personal gemeinsam tragen, lassen sich ohne Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte tragfähige Rückschlüsse auf eine Bereicherungsabsicht der Angeklagten pp. ziehen. Die Urteilsgründe lassen bereits nicht erkennen, ob beide Angeklagte von den durch die Angeklagte pp. aus Abbrüchen erlangten Honoraren unmittelbar partizipieren sollten. Feststellungen dazu hat das Amtsgericht nicht getroffen. Zwar kann das Betreiben einer Gemeinschaftspraxis bedeuten, dass beide Angeklagte auch eine Wirtschaftsgemeinschaft - so die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft - bildeten. Dieser Umstand lässt aber keinen tragfähigen Schluss auf eine etwaig vereinbarte Gewinnverteilung zwischen beiden Ärztinnen zu. Bei Werbung für fremde Dienste ist das beabsichtigte Ziel eigener Gewinnmehrung auch nicht so offensichtlich, dass es dazu keiner weiteren Angaben bedurfte.

Die Urteilsausführungen lassen zudem besorgen, dass das Amtsgericht aus dem Nachtatverhalten der Angeklagten Rückschlüsse auf die innere Tatseite der Angeklagten pp. zur Tatzeit (dem Veröffentlichen des Internetauftritts) gezogen hat, ohne die sich daraus ergebenden Auslegungsmöglichkeiten zu erörtern und ohne diese Angaben kritisch zu hinterfragen.

1. Auf diesem Fehler beruht das Urteil. Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil mit den Feststellungen gemäß § 353 Abs. 2 StPO bezüglich der Angeklagten pp. auf und verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.

IV.

Die Kostenentscheidung bezüglich der Angeklagten pp. beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung: Anmerkung: Die Nummerierung stammt so aus dem Original.


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