Gericht / Entscheidungsdatum: LG Duisburg, Beschl. v. 05.08.2020 - 33 Qs-153 Js 865/19-37/20
Leitsatz: Waren die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt, kommt auch eine nachträgliche Bestellung nach Beendigung des Verfahrens in Betracht.
33 Qs-153 Js 865/19-37/20
Landgericht Duisburg
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
hat die 3. Strafkammer des Landgerichts - Jugendkammer - Duisburg als Beschwerdekammer auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 22.06.2020 - Az: 11 Gs 2105/20 - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 05.08.2020 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 22.06.2020 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des ehemals Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Mit Schriftsatz vom 07.05.2020 (BI. 1225 f d.A.) hat sich Rechtsanwalt pp. als Verteidiger des ehemals Beschuldigten pp, der sich in einem anderen Verfahren der Staatsanwaltschaft Duisburg (294 Js 223/20) in Untersuchungshaft befand, bestellt und beantragt, diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Für den Fall seiner Beiordnung kündigte er die Niederlegung des Wahlverteidigermandats an. Mit weiteren Schriftsätzen vom 22.05.2020 (BI. 1237 d.A.) und 04.06.2020 (BI. 1253 d.A.) hat Rechtsanwalt pp.an den Beiordnungsantrag erinnert. Mit Verfügung vom 02.06.2020 hat die Staatsanwaltschaft Duisburg das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die zu erwartende Strafe aus dem Verfahren 294 Js 223/20 eingestellt.
Mit Beschluss vom 22.06.2020 (BI. 1267 d.A.) bestellte das Amtsgericht Duisburg Rechtsanwalt pp. rückwirkend zum 07.05.2020 als Pflichtverteidiger des ehemals Beschuldigten. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Duisburg am 26.06.2020 (BI. 1270 ff d.A.) sofortige Beschwerde eingelegt und diese näher begründet.
Die gemäß § 142 Abs. 7 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss zu Recht dem ehemals Beschuldigten pp. Rechtsanwalt pp. rückwirkend zum 07.05.2020 als Pflichtverteidiger bestellt.
Die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO waren zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt, weil sich der ehemals Beschuldigte in dem Verfahren 294 Js 223/20 in Untersuchungshaft befand.
Die Regelung in § 141 Abs. 1 S. 1 StPO, nach der nur dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, steht der Beiordnung nicht entgegen. Zwar hatte sich Rechtsanwalt bereits als Wahlverteidiger des ehemals Beschuldigten bestellt. Der bisherige Wahlverteidiger kann jedoch zum Pflichtverteidiger bestellt werden, wenn dieser wie hier - die Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der beantragten Bestellung als Pflichtverteidiger ankündigt (vgl. BT-Drucksache 19/13829, 36; OLG Oldenburg, Beschluss v. 20.04.2009, 1 Ws 235/09, zitiert nach juris; Krawczyk, in: BeckOK StPO, 37. Edition, § 141 Rn. 2).
Der Umstand, dass das Ermittlungsverfahren durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 02.06.2020 eingestellt worden ist, steht der Beiordnung ebenfalls nicht entgegen. Zwar kommt die nachträgliche Beiordnung eines Verteidigers nach dem endgültigen Abschluss des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in Betracht, so dass ein entsprechender Antrag unzulässig ist. Im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (vgl. Bundestag-Drucksache 19/13829 und 19/15151) muss eine rückwirkende Bestellung allerdings ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 1 StPO vorlagen und die Entscheidung durch interne Vorgänge, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte, unterblieben ist. Dies ist hier der Fall. Der Beiordnungsantrag vom 07.05.2020, an den mit Schriftsätzen vorn 22.05.2020 und 04.06.2020 erinnert wurde, wurde erst mit Verfügung vom 17.06.2020 nach der Einstellung des Verfahrens an das Amtsgericht weitergeleitet.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung steht auch die Ausnahmeregelung in § 141 Abs. 3 S. 1 StPO der nachträglichen Beiordnung nicht entgegen. Danach kann in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder, die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen. Hier liegt bereits kein Fall des § 141 Abs. 2 StPO (Bestellung ohne Antrag des Beschuldigten vor), so dass die Ausnahmeregelung nicht greift. Ungeachtet dessen kann nach dem Akteninhalt nicht davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg bereits ,zum Zeitpunkt der Antragstellung die alsbaldige Verfahrenseinstellung beabsichtigte. Denn mit Verfügung vom 12.05.2020 wurde dem Verteidiger des ehemals Beschuldigten Akteneinsicht gewährt und um Mitteilung gebeten, ob und wann eine Einlassung erfolgen werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Einsender: RA M. Rahmlow, Duisburg
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