Gericht / Entscheidungsdatum: LG Mannheim, Beschl. v. 26.03.2020 - 7 Qs 11/20
Leitsatz: Soweit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Ansicht vertreten wird, dass in einem bereits abgeschlossenen Verfahren eine rückwirkende Beiordnung nicht zulässig ist, kann dieser Ansicht in dieser Allgemeinheit im Hinblick auf die Intention des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung -(vgl. BT-Drs. 19/13829 sowie BT-Drs. 19/15151) nicht gefolgt werden, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt und dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Beiordnung nicht genügt worden ist.
7 Qs 11/20
Landgericht Mannheim .
7. Große Strafkammer
- Große Jugendkammer-
Beschluss
vom 26. März 2020
Strafsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. Jörg Becker, Heidelberg wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung u.a.
hier: Sofortige Beschwerde gegen Versagung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers
Auf die mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10. März 2020 eingelegte sofortige Beschwerde des. Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 27. Februar 2020 aufgehoben.
Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Dr. Jörg Becker, Heidelberg als notwendiger Verteidiger beigeordnet.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Beschuldigten, die sich gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers richtet, ist begründet.
Der Verteidiger des Beschuldigten hat mit Schriftsatz vom 20.12.2019 namens und in Vollmacht seines Mandanten, der im vorliegenden Verfahren bereits am 13.09.2019 durch die Polizei über den Tatvorwurf belehrt worden ist und der sich seit dem 14.09.2019 in einer anderen, beim Amtsgericht Heidelberg anhängigen Strafsache In Untersuchungshaft befindet, gegenüber der Staatsanwaltschaft Mannheim beantragt, ihn zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten zu bestellen und zu diesem Zweck den Antrag dem für die Entscheidung zuständigen Amtsgericht Mannheim zuzuleiten.
Der am 27.12.2019 bei der Staatsanwaltschaft Mannheim eingegangene Antrag ist erst nach der mit Verfügung vom 30.01.2020 erfolgten Einstellung des Verfahrens nach§ 154 Abs. 2 StPO sowie nach der mit Schreiben des Verteidigers vom 06.02.2020 erfolgten Erinnerung an seinen Antrag dem Amtsgericht zur Entscheidung zugeleitet worden. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 27.02.2020 abgelehnt. Dagegen hat der Beschuldigte mit Schreiben seines Verteidigers vom 10.03.2020 form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, die begründet ist.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung lag ein Fall der notwendigen Verteidigung nach §§ 109 Abs. 1.Satz 1,.68 Abs. 1 Nr. 1 JGG., 140Abs. 1 Nr. 5 StPO vor, in welchem Verfahren die Untersuchungshaft vollzogen wird, ist - was durch die Neuregelung in § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ausdrücklich klargestellt worden ist, ohne Belang (Beck0K-Graf, StPO, § 140 Rn 12 m.w.N. zum Streitstand bzgl. § 140 Abs. 1 Nr. 4 a.F.). Die Ausnahmeregelung des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO greift nicht, da ein zulässiger Antrag nach § 141 Abs. 1 StPO vorlag und die Ausnahmeregelung in § 141 Abs. 2 S. 3 .StPO nur für die in § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 StPO genannten Fällen greift (BeckOK-Graf, StPO, §.141 Rn. 22). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Intention des Gesetzgebers die Unanwendbarkeit des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende bereits aus § 68a Abs. 1 JGG 2 Abs. 2 JGG ergibt und es deshalb einer Aufnahme in § 68a Abs. 2 JGG nicht bedurfte .(BT-Drs. 19/15162 S. 7 a.E.).
Soweit in der Rspr. der Oberlandesgerichte die Ansicht vertreten wird, dass in einem bereits abgeschlossenen Verfahren eine rückwirkende Beiordnung nicht zulässig ist (vgl. zum Streitstand BeckOK-Graf, StPO § 142 RN 29), kann dieser Ansicht in dieser Allgemeinheit im Hinblick auf die Intention des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (Vgl. BT-Drs. 19/13829 sowie BT-Drs. 19/15151) nicht gefolgt werden, wenn wie im vorliegenden Fall der Antrag rechtzeitig gestellt und dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Beiordnung nicht genügt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA Dr. J. Becker, Heidelberg
Anmerkung: Aufhebung von: /asp_weitere_beschluesse/inhalte/5534.htm
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