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Entscheidungen

Zivilrecht

Kaskoversicherung, arglistige Obliegenheitsverletzung, verweigertes Auslesen der Fahrzeugdaten

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Urt. v. 26.3.2020 – 24 O 236/19

Leitsatz: 1. Verweigert der Versicherungsnehmer trotz Aufforderung seiner Kaskoversicherung, das Auslesen der Daten zur Unfallrekonstruktion aus seinem Fahrzeug zu gestatten und veräußert er dieses vielmehr zeitnah ins Ausland, wo es nicht weiter untersucht werden kann, verletzt er seine Obliegenheit aus Ziffer E 1.3 AKB.
2. Diese Obliegenheitsverletzung erfolgt arglistig, wenn der Versicherungsnehmer dabei wiederholt zum Auslesen aufgefordert wird und das Fahrzeug zeitnah veräußert, um nach eigenen Angaben zu verhindern, dass die Versicherung Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten ziehen kann.


24 O 236/19

Landgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
In dem Rechtsstreit
pp.

hat die 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln aufgrund mündlicher Verhandlung vom 05.03.2020 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Landgericht für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages.

Tatbestand

1. Der Kläger unterhielt seit dem 07.01.2019 für seinen PKW Audi A 8 mit dem amtlichen Kennzeichen pp. bei der Beklagten u.a. eine Kfz-
Vollkaskoversicherung (Anl. K 5, AnIH II), der zugrunde lagen die „Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB), Stand 01.04.2018" (nur vorgelegt mit Stand 01.10.2017; Anl. B 15, AnIH II).

In der Vollkaskoversicherung ist eine Selbstbeteiligung von 300 € vereinbart.

2. Am 11.02.2019, 0.00 Uhr, nahm die Polizei in Wiehl auf der L 336 in Höhe Biebersteiner Stausee einen Kfz-Unfall mit dem Kläger als einzigem Beteiligten auf, der ausweislich der Unfallmitteilung (BI. 2-3 BA) angab, er sei bei Schneeregen nach links von der Fahrbahn abgekommen, habe sein Fahrzeug nicht unter Kontrolle bekommen und habe sowohl die Leitplanke auf der linken Straßenseite als auch diejenige auf der rechten Seite touchiert.

3. Der Kläger meldete den Unfall auch der Beklagten.

Die Beklagte holte zur Schadenshöhe ein Gutachten des Sachverständigen pp. vom 18.02.2019 (Anl. K 1, AnIH I) ein.

Einen Schadensmeldebogen füllte der Kläger am 19.02.2019 (Anl. B 2, AnIH II) aus.

Zum Zwecke der Unfallrekonstruktion schaltete die Beklagte den Sachverständigen pp. ein, der in seinem Gutachten vom 30.07.2019 (Anl. B 4, AnIH II) u.a. zu dem Ergebnis gelangte, dass ein Ausbrechen des Fahrzeuges aus seiner Spur angesichts der vorhandenen Fahrerassistenzsysteme nicht erklärbar sei.

Im Rahmen des von dem Sachverständigen pp. durchgeführten Ortstermins vom 06.03.2019 verweigerte der Kläger eine Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf den Zustand der elektronischen Hilfs- und Assistenzsysteme.

Mit Schreiben vom 21.03.2019 (Anl. B 6, AnIH II) bat die Beklagte den Kläger unter Übersendung eines entsprechenden Formulars um Zustimmung zu einer Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers.

Diese lehnte der Kläger mit Schreiben vom 10.04.2019 (AnI. B 8, AnIH II) ab, wobei er u.a. ausführte: „Diese kann ich Ihnen jedoch nicht unterzeichnet zurücksenden, da die in der Erklärung aufgeführten Punkte einen erheblichen Eingriff in meine Privatsphäre darstellen."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2019 (AnI. K 2, AnIH I) forderte der Kläger die Beklagte zur Regulierung bis zum 03.06.2019 auf.

Unter dem 06.06.2019 (AnI. K 3, AnIH I) bestritt die Beklagte den vom Kläger behaupteten Schadenshergang und lehnte eine Regulierung ab.
Der Kläger behauptet, er habe in der Nacht vom 10.02.2019 auf den 11.02.2019 auf der L 336 in Höhe des Biebersteiner Stausees in Wiehl einen Unfall erlitten.

Es habe bei einer Temperatur von -1°C zunächst geregnet, dann sei der Regen in Schnee übergegangen.

In einer Linkskurve sei er nach links auf die Gegenfahrbahn abgekommen, weil er dadurch abgelenkt gewesen sei, dass ihm gerade zuvor ein USB-Stick in den Fußraum gefallen gewesen sei und er sich reflexartig danach gebückt habe.

Als sein Fahrzeug auf der linken Seite mit der Leitplanke der Gegenfahrbahn' kollidiert sei, habe er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren.

Er habe es aber geschafft, das Fahrzeug auf seine eigene Fahrbahn zurückzulenken. Allerdings sei er hierbei auf der rechten Seite leicht mit der Leitplanke seiner Fahrbahn kollidiert.

Die Beklagte sei verpflichtet, ihm die unfallbedingt erlittenen Beschädigungen des Fahrzeugs zu ersetzen.

Mit Kaufvertrag vom 24.06.2019 (Anl. K 7, BI. 80 GA) habe er das Fahrzeug unrepariert nach Polen verkauft, weil er dringend Geld benötigt habe.

Zum Käufer habe er keinen Kontakt mehr und gehe daher davon aus, dass es keine Möglichkeit mehr gebe, das Fahrzeug zu untersuchen.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass durch Auslesung der entsprechenden Fehlermeldungen überprüft werden könne, ob und in welchem Umfang Assistenzsysteme zum Unfallzeitpunkt einsatzbereit gewesen seien.

Er befürchte, dass seitens der Beklagten bei einer Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers Datenschutzverletzungen begangen würden, insbesondere deshalb, weil die Beklagte aus diesen Daten Rückschlüsse auf das Fahrverhalten des Klägers ziehen könne.

Durch eine Auslesung hätte die Beklagte auch zahlreiche andere Informationen erlangen können, die jedoch für die Prüfung ihrer Einstandspflicht nicht notwendig seien.

Das Auslesen der Fahrzeugdaten sei für die Prüfung der Einstandspflicht der Beklagten nicht erforderlich.

Zu einer teilweisen Auslesung der Fahrzeugdaten wäre er vorgerichtlich bereit gewesen, jedoch nicht zu der von der Beklagten verlangten kompletten Auslesung aller Fahrzeugdaten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 15.389,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 04.06.2019 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Anwaltskosten der Kanzlei pp. Rechtsanwälte in Höhe von 526,58 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es sprächen Indizien dafür, dass es sich um ein manipuliertes Unfallereignis mit einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles handele.

Aus technischer Sicht bestünden erhebliche Bedenken gegen den vom Kläger behaupteten Unfallhergang.

Insbesondere sei ein Ausbrechen des Fahrzeuges zu Beginn der Kurve wegen der am Fahrzeug des Klägers vorhandenen Assistenzsysteme und des ESP ausgeschlossen, weil das Fahrzeug aufgrund der vorhandenen Assistenzsysteme und elektronischen Fahrhilfen in der Spur gehalten werde.

Da der Kläger - unstreitig - eine Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers abgelehnt habe, sei eine Rekonstruktion des Fahrverhaltens und die Prüfung der Funktionstüchtigkeit der Assistenzsysteme und elektronischen Fahrhilfen nicht möglich.

Da der Kläger nach E.1.3. AKB verpflichtet sei, diese Überprüfung zuzulassen, sei die Beklagte jedenfalls wegen einer arglistigen Aufklärungsobliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der in Kopie bis BI. 37 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akte
Landrat Oberbergischer Kreis Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Entschädigungsanspruch nach A.2.3.2, A.2.7.1 AKB. Keine Partei hat vorgetragen, dass die vorgelegten AKB in den entscheidungserheblichen Passagen mit den vorgelegten AKB entsprechen würden.

Die Beklagte ist nach E.5.2 AKB i.V.m, § 28 Abs. 2 WG leistungsfrei.

Der Kläger hat seine Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.3. AKB arglistig verletzt.

Danach hat der Kläger der Beklagten Untersuchungen zu den Umständen des Schadensereignisses sowie zu ihrer Leistungspflicht zu ermöglichen, soweit ihm dies zumutbar ist.

Durch seine Weigerung, den Fahrzeugdatenspeicher auslesen zu lassen, hat der Kläger hiergegen verstoßen.

Die Beklagte hatte an der Auslesung ein auf der Hand liegendes berechtigtes Interesse, weil diese Aufschluss über etwa aufgetretene technische Fehler geben konnte, die der Beklagten im Rahmen ihrer Regulierungsprüfung eine Einschätzung erlaubte, ob es sich um ein manipuliertes Schadensereignis handelt oder nicht.

Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass dem Kläger die Gestattung der Speicherauslesung unzumutbar gewesen wäre. Soweit er darauf abstellt, dass die Beklagte aus der Auslesung Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten ziehen könnte, macht er deutlich, dass ihm klar war, um was es geht, und dass er eben dies durch seine Weigerung verhindern und der Beklagten eine wichtige Erkenntnisquelle für ihre Regulierungsprüfung verschließen wollte.

Dieses Verhalten des Klägers war arglistig, weil er erkennbar auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten Einfluss nehmen wollte, zumindest in der Form, die Prüfung aufgrund verringerter Tatsachenbasis für sich unkomplizierter und zügiger zu gestalten.

Dafür, dass die Beklagte die Auslesung begehrt hat, um für die Regulierung irrelevante Informationen zu erlangen, ist nichts ersichtlich.

Selbst wenn man von einer nur vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheitsverletzung des Klägers ausgehen würde, bliebe es bei der Leistungsfreiheit der Beklagten. Das Fahrzeug ist nach Polen verkauft und der Kläger geht selbst davon aus, dass das Fahrzeug für eine Untersuchung nicht zur Verfügung steht. Folglich kann er auch den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.


Einsender: RA M. Nugel, Essen

Anmerkung:


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