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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Trunkenheitsfahrt, Trinken in Fahrbereitschaft, fahrlässige Tötung, Strafzumessung, Bewährung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Urt. v. 09.12.2019 - 3 Ss 48/19

Leitsatz: Bei vorwerfbar selbst herbeigeführter Trunkenheit kann die dadurch bedingte Enthemmung nicht als strafmildernder Umstand einer hierauf basierenden fahrlässigen Tötung gewertet werden. Daneben kommt dem Umstand, dass der Täter in dem Bewusstsein, im Anschluss noch ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen, Alkohol konsumiert hat (sog. Trinken in Fahrbereitschaft), eigenständige strafschärfende Bedeutung zu.


Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes

Urteil
3 Ss 48/19

In der Strafsache
gegen pp.

wegen fahrlässiger Tötung u.a.

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle in der Sitzung vom 9. Dezember 2019, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht,
Richter am Oberlandesgericht
als beisitzende Richter,

Erste Staatsanwältin
als Beamtin der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt pp. als Verteidiger,
Rechtsanwalt Dr. pp. als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 23. Januar 2019 im Rechtfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Verden zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision gegen den Rechtsfolgenausspruch des Urteils der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 23. Januar 2019 - 6 Ns 911 Js 14186/17 (7/19), mit dem auf die Berufung des Angeklagten hin das Urteil des Amtsgerichts Stolzenau vom 18. April 2018 aufgehoben und der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, ohne die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom 19. April 2019 Berufung eingelegt.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Am Sonntag, dem 2. April 2017, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw Audi A6 Kombi zu einem Fußballspiel seiner Mannschaft in R.. Dabei begleitete ihn als Beifahrer der später getötete D. T. Der Angeklagte und D. T. waren „gute Fußballfreunde“, und der Angeklagte nahm D. T. des Öfteren in seinem Pkw mit. Nach dem Spiel setzte sich der Angeklagte noch auf den Rasen und trank Bier. Welche Menge der Angeklagte trank und ob D. T. ebenfalls dabeisaß und trank, konnte nicht festgestellt werden. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt stiegen der Angeklagte als Fahrer und D. T. als Beifahrer in den Pkw des Angeklagten und fuhren davon. Wohin sie fuhren, wie lange sie im Auto unterwegs waren und ob und ggfs. in welcher Menge in dem Zeitraum zwischen dem Wegfahren vom Sportplatz und dem späteren Unfall innerhalb oder außerhalb des Pkw noch Alkohol konsumiert wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Gegen 19:20 Uhr befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw die Landesstraße L… in Richtung R.. D. T. war Beifahrer. Die Landestraße lag nicht auf ihrem Heimweg vom Fußballplatz. Es herrschte noch Tageslicht und die Fahrbahn war trocken. Der Angeklagte überholte mit seinem Pkw auf gerader Strecke ohne Gegenverkehr und auffälliges Fahrverhalten in einem Zug einen Pkw und einen davor fahrenden Lkw mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h, während die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt war.

Der Angeklagte hatte zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 0,88 g Promille und war relativ fahruntüchtig, was er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt auch hätte erkennen können. Eine Aufhebung oder erhebliche Einschränkung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit lag nicht vor.

Aufgrund „seiner Alkoholisierung und der dadurch bedingten Enthemmung und Selbstüberschätzung“ führte der Angeklagte seinen Pkw auch dann noch mit der überhöhten Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h, als er nach dem Überholvorgang in eine langgezogene Rechtskurve einfuhr. Ohne dass äußere Umstände oder ein technischer Defekt hierzu beigetragen hätten, kam das Fahrzeug infolge der überhöhten Geschwindigkeit gegen 19:25 Uhr nach links von der Fahrbahn ab, geriet über die Gegenfahrbahn hinweg in den linken unbefestigten Seitenraum und überfuhr dort mehrere Leitpfosten und Straßenbäume, bis es sich schließlich überschlug.

D. T. erlitt durch den Unfall schwere Hirnverletzungen. Er konnte zunächst am Unfallort reanimiert werden, verstarb jedoch am 3. April 2017 um 03:33 Uhr im Krankenhaus an den Verletzungsfolgen.

Der Fremdsachschaden belief sich auf etwa 6800 Euro.

Der Angeklagte erlitt durch den Unfall ein Polytrauma, eine Fraktur des zweiten Halswirbels mit Dislokation, eine Gehirnerschütterung sowie eine beidseitige Knieprellung. Er befand sich zunächst fünf Tage in stationärer Behandlung, musste operiert werden und war fünf Monate arbeitsunfähig. In der Folgezeit wurde durch die Lockerung der eingesetzten Schrauben eine weitere stationäre Aufnahme von sieben Tagen sowie eine weitere Operation notwendig. Dabei wurde Knochensubstanz aus dem Becken entnommen und mit dieser der erste und zweite Halswirbelkörper fest miteinander verbunden, wodurch die Beweglichkeit im Kopfbereich erheblich eingeschränkt ist. Der Angeklagte litt dauerhaft unter mittelschweren bis schweren Kopfschmerzen. Bei der Entnahme der Knochensubstanz aus dem Becken wurde zudem ein Nerv durchtrennt, was zu heftigen Schmerzen bei Berührung führt. Schmerzmittel nahm der Angeklagte aber nicht. Nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit nahm er seine Berufstätigkeit als Dachdecker wieder auf und spielte auch wieder Fußball, wobei er Kopfbälle vermied. In seinem Bekanntenkreis wurde er verbal angefeindet. Eine empfohlene psychologische Aufarbeitung wurde – mit Ausnahme der Wahrnehmung eines Termins – von dem Angeklagten abgelehnt.

In der Berufungsverhandlung war der Angeklagte teilgeständig, soweit er das Geschehen erinnerte. Er entschuldigte sich im Rahmen der Verhandlung vor dem Landgericht durch einen Schriftsatz seines Verteidigers auch bei den anwesenden Nebenklägern und bot ihnen eine Entschädigung an. Daraufhin wurde ein Vergleich geschlossen, der den Angeklagten verpflichtete, 3.600 € an die Nebenkläger zu zahlen.
2. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht insbesondere zugunsten des Angeklagten, dass er unbestraft war, sowie seine erheblichen eigenen Verletzungen, das Teilgeständnis, die Entschuldigung sowie das Angebot zur Wiedergutmachung. Weiterhin wurde strafmildernd auf die Enthemmung infolge der Alkoholisierung, die berufliche sowie familiäre Integration, eine ehrenamtliche Tätigkeit im Arbeiter-Samariter-Bund, den Totalschaden des eigenen Pkw sowie die Anfeindungen im Bekanntenkreis abgestellt.

Strafschärfend berücksichtigte das Landgericht die Länge der gefahrenen Strecke, eine Voreintragung im Fahreignungsregister wegen eines Rotlichtverstoßes sowie die Missachtung der Warnfunktion, die von einem gegen den Angeklagten wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr geführten, später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren ausging, in dem ihm vom 15. August 2016 bis zum 30. Januar 2017 die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden war.

3. Die für die Strafaussetzung zur Bewährung erforderliche positive Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB hat das Landgericht insbesondere darauf gestützt, dass der Angeklagte unbestraft war, wobei Ordnungswidrigkeiten und das eingestellte Ermittlungsverfahren hier „grundsätzlich ohne Belang seinen“, sowie, dass der Angeklagte familiär und beruflich eingebunden war, ein Ehrenamt ausübte und erhebliche eigene Verletzungen davontrug.

Im Rahmen der „besonderen Umstände“ i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB hat das Gericht wiederum auf die schweren Verletzungen sowie auf die Entschuldigung und die Schadenswiedergutmachung verwiesen. Die fehlende Notwendigkeit der Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) begründete es damit, dass es sich im Rahmen der Einzelfallabwägung hier um einen jungen und unbestraften Täter handele, welcher lediglich relativ fahruntüchtig gewesen sei und welcher durch den Unfall selbst schwere Verletzungen erlitten habe. Außerdem sei in Ermangelung einer Feststellungsmöglichkeit zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass der getötete Beifahrer in Kenntnis der Alkoholisierung bei dem Angeklagten eingestiegen sei. Auf der anderen Seite stehe die lange Fahrstrecke, die zurückgelegt wurde, und gerade nicht auf dem Heimweg der beiden Insassen lag.
4. Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Verden. Sie erhebt die Sachrüge und beantragt, das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen. Insbesondere rügt die Staatsanwaltschaft, dass im Rahmen der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB nicht auf die gute soziale und berufliche Einbindung habe abgestellt werden dürfen, weil diese Umstände schon vor der Tat vorgelegen, den Angeklagten jedoch nicht von der Begehung der Tat abgehalten hätten. Sie vertritt die Ansicht, dass das nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Ermittlungsverfahren im Rahmen der Erwägungen nicht „ohne Belang“ sei und die Auswirkungen deshalb hätten erörtert werden müssen. Auch sei die Würdigung auf einer lückenhaften Grundlage erfolgt, da nicht erwogen worden sei, dass der Angeklagte trotz seiner Verletzungen inzwischen wieder als Dachdecker arbeiten und Fußball spielen könne sowie nicht auf Schmerzmittel angewiesen sei.

Rechtsfehlerhaft seien diese Umstände auch nicht in die Gesamtabwägung nach § 56 Abs. 2 StGB eingeflossen. Weiterhin könnten die Verletzungen des Angeklagten keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB darstellen, da sie die Nachwirkungen des Unfalls nicht verbessern würden. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass der Täter vor Fahrtantritt Alkohol konsumierte, trotz dieses Umstandes einen Beifahrer mitnahm und mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr und dabei nicht den direkten Heimweg, sondern eine längere Strecke wählte. Zudem sei die Entschuldigung und Schadenswiedergutmachung nicht zu berücksichtigen, da sie ausschließlich unter dem Eindruck des erstinstanzlichen Urteils erfolgt sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe sich der Angeklagte noch teilnahmslos und weder einsichtig noch reumütig gezeigt.

Bei der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), dürften das Alter, die relative Fahruntüchtigkeit sowie das Wissen des Beifahrers um die Alkoholisierung des Angeklagten beim Einsteigen keine Berücksichtigung finden. Dem Angeklagten seien im Alter von 25 Jahren die Folgen des Alkoholkonsums bewusst. Das Wissen des Beifahrers beim Einsteigen dürfte nicht gewertet werden, da es sich bei dem Straßenverkehr gerade nicht um ein disponibles Rechtsgut und somit nicht um eine Einwilligung handele. Dafür sprächen weiterhin die Rechtsgedanken der §§ 216, 228 StGB.
5. Der Verteidiger ist der Revision entgegengetreten. Das Landgericht habe die nach § 56 StGB maßgeblichen Umstände zutreffend und in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung gewürdigt. Die Staatsanwaltschaft verharmlose die Verletzungsfolgen und laste es dem Angeklagten an, dass er trotz seiner Beeinträchtigungen versuche, sein Sozial- und Berufsleben weitgehend unverändert fortzuführen. Auf ein nach § 170 Abs. 2 StPO eingestelltes Ermittlungsverfahren dürfe nicht strafschärfend abgestellt werden.

6. Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel und macht zusätzlich geltend, dass die Berücksichtigung der Enthemmung infolge der Alkoholisierung als mildernder Umstand gegen das Doppelverwertungsverbot im Sinne des § 46 Abs. 3 StGB verstoße, weil dieser Umstand bereits zur Erfüllung des Merkmales der relativen Fahruntüchtigkeit im Rahmen des § 315c StGB und zur Fahrlässigkeit im Rahmen des § 222 StGB führe. Auch sei das selbstverantwortliche Sich-Betrinken gerade nicht schuldmindernd, sondern strafschärfend zu werten. Zudem habe die Kammer als strafschärfende Umstände nicht in den Blick genommen, dass es sich bei dem eingestellten Ermittlungsverfahren gerade um eine Trunkenheit im Verkehr gehandelt habe, dass der Angeklagte bis unmittelbar vor dem Unfall Alkohol konsumiert habe und dass der Angeklagte dauerhaft mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Der festgestellte Sachverhalt vermöge eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht zu tragen. Zusätzlich hätten auch die Vermeidung einer psychologischen Aufarbeitung des Unfalls sowie die Risikobereitschaft, die sich aus dem Fußballspielen nach einem Genickbruch ergebe, im Rahmen des § 56 Abs.1 StGB einbezogen werden müssen. Im Rahmen der Ausführungen zu § 56 Abs. 3 StGB sei im Übrigen nicht erörtert worden, ob der Geschädigte auch in Kenntnis der deutlich überhöhten Geschwindigkeit sowie der langen Fahrt eingestiegen wäre. Weiterhin hätte es einer Erörterung bedurft, weshalb eine Strafaussetzung geboten sei, wenn der Täter unmittelbar vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert, dann – in dem Wissen nicht allein an Bord zu sein – mit nicht nur vorrübergehend deutlich überhöhter Geschwindigkeit ohne jeden fremden Einfluss bei trockenen Straßenverhältnissen einen Unfall verursacht, der zum Tod des Mitfahrers führte und der für ihn offensichtlich keine durchgreifenden Folgen hatte. Dabei sei vor allem in Rechnung zu stellen, dass der tödliche Unfall nicht auf Umständen außerhalb der Sphäre des Angeklagten beruhte.


II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.

Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die Bewährungsentscheidung beschränkt.
Zwar verhält sich die Revisionsbegründung konkret nur zu Rechtsfehlern bei der Anwendung von § 56 StGB. Indes ist zu Beginn der Revisionsbegründung erklärt worden, dass die Sachrüge „allgemein erhoben“ wird und durch die nachfolgenden Ausführungen „nicht beschränkt werden“ soll. Zudem hat die Staatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Damit sind sowohl der Strafausspruch als auch die Bewährungsentscheidung vom Revisionsangriff umfasst.

2. Die Strafzumessung weist durchgreifende Rechtsfehler auf.

a) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seines umfassenden Eindrucks von der Tat und der Persönlichkeit des Täters die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts kann das Revisionsgericht jedoch eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2015 - 1 StR 142/14, NStZ 2015, 466 und vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127). So liegt es hier.

b) Die Zumessungserwägungen sind in sich fehlerhaft, weil das Landgericht die alkoholintoxikationsbedingte Enthemmung des Angeklagten als einen bestimmenden Strafmilderungsgrund gewertet hat. Hierin liegt ein durchgreifender Wertungswiderspruch zu den getroffenen Feststellungen. Denn danach hat das Landgericht gerade in der „Alkoholisierung und der dadurch bedingten Enthemmung und Selbstüberschätzung“ die Ursache für das Fahrverhalten des Angeklagten, welches den Unfall und den Tod des Beifahrers zur Folge hatte, mithin einen die Schuld des Angeklagten begründenden Umstand erkannt.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob mit dieser Strafzumessungserwägung – wie die Generalstaatsanwaltschaft meint – zugleich auch gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB verstoßen worden ist. Zwar gilt das Doppelverwertungsverbot über seinen Wortlaut hinaus nicht nur für die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale selbst, sondern auch für sonstige unrechts- und schuldbegründende Merkmale (vgl. Miebach/Maier in MüKoStGB 3. Aufl. § 46 Rn. 449). Zweifel an einem Verstoß im vorliegenden Fall könnten sich aber insoweit ergeben, als das Doppelverwertungsverbot nahezu ausschließlich eine den Täter begünstigende Wirkung hat (vgl. Miebach/Maier aaO Rn. 447). Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich offengelassen, ob das Doppelverwertungsverbot in Einzelfällen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 50 StGB auch einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründen kann, und dies jedenfalls nur für solche Fälle in Betracht gezogen, in denen Tatbestandsmerkmale „eine mildernde Tendenz“ aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 – 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107).

Ob die alkoholintoxikationsbedingte Enthemmung darunter fällt, bedarf hier keiner Klärung. Denn rechtsfehlerhaft ist ihre strafmildernde Berücksichtigung jedenfalls deshalb, weil der Angeklagte diesen Zustand vorwerfbar selbst herbeigeführt hat und dies zudem in dem Bewusstsein, dass er im Anschluss noch sein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen wird – sog. Trinken in Fahrbereitschaft.

c) Indem das Landgericht dies außer Acht gelassen hat, hat es nicht nur einen schuldbegründenden Umstand in sich widersprüchlich strafmildernd gewertet, sondern zugleich wesentliche schulderhöhende Umstände nicht in seine Strafzumessungserwägungen einbezogen.

Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2017 – GSSt 3/17 – (BGHSt 62, 247) stellt das selbstverantwortliche Sich-Betrinken des Täters vor der Tat für sich allein einen schulderhöhenden Umstand dar, der sowohl bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB als auch im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt werden darf, ohne dass dies von einzelfallbezogenen Feststellungen dazu abhängig ist, ob sich auf Grund der jeweiligen persönlichen oder situativen Verhältnisse das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung für den Täter vorhersehbar signifikant erhöht hatte. Durch den Alkoholmissbrauch versetzt sich der Sich-Betrinkende in einen Zustand, der durch Enthemmung, Verminderung von Einsichts- und Urteilsvermögen sowie Verschlechterung von Körperbeherrschung und Reaktionsfähigkeit gekennzeichnet ist. Das so beschriebene dem Alkoholkonsum selbst innewohnende Risiko zählt zum Allgemeinwissen und ist selbst Menschen von geringer Lebenserfahrung in aller Regel bekannt. Geht jemand dieses allgemeinkundige Risiko einer Alkoholintoxikation vorwerfbar ein, sind bereits allein dadurch das Handlungsunrecht seiner begangenen Tat sowie die Tatschuld signifikant erhöht (BGH aaO).

Dies greift auch bei Straftaten aufgrund von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit nach §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a und 316 StGB. Der Schuldumfang bestimmt sich in derartigen Fällen auch danach, ob der Täter im Zeitpunkt der Alkoholaufnahme wenigstens damit rechnen musste, dass er noch ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen werde, ob er also in Fahrbereitschaft den Alkohol getrunken hat (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 606). Dies gilt schon im Falle der Verurteilung wegen einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt, ist aber erst recht von Bedeutung, wenn es infolge der trunkenheitsbedingten Fahruntüchtigkeit zu einem Verkehrsunfall gekommen ist (OLG Köln, Beschluss vom 3. Juli 2009 – 83 Ss 51/09, StV 2010, 527).

3. Da die Revision bereits mit dem Angriff gegen den Strafausspruch Erfolg hat, bedarf es eines näheren Eingehens auf die vom Strafausspruch abhängige Bewährungsentscheidung nicht. Auch diese begegnet aber rechtlichen Bedenken.

Bei der Entscheidung über die Strafaussetzung ist dem Tatgericht allerdings ein weiterer Beurteilungsspielraum zuerkannt, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat. Hat das Tatgericht die für und gegen die Aussetzung sprechenden Umstände gesehen und gewürdigt, ist dessen Entscheidung auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Bewertung denkbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16, StraFo 2016, 420). Hier beanstandet die Staatsanwaltschaft indes zu Recht, dass nicht alle gegen die Aussetzung sprechenden Umstände gewürdigt worden sind.

a) Insoweit sind zunächst die vorstehend unter 2. aufgezeigten, bereits im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt gebliebenen schulderhöhenden Umstände anzuführen.

b) Zudem hat das Landgericht ausgeführt, dass gegen den Angeklagten geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei für die nach § 56 Abs. 1 StGB anzustellende Prognose „ohne Belang“, weil es gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Dies steht in Widerspruch zu den Strafzumessungserwägungen, in denen das Landgericht noch rechtsfehlerfrei darauf abgestellt hat, dass die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht daran hindert, den von diesem Ermittlungsverfahren ausgehenden Warneffekt strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 – 1 StR 698/86, BGHSt 34, 299; BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 472/04, NStZ-RR 2005, 72). Zutreffend hat das Landgericht dabei die erforderliche spezifische Warnfunktion vor allem in der Tatsache gesehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis für die Dauer von fast sieben Monaten vorläufig entzogen worden war und dass ihm der Führerschein erst am 30. Januar 2017, mithin nur rund zwei Monate vor der abgeurteilten Tat wieder ausgehändigt worden war. Die Missachtung eines solchen Warneffekts hat aber nicht nur für die Strafzumessung, sondern insbesondere für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 312/08, Rn. 11, juris). Denn § 56 Abs. 1 StGB erfordert die Prognose, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird.

c) Soweit das Landgericht schließlich unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Potsdam (Beschluss vom 23. Dezember 2008 – 1 Ss 85/08, juris) die Auffassung vertritt, dass bei Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB eine Versagung der Strafaussetzung nach § 56 Abs. 3 StGB „in der Regel“ ausscheidet, kann ihm nicht gefolgt werden. Eine solche „Regel“ gibt es nicht (BGH, Urteil vom 6. Juli 2017
4 StR 415/16, NJW 2017, 3011). Dem widerstreitet schon die Systematik des § 56 StGB, der in Absatz 3 gerade für den Fall einen Versagungsgrund vorsieht, in dem – neben der günstigen Legalprognose – besondere Umstände für eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Gesichtspunkte; die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet, ist deshalb unter allseitiger Würdigung von Tat und Täter zu entscheiden, wobei generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukommt (BGH aaO).


Einsender: 3. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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