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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Straßenverkehrsgefährdung, Vorrang/Vorfahrt Straßenbahn

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Freiburg, Urt. v. 26.09.2019 - 18/19 14 Ns 510 Js 19422/18

Leitsatz: Zum Vorrang oder Vorfahrt einer Straßenbahn im Sinne von § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB


In pp.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 13.12.2018 (Az. 27 Cs 510 Js 19422/18) wird unter Ven1verfung der weitergehenden Berufung das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt wird.
Dem Angeklagten wird für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, wobei das Fahrverbot durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in der Zeit vom 19.10.2018bis 22.11.2018 verbüßt ist.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, wobei die Gebühr für das Berufungsverfahren um die Hälfte ermäßigt wird und die Hälfte der dem Angeklagten im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auflagen die Staatskasse zu tragen hat.
Angewendete Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1, 229, 230, 44 StGB

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.

Das Amtsgericht Freiburg sprach den Angeklagten im Urteil vom 13.12.2018 der fahrlässigen Körperverletzung schuldig. Es verwarnte ihn deswegen und sprach aus, dass die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 EUR vorbehalten bleibt.

Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft in zulässiger Weise Berufung ein, mit der sie die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten und die Verhängung einer Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis erstrebte.

Die Berufung war insoweit zum Teil erfolgreich, als der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 EUR verurteilt wurde und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats ausgesprochen wurde, welches jedoch durch die Zeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in der Zeit vom 19.10.2018 bis 22.11.2018 bereits verbüßt ist.
II.

Die Strafstrafkammer traf zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten dieselben Feststellungen wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil. Auf die diesbezüglich unter I. der Gründe des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ergänzend wurde festgestellt, dass der Angeklagte, der nach wie vor ausschließlich britischer Staatsbürger ist, zwischenzeitlich nochmal Vater geworden ist und neben seinen beiden jetzt 7 und 14 Jahre alten Söhnen aus der geschiedenen Ehe seit dem 11.06.2019 mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin ein drittes Kind bekommen hat. Der Angeklagte lebt mit seiner Lebensgefährtin, seinem 14 Jahre alten Sohn, dem Baby und den beiden 10 und 11 Jahre alten Kindern der Lebensgefährtin zusammen. Die Lebensgefährtin des Angeklagten arbeitet - wie dieser auch - als Versicherungsvertreter für die … Versicherung. Der Angeklagte gibt an, dass er derzeit etwa 1.100,00 EUR netto im Monat verdient nach Abzug der Kosten für einen geleasten 7-sitzigen PKW Range Rover und weiterer Kosten. Er lebt in einem eigenen Einfamilienhaus, für welches er monatlich 1.600,00 EUR auf den Immobilienkredit abbezahlt. Die Finanzierung beläuft sich nach weiterer Zwischenfinanzierung derzeit auf 450.000,00 EUR.
III.

Die Strafkammer hat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Wesentlichen dieselben Feststellungen getroffen, wie das Amtsgericht Freiburg im angefochtenen Urteil. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen unter II. des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen. Auch die Hinzuziehung des Sachverständigen konnte mangels zureichender objektiver Anknüpfungstatsachen keine weitere sichere Aufklärung im Hinblick auf die vom Angeklagten geschilderte Überforderungssituation wegen eines Busses, der zumindest teilweise die von ihm benutzte linke Fahrspur blockierte, bringen. Fest steht nunmehr nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. …, das sich die Kammer nach kritischer Überprüfung zu eigen gemacht hat, dass -falls der Bus tatsächlich in die K straße einbog, wie vom Angeklagten geschildert und nicht bereits nur der L Straße vor ihm fuhr, wie vom Zeugen W, dem Beifahrer des Angeklagten geschildert - dessen Heck so in die linke Fahrspur hineingeragt hätte, dass der Angeklagte nur den Gegenverkehr .,schneidend" in die W straße hätte einbiegen können oder, wenn er wie von ihm angegeben ordnungsgemäß abbiegt, der Bus bereits den Kreuzungsbereich wieder frei gemacht hätte; so dass der Bus für den Angeklagten kein objektives Hindernis für das Weiterfahren auf dem S ring war. Unabhängig vom Vorhandensein und Agieren des Busses ist jedenfalls nach der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung von einem Fahrfehler‚ der nicht ausschließbar als Augenblicksversagen des Angeklagten einzustufen ist, auszugehen. Entweder ist er bewusst vorschriftswidrig links abgebogen oder hat darüberhinaus beim vorschriftswidrigen Linksabbiegen auch noch bewusst den Gegenverkehr "geschnitten", wobei er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen ist, weshalb es zum Unfall kam.
IV.

Der Angeklagte hat sich somit der fahrlässigen Körperverletzung schuldig und - nach Überzeugung der Kammer - auch strafbar gemacht.

Eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB konnte die Kammer auch nach Durchführung einer ausführlichen Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung nicht sicher feststellen. Einerseits blieb zweifelhaft, ob das Verhalten des Angeklagten, der verbotswidrig nach links in die W. straße abbog und deshalb mit der mit Vorrang auf den Schienen parallel zur Straße fahrenden Straßenbahn zusammenstieß, sich überhaupt einer Vorfahrtsverletzung schuldig gemacht hat, weil die Straßenbahn als Schienenfahrzeug gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 StVO zwar Vorrang hat, allerdings eine Situation der "Vorfahrt" im Sinne des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB nicht nur im gesetzestechnischen Sinne des § 8 StVO zu verstehen ist, allerdings sind unter dem Begriff der "Vorfahrt" nur solche Verkehrsvorgänge zu verstehen, bei die denen die Fahrlinien verschiedener Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung zusammentreffen oder einander so nahe kommen, dass der Verordnungsgeber sich veranlasst gesehen hat, durch ausdrückliche Regelung einem Verkehrsteilnehmer den Vorrang einzuräumen (Thomas Fischer "Strafgesetzbuch" 66. Auflage § 315 c Rn 5a). Nicht erfasst ist jedoch zum Beispiel unvorsichtiges Abbiegen aus der linken über die rechte Fahrspur (vgl. OLG Stuttgart VRs 43, 274 sowie Thomas Fischer "Strafgesetzbuch" 66. Auflage § 315 c Rn 5a mit weiteren Nachweisen) oder das Missachten des Vorrechts eines Fußgängers nach § 9 Abs. 3 S. 3 StVO (OLG Düsseldorf NJW 84, 1246 u. Fischer aaO mit weiteren Nachweisen), was mit dem vorliegend zu beurteilenden Verhalten vergleichbar ist.

Darüber hinaus ist die Kammer nach der umfangreichen Beweisaufnahme auch zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Angeklagten zwar ein grober Fehler im Straßenverkehr - nämlich das verbotswidrige Abbiegen nach links sowie die Verletzung der doppelten Rückschaupicht- vorzuwerfen ist, jedoch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände kein rücksichtsloses Handeln. Rücksichtslos handelt, wer sich aus "eigensüchtigen Gründen über seine Pichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vorneherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt (BGH St 15, 346; ständige Rechtsprechung und Fischer StGB 66. Auflage § 15c Rn 14 mit weiteren Nachweisen). Der Angeklagte, der sich durch eine objektiv nicht überfordernde Situation subjektiv überfordert geführt hat und sich deshalb spontan zum verbotenen Abbiegen nach links entschieden hat, ist zwar seinen Pflichten nicht nachgekommen, jedoch ist ein Augenblicksversagen nicht auszuschließen. Vor diesem Hintergrund konnte die Kammer eine Strafbarkeit nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2a StGB nicht erkennen, so dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig zu sprechen war und auch zu bestrafen war.

Im Gegensatz zum Amtsgericht konnte die Kammer die Voraussetzungen des § 59 StGB, nämlich einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, nicht erkennen. Zwar hat die Kammer gesehen, dass der Angeklagte durch die vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Oktober und November 2018 wegen seiner abgelegenen Wohnung und der Tätigkeit als Versicherungsvertreter und auch wegen seiner Aufgaben als Familienvater sehr gelitten hat, jedoch stellt dies nach Überzeugung der Kammer in der Gesamtschau keine besonderen Umstände dar, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen würde.

Der Angeklagte hat sich deshalb nach § 229 StGB schuldig und strafbar gemacht.
V.

Bei der Strafzumessung ging die Kammer vom Strafrahmen des § 229 StGB aus. Zugunsten des Angeklagten wertete die Kammer, dass der Angeklagten seine Tat im verurteilten Umfang weitgehend eingeräumt hat und sich nicht nur bereits vor Ort direkt bei der verletzten Straßenbahnfahrerin entschuldigt hat, sondern seine Entschuldigung auch noch einmal beim Amtsgericht in der erstinstanzlich Verhandlung wiederholt hat. Die Straßenbahnfahrerin konnte die Entschuldigung annehmen. Darüber hinaus hat der Angeklagte im Rahmen der Schadenswiedergutmachung der geschädigten Straßenbahnfahrerin erneut in der Berufungshauptverhandlung Hilfe im Hinblick auf Schmerzensgeld angeboten, soweit er dies im Rahmen seiner Pflichten aus dem Versicherungsvertrag leisten kann.

Die Kammer sah auch, dass der Angeklagte, dem im Oktober und November 2018 für die Dauer von einem Monat und mehreren Tagen die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden war, stark unter darunter gelitten hat, dass er von seiner Fahrerlaubnis keinen Gebrauch machen konnte.

Gegen den Angeklagten spricht jedoch, dass durch sein Verhalten ein Unfall mit sehr hohem Sachschaden im Bereich von 10.000,00 EUR bei der Straßenbahn entstanden ist, ebenso wie eine etwa zwei Stunden dauernde Verkehrsblockade. Strafschärfend wurde auch gesehen, dass der Angeklagte mit seinem Verhalten die Fahrerin der Straßenbahn am Knie leicht verletzt hat, die Kammer übersieht nicht, dass die Verletzungen nach Krankengymnastik wieder abgeklungen sind. Strafschärfend wirkt sich weiter aus, dass der Angeklagte bereits eine Eintragung im Fahrerlaubnisregister hat und diesbezüglich einen Monat Fahrverbot- zu verbüßen hatte.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen erschien die Verhängung einer

Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 EUR

für tat- und schuldangemessen.

Ein Tagessatz entsprach bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Angeklagten unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten etwa 20,00 EUR.

Daneben verhängte das Gericht ein Fahrverbot nach § 44 StGB, zumal der Angeklagte seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer verletzt hat und es deshalb geboten schien, ihm durch ein einmonatiges Fahrverbot einen "Denkzettel" mitzugeben, um ihn so an seine Pflichten als Kraftfahrer wirkungsvoll zu erinnern. Da der Führerschein des Angeklagten im Ermittlungsverfahren bereits für die Dauer von über einem Monat vorläufig entzogen worden war, hat die Kammer ausgesprochen, dass das verhängte Fahrverbot durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits als verbüßt gilt.
VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO (siehe Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Auflage § 473 Rdnr.15).








Einsender: RA P. Rinklin, Freiburg

Anmerkung:


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