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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Strafschärfungsgrund, Zulässiges Verteidigungsverhalten

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 27.01.2020 – (2) 161 Ss 202/19 (47/19)

Leitsatz: Die Einlassung des Angeklagten, seine Nachricht ("Du asoziales Stück Sch.“) sei nicht für das in der Anklage bezeichnete Beleidigungsopfer bestimmt gewesen, son-dern habe sich auf eine dritte Person bezogen, stellt zulässiges Verteidigungsverhalten dar, das nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf.


Beschluss

(2) 161 Ss 202/19 (47/19)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Beleidigung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 27. Januar 2020 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. September 2019 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je XX Euro verurteilt.

Das Amtsgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass der Angeklagte am 29. März 2019 um 22:36 Uhr in Berlin von seinem Mobiltelefon der Zeugin B. per Whats-App die Nachricht „Hole mir jeden Euro von dir persönlich zurück! Du asoziales Stück Scheiße“ übersandte. Die Nachricht war allerdings – wie die Zeugin B. sofort erkannte – vom Angeklagten für die Zeugin A. bestimmt, weshalb die Zeugin B. dieser die Nachricht weiterleitete und die Zeugin A. die Nachricht zur Kenntnis nahm.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die Sprungrevision ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 335 Abs. 1 StPO) und fristgerecht erhoben.

Sie hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Die – mit der Sachrüge beanstandete – Beweiswürdigung ist allein Sache des Tatrichters, das Revisionsgericht hat diese grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 337 Rn. 26 mwN). Rechtsfehler sind in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 1 StrR 438/18 – juris). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 1 StR 365/16 – juris mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NJW 2008, 2792 mwN), dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1994 – 5 StR 453/94 – juris; KG, Beschluss vom 8. Juli 2015 – [3] 121 Ss 69/15 [47/15] – juris mwN). Auf die Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht, ob das Gericht alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu entnehmen sind, erschöpfend in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 495/10 – juris mwN). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. BGH StraFo 2016, 110 mwN).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand; sie stellt sich insbesondere nicht als lückenhaft dar. Das Amtsgericht hat sich die Überzeugung von der Tat sowie der Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerfrei aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Beweiswürdigung bedeutsamen Umstände verschafft. Es hat sowohl die Einlassung des Angeklagten als auch die Aussagen der Zeuginnen A. und B. in den Urteilsgründen umfassend dargestellt, einer kritischen Würdigung unterzogen und zueinander in Beziehung gesetzt.

Die getroffenen Feststellungen stellen eine hinreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts dar. Insbesondere hat sich das Amtsgericht eingehend, nämlich über nahezu fünf Seiten (vgl. UA S. 4 bis 8) damit auseinandergesetzt, weshalb Adressatin der an die Zeugin B. versandten Whats-App-Nachricht tatsächlich die Zeugin A. gewesen sei.

Unbeachtlich ist, dass das Amtsgericht nicht sicher festzustellen vermochte, warum der Angeklagte die WhatsApp-Nachricht nicht unmittelbar an die Zeugin A. gesendet hat. Hierzu hat das Tatgericht ausgeführt, der Angeklagte habe möglicherweise erkannt, dass die Zeugin A. seine Kontaktmöglichkeiten zu ihr per Telefon, E-Mail und Whats-App gesperrt hatte (vgl. UA S. 6 f.). Dass das Amtsgericht nicht in der Lage war, dies und somit die Beweggründe des Angeklagten für das Versenden der Nachricht an die Zeugin B. sicher festzustellen, liegt nicht an einer lückenhaften Beweiswürdigung, sondern daran, dass Beweggründe als innere Tatsachen, sofern der Angeklagte selbst sie nicht preisgibt, in der Regel nicht sicher festgestellt werden können. Dessen bedurfte es hier indes auch nicht. Denn im Urteil müssen – lediglich – die Elemente der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld durch Tatsachen belegt werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 2. Mai 2018 – III-1 RVs 83/18 – juris; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Februar 2002 – 2 Ss 913/01 – juris). Die Gründe, die den Angeklagten nach der Beweiswürdigung des Amtsgerichts dazu bewogen haben, die verfahrensgegenständliche Whats-App-Nachricht an die Zeugin B. und nicht unmittelbar an die Zeugin A. zu schicken, zählen indes nicht zu den im Urteil festzustellenden (inneren) Tatbestandsvoraussetzungen des § 185 StGB.

Weiterhin hat das Amtsgericht – entgegen der Ansicht der Revision – hinreichende Feststellungen dazu getroffen, warum ihm die von dem Angeklagten behauptete enge persönliche Beziehung zu der Zeugin B. unplausibel erscheint, nämlich insbesondere deshalb, weil nach den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils seit August 2015 kein Kontakt mehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B. bestand (vgl. UA S. 5). Dass sich das Amtsgericht im Zusammenhang mit dem – ausweislich der Urteilsfeststellungen – durch den Angeklagten behaupteten engen beruflichen Vertrauensverhältnis zur Zeugin B. nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Angeklagte … nach seiner beruflichen Trennung von der Zeugin A. im August 2015 finanziell in der Lage gewesen wäre, der Zeugin B. ein dem von der X GmbH gezahlten Gehalt entsprechendes zu zahlen, führt zu keinen lückenhaften Feststellungen. Denn das Amtsgericht hat schlüssig dargelegt, dass bei der von dem Angeklagten behaupteten engen beruflichen Beziehung zur Zeugin B. zu erwarten gewesen sei, dass er zumindest versucht hätte, sie nach seiner beruflichen Trennung von der Zeugin A. im August 2015 abzuwerben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zeugin B. nach den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil seit dem Jahr 1999 als Assistentin des Angeklagten und erst seit dem Jahr 2010 (auch) für die Zeugin A. tätig war, sind die vom Amtsgericht gezogenen Schlussfolgerungen plausibel. Wenn das Arbeitsverhältnis so eng und vertrauensvoll war, wie der Angeklagte ausgeführt hat, wäre durchaus zu erwarten gewesen, dass er versucht hätte, die Zeugin B. nach der beruflichen Trennung von der Zeugin A. wieder an sich zu binden, gegebenenfalls auch zu einem geringeren Gehalt als es der Zeugin bei der X GmbH im Zeitpunkt des Ausscheidens des Angeklagten gezahlt wurde.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht zudem ausgeführt, dass die Whats-App-Nachricht im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Urteil stand, durch das unter anderem der Angeklagte persönlich zur Zahlung an die X GmbH verurteilt wurde, deren Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Zeugin A. ist. Da der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts im Tatzeitpunkt keine Rückzahlungsansprüche gegen die Zeugin B. hatte, war es – entgegen der Auffassung der Revision – keineswegs naheliegend, anzunehmen, der Angeklagte habe „nicht rechtlich geprüft bzw. durchdacht […] nach ein bis zwei Gläsern Rotwein geglaubt, die Zeugin B. für den ihm subjektiv zugefügten Schaden finanziell in Anspruch nehmen zu können.“, zumal der Angeklagte Entsprechendes ausweislich der Urteilsfeststellungen auch nicht vorgetragen hat. Als Geschäftsmann hätte der Angeklagte auch ohne rechtliche Prüfung (und auch nach dem Genuss von ein oder zwei Gläsern Wein) unschwer erkennen können, dass ein Rückzahlungsanspruch im Hinblick auf die im Zivilprozess ausgeurteilte Summe gegenüber der Zeugin B., die ausweislich der Urteilsfeststellungen lediglich als Assistentin bei der X GmbH beschäftigt war (vgl. UA S. 3 und 5), und über deren Tätigkeiten im Zivilprozess der Angeklagte im Tatzeitpunkt überhaupt keine Erkenntnisse hatte (vgl. UA S. 7), nicht besteht.

Soweit die Revision rügt, das Amtsgericht habe gegen einen Erfahrungssatz verstoßen, indem es ausführt, „typischerweise sei zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte direkt nach der Urteilsverkündung zumindest die Zeugin B. neben der Zeugin A. gegenüber der Presse im Sinne eines Boykotts bezichtigt hätte“ (UA S. 8), hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Annahme einer „typischen Verhaltensweise“ nicht um einen allgemeingültigen Verfahrenssatz handelt. Vielmehr sind „typische Verhaltensweisen“ nur statistische Erfahrungssätze. Allerdings enthalten diese – worauf die Revision zutreffend hinweist – lediglich Wahrscheinlichkeitsregeln mit der Folge, dass ein ihnen entsprechendes Ergebnis zwar naheliegend erscheint, aber keine Gewissheit erlangt. Dementsprechend muss ihre Anwendbarkeit im konkreten Fall festgestellt werden, wofür es zusätzlicher Tatsachen bedarf (vgl. Eisenberg NStZ 2010, 125, 127). Diese weiteren Tatsachen hat das Amtsgericht – wie bereits ausgeführt – ausführlich (vgl. UA S. 4 bis 8 erster Absatz) und rechtsfehlerfrei festgestellt und daraus in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise insgesamt die Schlussfolgerung gezogen, dass Adressatin der an die Zeugin B. versendeten Whats-App-Nachricht die Zeugin A. war.

Soweit die Revision sich gegen diese Schlussfolgerung des Amtsgerichts wendet, unternimmt sie den Versuch, die Beweiswürdigung des Amtsgerichts durch eine eigene zu ersetzten. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden (vgl. KG, Beschluss vom 24. Mai 2019 – 3 Ws (B) 137/19 – juris; Senat, Urteil vom 19. Februar 2018 – [2] 161 Ss 125/17 [27/17]).

Die Urteilsgründe lassen ferner erkennen, dass das Gericht alle Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Soweit die Revision beanstandet, das Amtsgericht habe im Hinblick auf die zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin A. das offensichtliche Eigeninteresse der Zeuginnen A. und B. am Verfahrensausgang nicht berücksichtigt, hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht auch keinen Anlass hatte, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen und deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Denn in den – allein maßgeblichen – Urteilsgründen ergibt sich kein Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen und der Einlassung des Angeklagten zu den objektiven Geschehensabläufen. Das Versenden der Whats-App-Nachricht an die Zeugin B. hat der Angeklagte selbst eingeräumt. Die Schlussfolgerung im Hinblick auf den Adressaten der durch den Angeklagten versandten Whats-App-Nachricht hat das Gericht auf der Grundlage dieser im Urteil festgestellten objektiven Geschehensabläufe gezogen.

2. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs erweist sich das angefochtene Urteil indes als fehlerhaft, weshalb es insoweit keinen Bestand haben kann.

a) Im Rahmen der Strafzumessung ist es ureigene Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung bedeutet dies, dass im Hinblick auf den Spielraum des Tatrichters bei der Strafzumessung eine exakte Richtigkeitskontrolle zwar nicht möglich ist, Strafzumessungserwägungen die Revision jedoch dann auslösen können, wenn sie rechtsfehlerhaft sind. Das ist dann der Fall, wenn das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafrahmenwahl 1), der dem Urteil zugrunde gelegte Strafrahmen nicht nachvollziehbar ist oder wenn die für das Strafmaß materiell-rechtlich maßgeblichen Leitgesichtspunkte (§ 46 StGB) nicht richtig gesehen oder nicht zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGHSt 15, 372, 375; BGHSt 27, 2, 3; BGHSt 29, 319, 320).

b) Der Rechtsfolgenausspruch erweist sich danach als rechtsfehlerhaft, da das Amtsgericht ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu seinem Nachteil berücksichtigt hat.

Ein zulässiges Verteidigungsverhalten darf dem Angeklagten nicht angelastet werden (vgl. Fischer, StGB 67. Aufl., § 46 Rn. 53 mwN). Das Amtsgericht hat jedoch zur Strafzumessung an hervorgehobener Stelle zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass dieser sich dahingehend verteidigt habe, die Nachricht sei nicht für die Geschädigte A., sondern „nur“ für die Zeugin B. bestimmt gewesen. Dies zeige, dass der Angeklagte keine sonderliche Unrechtseinsicht aufweise (vgl. UA S. 9). Sein Verteidigungsverhalten wird jedoch ausgehöhlt, wenn der Angeklagte befürchten muss, das Bestreiten der ihm konkret zur Last gelegten Tat – hier des Umstandes, dass Adressatin der Whats-App-Nachricht die Zeugin A. war – werde sich in einem eventuellen Strafprozess negativ auswirken (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30. Juli 2013 – III-5 RVs 59/13 – juris; Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl. Rn. 480 mwN).
Das Verteidigungsverhalten des Angeklagten hat vorliegend die Grenze zur Unzulässigkeit auch nicht überschritten. Ein solches Prozessverhalten straferhöhend heranzuziehen, wäre nur dann zulässig, wenn es Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 3 StR 231/19 – juris; Urteil vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12 – juris; Beschluss vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95 – juris; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20; BGHR StGB 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 12). Gibt ein Angeklagter – wie im vorliegenden Fall – den äußeren Tathergang im Wesentlichen zu, beruft er sich aber auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10 – juris; Urteil vom 30. Juni 1982 – 2 StR 226/82 – juris), darf dies nicht strafverschärfend berücksichtigt werden, weil er dadurch seine Verteidigungsposition gefährden müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 4 StR 320/18 – juris mwN). Ebenso wie der Angeklagte befugt ist, seine Taten zu leugnen, ist er befugt, seine Taten abzuschwächen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2019 – [1] 53 Ss 22/19 [33/19] – juris). Die Grenze zulässigen Verteidigungsverhaltens wird erst dann überschritten, wenn sich hieraus eine Rechtsfeindschaft ableiten ließe. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts als fehlerhaft dar.
Auch wenn das Amtsgericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen – mithin aus dem unteren Bereich des Strafrahmens – festgesetzt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese für sich genommene sehr maßvolle Rechtsfolge auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), zumal § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die Angabe der „bestimmenden“ Umstände vorschreibt.

3. Wegen des Mangels im Rechtsfolgenausspruch hebt der Senat das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 349 Abs. 4 StPO auf und verweist die Sache insoweit nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
Im Übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

III.

Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sachentscheidung insgesamt zu befinden haben.



Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsge-richts Tiergarten vom 26. September 2019 im Rechtsfolgen-ausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurück-verwiesen.

G r ü n d e:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten we-gen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je XX Euro verurteilt.

Das Amtsgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass der Angeklagte am 29. März 2019 um 22:36 Uhr in Berlin von seinem Mobiltelefon der Zeugin B. per Whats-App die Nachricht „Hole mir jeden Euro von dir persönlich zurück! Du asoziales Stück Scheiße“ übersandte. Die Nachricht war allerdings – wie die Zeugin B. sofort erkann-te – vom Angeklagten für die Zeugin A. bestimmt, weshalb die Zeugin B. dieser die Nachricht weiterleitete und die Zeugin A. die Nachricht zur Kenntnis nahm.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die Sprungrevision ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 335 Abs. 1 StPO) und frist-gerecht erhoben.

Sie hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Er-folg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs hat keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Die – mit der Sachrüge beanstandete – Beweiswürdigung ist allein Sache des Tatrichters, das Revisionsgericht hat diese grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., § 337 Rn. 26 mwN). Rechtsfehler sind in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 1 StrR 438/18 – juris). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. September 2017 – 1 StR 365/16 – juris mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH NJW 2008, 2792 mwN), dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1994 – 5 StR 453/94 – juris; KG, Beschluss vom 8. Juli 2015 – [3] 121 Ss 69/15 [47/15] – juris mwN). Auf die Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht, ob das Gericht alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu entnehmen sind, erschöpfend in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 495/10 – juris mwN). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. BGH StraFo 2016, 110 mwN).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand; sie stellt sich insbesondere nicht als lückenhaft dar. Das Amtsgericht hat sich die Überzeugung von der Tat sowie der Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerfrei aufgrund einer Gesamtwürdigung aller für die Beweiswürdigung bedeutsamen Umstände verschafft. Es hat sowohl die Einlassung des Angeklagten als auch die Aussagen der Zeuginnen A. und B. in den Urteilsgründen umfassend dargestellt, einer kritischen Würdigung unterzogen und zueinander in Beziehung gesetzt.

Die getroffenen Feststellungen stellen eine hinreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts dar. Insbesondere hat sich das Amtsgericht eingehend, nämlich über nahezu fünf Seiten (vgl. UA S. 4 bis 8) damit auseinandergesetzt, weshalb Adressatin der an die Zeugin B. versandten Whats-App-Nachricht tatsächlich die Zeugin A. gewesen sei.

Unbeachtlich ist, dass das Amtsgericht nicht sicher festzustellen vermochte, warum der Angeklagte die WhatsApp-Nachricht nicht unmittelbar an die Zeugin A. gesendet hat. Hierzu hat das Tatgericht ausgeführt, der Angeklagte habe möglicherweise erkannt, dass die Zeugin A. seine Kontaktmöglichkeiten zu ihr per Telefon, E-Mail und Whats-App gesperrt hatte (vgl. UA S. 6 f.). Dass das Amtsgericht nicht in der Lage war, dies und somit die Beweggründe des Angeklagten für das Versenden der Nachricht an die Zeugin B. sicher festzustellen, liegt nicht an einer lückenhaften Beweiswürdigung, sondern daran, dass Beweggründe als innere Tatsachen, sofern der Angeklagte selbst sie nicht preisgibt, in der Regel nicht sicher festgestellt werden können. Dessen bedurfte es hier indes auch nicht. Denn im Urteil müssen – lediglich – die Elemente der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld durch Tatsachen belegt werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 2. Mai 2018 – III-1 RVs 83/18 – juris; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Februar 2002 – 2 Ss 913/01 – juris). Die Gründe, die den Angeklagten nach der Beweiswürdigung des Amtsgerichts dazu bewogen haben, die verfahrensgegenständliche Whats-App-Nachricht an die Zeugin B. und nicht unmittelbar an die Zeugin A. zu schicken, zählen indes nicht zu den im Urteil festzustellenden (inneren) Tatbestandsvoraussetzungen des § 185 StGB.

Weiterhin hat das Amtsgericht – entgegen der Ansicht der Revision – hinreichende Feststellungen dazu getroffen, warum ihm die von dem Angeklagten behauptete enge persönliche Beziehung zu der Zeugin B. unplausibel erscheint, nämlich insbesondere deshalb, weil nach den Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils seit August 2015 kein Kontakt mehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B. bestand (vgl. UA S. 5). Dass sich das Amtsgericht im Zusammenhang mit dem – ausweislich der Urteilsfeststellungen – durch den Angeklagten behaupteten engen beruflichen Vertrauensverhältnis zur Zeugin B. nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Angeklagte … nach seiner beruflichen Trennung von der Zeugin A. im August 2015 finanziell in der Lage gewesen wäre, der Zeugin B. ein dem von der X GmbH gezahlten Gehalt entsprechendes zu zahlen, führt zu keinen lückenhaften Feststellungen. Denn das Amtsgericht hat schlüssig dargelegt, dass bei der von dem Angeklagten behaupteten engen beruflichen Beziehung zur Zeugin B. zu erwarten gewesen sei, dass er zumindest versucht hätte, sie nach seiner beruflichen Trennung von der Zeugin A. im August 2015 abzuwerben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zeugin B. nach den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil seit dem Jahr 1999 als Assistentin des Angeklagten und erst seit dem Jahr 2010 (auch) für die Zeugin A. tätig war, sind die vom Amtsgericht gezogenen Schlussfolgerungen plausibel. Wenn das Arbeitsverhältnis so eng und vertrauensvoll war, wie der Angeklagte ausgeführt hat, wäre durchaus zu erwarten gewesen, dass er versucht hätte, die Zeugin B. nach der beruflichen Trennung von der Zeugin A. wieder an sich zu binden, gegebenenfalls auch zu einem geringeren Gehalt als es der Zeugin bei der X GmbH im Zeitpunkt des Ausscheidens des Angeklagten gezahlt wurde.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Amtsgericht zudem ausgeführt, dass die Whats-App-Nachricht im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Urteil stand, durch das unter anderem der Angeklagte persönlich zur Zahlung an die X GmbH verurteilt wurde, deren Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Zeugin A. ist. Da der Angeklagte nach den Feststellungen des Amtsgerichts im Tatzeitpunkt keine Rückzahlungsansprüche gegen die Zeugin B. hatte, war es – entgegen der Auffassung der Revision – keineswegs naheliegend, anzunehmen, der Angeklagte habe „nicht rechtlich geprüft bzw. durchdacht […] nach ein bis zwei Gläsern Rotwein geglaubt, die Zeugin B. für den ihm subjektiv zugefügten Schaden finanziell in Anspruch nehmen zu können.“, zumal der Angeklagte Entsprechendes ausweislich der Urteilsfeststellungen auch nicht vorgetragen hat. Als Geschäftsmann hätte der Angeklagte auch ohne rechtliche Prüfung (und auch nach dem Genuss von ein oder zwei Gläsern Wein) unschwer erkennen können, dass ein Rückzahlungsanspruch im Hinblick auf die im Zivilprozess ausgeurteilte Summe gegenüber der Zeugin B., die ausweislich der Urteilsfeststellungen lediglich als Assistentin bei der X GmbH beschäftigt war (vgl. UA S. 3 und 5), und über deren Tätigkeiten im Zivilprozess der Angeklagte im Tatzeitpunkt überhaupt keine Erkenntnisse hatte (vgl. UA S. 7), nicht besteht.

Soweit die Revision rügt, das Amtsgericht habe gegen einen Erfahrungssatz verstoßen, indem es ausführt, „typischerweise sei zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte direkt nach der Urteilsverkündung zumindest die Zeugin B. neben der Zeugin A. gegenüber der Presse im Sinne eines Boykotts bezichtigt hätte“ (UA S. 8), hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Annahme einer „typischen Verhaltensweise“ nicht um einen allgemeingültigen Verfahrenssatz handelt. Vielmehr sind „typische Verhaltensweisen“ nur statistische Erfahrungssätze. Allerdings enthalten diese – worauf die Revision zutreffend hinweist – lediglich Wahrscheinlichkeitsregeln mit der Folge, dass ein ihnen entsprechendes Ergebnis zwar naheliegend erscheint, aber keine Gewissheit erlangt. Dementsprechend muss ihre Anwendbarkeit im konkreten Fall festgestellt werden, wofür es zusätzlicher Tatsachen bedarf (vgl. Eisenberg NStZ 2010, 125, 127). Diese weiteren Tatsachen hat das Amtsgericht – wie bereits ausgeführt – ausführlich (vgl. UA S. 4 bis 8 erster Absatz) und rechtsfehlerfrei festgestellt und daraus in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise insgesamt die Schlussfolgerung gezogen, dass Adressatin der an die Zeugin B. versendeten Whats-App-Nachricht die Zeugin A. war.

Soweit die Revision sich gegen diese Schlussfolgerung des Amtsgerichts wendet, unternimmt sie den Versuch, die Beweiswürdigung des Amtsgerichts durch eine eigene zu ersetzten. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden (vgl. KG, Beschluss vom 24. Mai 2019 – 3 Ws (B) 137/19 – juris; Senat, Urteil vom 19. Februar 2018 – [2] 161 Ss 125/17 [27/17]).

Die Urteilsgründe lassen ferner erkennen, dass das Gericht alle Umstände, die die Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat. Soweit die Revision beanstandet, das Amtsgericht habe im Hinblick auf die zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin A. das offensichtliche Eigeninteresse der Zeuginnen A. und B. am Verfahrensausgang nicht berücksichtigt, hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht auch keinen Anlass hatte, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen und deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Denn in den – allein maßgeblichen – Urteilsgründen ergibt sich kein Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen und der Einlassung des Angeklagten zu den objektiven Geschehensabläufen. Das Versenden der Whats-App-Nachricht an die Zeugin B. hat der Angeklagte selbst eingeräumt. Die Schlussfolgerung im Hinblick auf den Adressaten der durch den Angeklagten versandten Whats-App-Nachricht hat das Gericht auf der Grundlage dieser im Urteil festgestellten objektiven Geschehensabläufe gezogen.

2. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs erweist sich das angefochtene Urteil indes als fehlerhaft, weshalb es insoweit keinen Bestand haben kann.

a) Im Rahmen der Strafzumessung ist es ureigene Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Für die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung bedeutet dies, dass im Hinblick auf den Spielraum des Tatrichters bei der Strafzumessung eine exakte Richtigkeitskontrolle zwar nicht möglich ist, Strafzumessungserwägungen die Revision jedoch dann auslösen können, wenn sie rechtsfehlerhaft sind. Das ist dann der Fall, wenn das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafrahmenwahl 1), der dem Urteil zugrunde gelegte Strafrahmen nicht nachvollziehbar ist oder wenn die für das Strafmaß materiell-rechtlich maßgeblichen Leitgesichtspunkte (§ 46 StGB) nicht richtig gesehen oder nicht zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGHSt 15, 372, 375; BGHSt 27, 2, 3; BGHSt 29, 319, 320).

b) Der Rechtsfolgenausspruch erweist sich danach als rechtsfehlerhaft, da das Amtsgericht ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu seinem Nachteil berücksichtigt hat.

Ein zulässiges Verteidigungsverhalten darf dem Angeklagten nicht angelastet werden (vgl. Fischer, StGB 67. Aufl., § 46 Rn. 53 mwN). Das Amtsgericht hat jedoch zur Strafzumessung an hervorgehobener Stelle zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass dieser sich dahingehend verteidigt habe, die Nachricht sei nicht für die Geschädigte A., sondern „nur“ für die Zeugin B. bestimmt gewesen. Dies zeige, dass der Angeklagte keine sonderliche Unrechtseinsicht aufweise (vgl. UA S. 9). Sein Verteidigungsverhalten wird jedoch ausgehöhlt, wenn der Angeklagte befürchten muss, das Bestreiten der ihm konkret zur Last gelegten Tat – hier des Umstandes, dass Adressatin der Whats-App-Nachricht die Zeugin A. war – werde sich in einem eventuellen Strafprozess negativ auswirken (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30. Juli 2013 – III-5 RVs 59/13 – juris; Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl. Rn. 480 mwN).
Das Verteidigungsverhalten des Angeklagten hat vorliegend die Grenze zur Unzulässigkeit auch nicht überschritten. Ein solches Prozessverhalten straferhöhend heranzuziehen, wäre nur dann zulässig, wenn es Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 3 StR 231/19 – juris; Urteil vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12 – juris; Beschluss vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95 – juris; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20; BGHR StGB 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 12). Gibt ein Angeklagter – wie im vorliegenden Fall – den äußeren Tathergang im Wesentlichen zu, beruft er sich aber auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10 – juris; Urteil vom 30. Juni 1982 – 2 StR 226/82 – juris), darf dies nicht strafverschärfend berücksichtigt werden, weil er dadurch seine Verteidigungsposition gefährden müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 4 StR 320/18 – juris mwN). Ebenso wie der Angeklagte befugt ist, seine Taten zu leugnen, ist er befugt, seine Taten abzuschwächen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2019 – [1] 53 Ss 22/19 [33/19] – juris). Die Grenze zulässigen Verteidigungsverhaltens wird erst dann überschritten, wenn sich hieraus eine Rechtsfeindschaft ableiten ließe. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts als fehlerhaft dar.
Auch wenn das Amtsgericht eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen – mithin aus dem unteren Bereich des Strafrahmens – festgesetzt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese für sich genommene sehr maßvolle Rechtsfolge auf dem Rechts-fehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), zumal § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die Angabe der „bestimmenden“ Umstände vorschreibt.

3. Wegen des Mangels im Rechtsfolgenausspruch hebt der Senat das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 349 Abs. 4 StPO auf und verweist die Sache insoweit nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhand-lung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
Im Übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

III.

Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sach-entscheidung insgesamt zu befinden haben.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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