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Entscheidungen

OWi

Verfahrensinterne Regelungen, Umgehung, Verwertbarkeit des Messergebnisses

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.12.2019 - 2 Ss-OWi 888/19

Leitsatz: Es ist von einer willkürlichen Umgehung von verfahrensinternen Regelungen auszugehen, wenn ausgeschlossen ist, dass ein regelrechtes Verhalten die ergriffene Maßnahme nicht ermöglicht hätte.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS

In der Bußgeldsache
gegen pp.


wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Oberlandesgericht — Senat für Bußgeldsachen — Frankfurt am Main durch die Einzelrichterin auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Gießen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gießen vom 17. Juni 2019 am 30.Dezember 2019 beschlossen:

Das Verfahren wird gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 OWiG eingestellt.

Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 17. Januar 2019 hat das Regierungspräsidium Kassel gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h eine Geldbuße von 240,- festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat, verbunden mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG, verhängt.

Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Gießen den Betroffenen am 17. Juni 2019 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240,- € verurteilt, jedoch von der Festsetzung des Regelfahrverbots abgesehen.

Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffenen am 01. November 2018 gegen 065:56 Uhr mit dem Pkw, amtl. Kennzeichen pp., in der Gemarkung Heuchelheim die L3020 in Fahrtrichtung Lahnau. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug auf diesem Streckenabschnitt gemäß Verkehrszeichen Nr. 274 StVO 50 km/h. Der Betroffene fuhr mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 107 km/h, d.h. abzüglich einer Toleranz von 4 km/h betrug die dem Betroffenen vorwerfbare Geschwindigkeit 103 km/h. In Höhe des Kreuzungsbereichs Falken-straße/Schwimmbadstraße wurde mittels eines stationären Geschwindigkeitsmessgeräts (Poliscan Fl HP) eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt hätte der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken und unterlassen können.

Zur Messstelle hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen: Der Kreuzungs-bereich liegt außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Die Ortschaft beginnt erst jeweils in den Einmündungen der Falkenstraße bzw. der Schwimmbadstraße. Auf beiden Seiten der L3020 liegen zwar bebaute Grundstücke, jedoch zurückgesetzt und ohne direkte Anbindung an die Landesstraße. In Fahrtrichtung des Betroffenen befindet sich ein 2,50m bereiter Fußweg, der- jenseits des Kreuzungsbereichs hinter einer Leitplanke entlang führt.

Das Amtsgericht führt zum Absehen vom Fahrverbot aus, dass ein solches zwar grundsätzlich zu verhängen gewesen wäre. Unter Bezugnahme auf die konkrete Messstelle könne aber nicht von einem Regelfall ausgegangen werden. Der Einsatzort des Mess-geräts sei im vorliegenden Fall durch die Polizeiakademie Hessen nicht genehmigt worden. Diese habe in ihrer Stellungnahme vom 09. Dezember 2014 für die vorliegende Messstelle eindeutig festgestellt, dass die Installation einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage aus verkehrspolizeilicher Sicht nicht erlasskonform und begründbar sei. Diese Stellungnahme habe die Gemeinde Heuchelheim missachtet, indem sie darauf abgestellt habe, dass der Erlass des hessischen Innenministeriums vom 05. Februar 2015 („Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden, Az. LPP1- 66 k 07 — 17/001) lediglich eine formale Anhörung der Polizeiakademie verlange, welche erfolgt sei. Diese Auffassung sei, so das Amtsgericht, nicht haltbar und unzutreffend. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 22. November 2018 — 2 Ss-OWi 845/18) sei die Anhörungspflicht dahingehend zu verstehen, dass die Stellungnahme der Hessischen Polizeiakademie auch inhaltlich zu berücksichtigen sei. Nur wenn eine positive Beurteilung durch die Hessische Polizeiakademie vorliege, sei der Einsatzort genehmigt. Dem Amtsgericht sei jedoch bislang keine Entscheidung bekannt, mit der der Gemeinde Heuchelheim mitgeteilt worden sei, dass ihrer Rechtsauffassung fehlerhaft sei. Willkürliches Handeln der Gemeinde könne daher nicht festgestellt werden, weshalb noch nicht von einem Beweiserhebungsverbot ausgegangen werden könne. Gleichwohl sei bei der Beurteilung des Verstoßes des Betroffenen zu berücksichtigen, dass richtlinienwidrig gemessen wurde. Aufgrund der Bebauung habe sich gerade auch keine 50 km/h-Höchst-geschwindigkeit aufgedrängt, weswegen sich das Handlungsunrecht beim Betroffenen, trotz der immensen Geschwindigkeitsüberschreitung, als vom Regelfall abweichend darstelle.

Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Gießen mit der zuungunsten des Betroffenen eingelegten Rechtsbeschwerde, soweit von der Verhängung des einmonatigen Fahrverbots abgesehen wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dieser auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde beigetreten.

II.

Das Verfahren war gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 OWiG einzustellen.

Die Gemeinde Heuchelheim hat die verfahrensgegenständliche Messung auf gesetzeswidrige Weise durchgeführt, da der Einsatzort des Messgeräts entgegen der Vorgaben des Erlasses des hessischen Innenministeriums vom 05. Februar 2015 („Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden, Az. LPP1- 66 k 07 — 17/001) nicht von der Hessischen Polizeiakademie genehmigt wurde. Zwar führt eine Geschwindigkeitsmessung selbst wenn sie — wie vorliegend — unter bewusster Umgehung von verwaltungsinternen Richtlinien ergangen ist, nicht per se zu einer willkürlichen Messung und damit zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses-(Senatsbeschluss vom 25. März 2014 — 2 Ss OWi 959/13). Von willkürlicher Umgehung von verfahrensinternen Regelungen kann aber dann ausgegangen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass ein regelrechtes Verhalten die ergriffene Maßnahme nicht ermöglicht hätte. So liegt der Fall hier. Da die Hessische Polizeiakademie nach den Feststellungen des Amtsgerichts bereits am 04. Dezember 2014 eindeutig festgestellt hat, dass die Installation einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage an der fraglichen Stelle aus verkehrspolizeilicher Sicht nicht erlasskonform und begründbar ist, hätte die Gemeinde Heuchelheim die Geschwindigkeitsmessanlage dort nicht betreiben dürfen. Dass sie es gleichwohl getan hat, lässt die Schlussfolgerung zu, dass dies aus rein fiskalischen Motiven erfolgt ist. Dies wiegt gegenüber dem von dem Betroffenen begangenen Verkehrsverstoß so schwer, dass die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen geboten ist.


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