Gericht / Entscheidungsdatum: LG Erfurt, Beschl. v. 27.04.2020 - 7 Qs 106/20
Leitsatz: Zur Wirksamkeit eines Strafbefehls, der als Rechtsfolge nur die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnet.
Landgericht Erfurt
7 Qs 106/20
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Erfurt durch Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Amtsgericht und die Richterin am Landgericht am 27.04.2020 beschlossen:
I.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 26.03.2020 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen.
Gründe:
l. Am 25.11.2019 erließ das Amtsgericht Weimar gegen den Verurteilten einen Strafbefehl wegen Trunkenheit im Verkehr. Entsprechend des Antrags der Staatsanwaltschaft wurde eine Strafe nicht festgesetzt, sondern es wurde lediglich die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt. Mangels Einspruchs gegen den dem Verteidiger am 25.11.2019 zugestellten Strafbefehl wurde der Strafbefehl am 30, 12.2019 mit dem Vermerk über die am 20.12.2019 eingetretene Rechtskraft versehen.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat daraufhin beim Amtsgericht Weimar beantragt, den Rechtskraftvermerk bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs nach Anhörung des Angeklagten zu streichen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass im Falle einer unvollständig festgesetzten Geldstrafe diese nicht in Rechtskraft erwachsen könne (BGH 4 StR 599/80). Unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. März 1984, wurde zudem ausgeführt, dass ein Strafbefehl, der versehentlich keine Festsetzung von Rechtsfolgen enthalte, unwirksam und unbeachtlich sei.
Mit weiterer Stellungnahme vom 23.03.2020 wird ausgeführt, der Strafbefehl sei einem Nichturteil" gleichzusetzen, da eine Vollstreckung nicht möglich sei.
Aus dem Verfahrensgang sei eine beabsichtigte Entscheidung nach § 153 b StGB nicht erkennbar, so dass auch eine Entscheidung nach § 60 StGB nicht ergangen sei. Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot sei ebenfalls nicht gegeben, da der Strafbefehl gerade keine Rechtsfolge enthalte, die sich durch eine neue Entscheidung nachteilig verschlechternd auswirken könnte.
Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 27.012020 unter Hinweis auf BGHSt 12, 374 im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Urteil nur bei offensichtlicher, versehentlicher Unrichtigkeit korrigiert werden könne. Die im Strafbefehl verhängte Nebenfolge sei einer Sanktion gleichzustellen.
Das Amtsgericht Weimar hat unter dem 12.02.2020 ausgeführt, dass die von der Staatsanwaltschaft vertretene Auffassung und die entsprechende Rechtsprechung nicht den vorliegenden Fall betreffe.
Der Strafbefehl sei im Hinblick auf § 60 StGB und der daneben bestehenden Möglichkeit der Entscheidung zum Fahrerlaubnisentzug grundsätzlich der Rechtskraft fähig. In diesem Fall wäre der Strafbefehl insoweit fehlerhaft, als dass das Absehen von Strafe entgegen § 260 Abs. 4 StPO nicht im Tenor enthalten wäre. Es käme lediglich darauf an, ob der Strafbefehlstenor in Rechtskraft erwachsen konnte, was vorliegend der Fall sei. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft würde dazu führen, dass auch jede unterbliebene Entziehung der Fahrerlaubnis nachgeholt werden könne. Da zudem nicht erkennbar sei, was das Gericht gewollt und entschieden habe, komme auch eine Korrektur wegen offensichtlicher Unrichtigkeit nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 26.03.2020 hat das Amtsgericht Erfurt den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Streichung des Rechtskraftvermerks zurückgewiesen. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Stellungnahme vom 12.02.2020 ausgeführt, der Strafbefehl sei in der vorliegenden Form der Rechtskraft fähig und mangels Einspruchs rechtskräftig geworden. Eine mögliche andere Intention bei Antragstellung und bej Erlass des Strafbefehls sei ohne Belang.
Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Erfurt Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht Weimar nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 304, 306 StPO statthaft und zulässig.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Gemäß § 409 Abs. 1 Nr. 6 StPO enthält der Strafbefehl u.a. die Festsetzung der Rechtsfolgen. Dabei muss die Festsetzung der Rechtsfolgen so eindeutig sein, dass aus dem Strafbefehl vollstreckt werden kann. Ist die Festsetzung der Rechtsfolgen so ungenau, dass eine Vollstreckung des Strafbefehls nicht möglich ist, fehlt die Festsetzung von Rechtsfolgen ganz oder wird eine nach § 407 Abs. 2 unzulässige Rechtsfolge festgesetzt, werden, wenn - wie hier - kein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird, bezüglich der Wirksamkeit des Strafbefehls unterschiedliche Ansichten vertreten:
Teilweise wird in dem Fall der fehlenden Rechtsfolgenbestimmung vertreten, dass der Strafbefehl unwirksam und unbeachtlich sei und ein neuer Strafbefehl erlassen werden könne (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. März 1984 - 2 Ss 109/84 - 47/84 , juris; KMR-Metzger, StPO, A., § 409, Rdnr. 20; Brauer in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 409 Rdnr, ; Temming in BeckOK-StPO, § 409 Rdnr. 7; Maur in FKK-StPO, § 409 Rdnr, 24; Pfeiffer, StPO, 4.A., § 409 Rdnr. 1 1; nach Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. A., § 409 Rdnr. 17 Nichtigkeit des Strafbefehls).
Nach a.A. führt das Fehlen der Festsetzung der Rechtsfolgen nicht zu der Unwirksamkeit des Strafbefehls, sodass es auch unzulässig sei, zu demselben Tatvorwurf einen neuen Strafbefehl zu erlassen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. A., § 409 Rdnr. 7).
Vorliegend kommt es aufgrund der im vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Fallgestaltung auf den Meinungsstreit nicht an. Die Entscheidung BGH 4 StR 599/80 betrifft die Nichtfestsetzung der Tagessatzhöhe einer Einzelgeldstrafe, ohne dass eine weitere Rechtsfolge verhängt worden war. Gegenstand der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.03.1984 war ein Strafbefehl, er versehentlich keine Rechtsfolgen enthielt.
Hier enthält, worauf das Amtsgericht Weimar zu Recht hinweist, der Strafbefehl eine Rechtsfolge, nämlich die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Rechtsfolge i.d.S. sind ausweislich der Überschrift des Dritten Abschnitts des StGB Rechtsfolgen der Tat" die in diesem Abschnitt in §§ 38 bis 76 a StGB aufgeführten Regelungen.
Die Verhängung einer derartigen Maßregel der Besserung und Sicherung ist auch isoliert im Falle des Absehens von Strafe (§ 60 StGB) möglich (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 09. Februar 1972 - RReg 5 St 149/71 juris; Fischer, StGB, 67. A., § 60 Rdnr. 7), insbesondere auch im Wege des Strafbefehls (vgl. Schönke-Schröder-Kinzig, StGB, 30.A, § 60 Rdnr. 11).
Somit ist der vorliegende Strafbefehl grundsätzlich der Rechtskraft fähig, da in der Regel zwischen einem Absehen von Strafe und der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis kein untrennbarer innerer Zusammenhang besteht (OLG Hamm, Urteil vom 14. Dezember 1971 - 5 Ss 1010/71, juris).
Es liegen auch sonst keine Gründe für eine Durchbrechung der Rechtskraft vor.
Zwar können nach der Rechtsprechung Urteile und andere gerichtliche Entscheidungen in seltenen Ausnahmefällen nichtig sein, nämlich dann, wenn sie an einem derart schweren Mangel leiden, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen, und der Mangel für einen verständigen Beurteiler offen zutage liegt (OLG Koblenz, Beschluss vom 06. Juli 1998 2 Ss 84/98 Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rdnr. 103 m.w.N.).
Dies ist bei einem Strafbefehl, durch den zwar in der Regel Geldstrafen verhängt werden, in dem Fall, dass durch ihn "nur" ein Nebenfolge festgesetzt wird, nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 2 StPO.
Einsender: RA J. Goldstein, Erfurt
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