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Entscheidungen

Zivilrecht

Besorgnis der Befangenheit, Zivilprozess

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 03.06.2019 - 5 W 19/19

Leitsatz: Hat der zuständige Richter eines Zivilprozesses betreffend ein Elektrofahrzeug mit einem - wenn auch nicht typengleichen - Elektrofahrzeug desselben Herstellers ähnliche Reichweiteprobleme, wie sie der Kläger geltend macht, gehabt, ist bei vernünftiger Sichtweise nachvollziehbar, dass der Beklagte befürchtet, der Richter sei befangen.


In pp.

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27.03.2019 wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 07.03.2019, Geschäftsnummer 13 O 1891/18, wie folgt abgeändert:

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 07.02.2019 gegen den Richter pp. ist begründet.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.600,69 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien haben einen Kaufvertrag über einen Pkw1 geschlossen. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihr zugesagt, das Fahrzeug habe eine Reichweite von 300 km. Diese könne aber bei winterlichen Temperaturen nicht erreicht werden. Sie hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und begehrt dessen Rückabwicklung.

Der zuständige Einzelrichter, Richter pp. hat unter dem 07.02.2019 die Parteien darauf hingewiesen, er habe selbst im Sommer 2014 ein Pkw vom Typ Pkw2 gekauft. Er sei damit jahrelang zwischen Ort2 und Ort3 gependelt. Im Winter 2014/2015 habe er entgegen seiner Erwartung festgestellt, dass es nicht möglich sei, bei Minusgraden mit eingeschalteter Heizung oder einer Geschwindigkeit auf der Autobahn von mehr als 80 km/h von Ort2 nach Ort3 und zurück zu kommen.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2019 hat die Beklagte beantragt,
den zuständigen Einzelrichter pp. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Dieser hat unter dem 13.02.2019 im Rahmen seiner dienstlichen Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO mitgeteilt, es treffe zu, dass seine Erwartungen in die Leistungsfähigkeit eines Elektroautos im Winterbetrieb enttäuscht worden seien. Einen Sachmangel habe er darin aber nicht gesehen und entsprechend auch keine Mängelrechte gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht. Es treffe ebenfalls zu, dass es sich bei dem von ihm erworbenen Fahrzeug (Typ Pkw2) um einen anderen Fahrzeugtyp als das streitgegenständliche Fahrzeug (Pkw1) handele. Der streitgegenständliche Fahrzeugtyp habe eine größere Reichweite als ein Pkw2.

Die Kammer hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten mit Beschluss vom 07.03.2016 für unbegründet erklärt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Besorgnis der Befangenheit bestehe nicht. Damit, dass der abgelehnte Richter offengelegt habe, dass er selbst ein ähnliches Fahrzeug besessen und bestimmte Erfahrungen gemacht habe, habe er gerade gezeigt, dass er um äußerste Objektivität bemüht sei und eben nicht zum Vor- oder Nachteil einer der Parteien entscheiden wolle. Ein Schein, einer Seite besonders zuzuneigen, werde aus der Sicht einer verständigen Partei damit gerade nicht erweckt. Eine Voreingenommenheit sei nicht erkennbar.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27.03.2019. Sie meint, die Argumentation der Kammer beruhe auf einem Zirkelschluss. Es bestehe ein objektiver Grund für die Besorgnis der Befangenheit. Dieser entfalle nicht dadurch, dass der jeweilige Richter die Gründe von sich aus offenlege.

Sie beantragt,
den Beschluss vom 07.03.2019 aufzuheben und nach den Anträgen gemäß Schriftsatz vom 07.02.2019 zu erkennen.

Ausweislich des Beschlusses vom 28.03.2019 hat die Kammer der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Hierzu hat sie ausgeführt, eine Voreingenommenheit sei auch aus Sicht einer vernünftigen Partei nicht gegeben, wenn der zuständige Einzelrichter mitteile, ein ähnliches Fahrzeug mit bestimmten Eigenschaften besessen zu haben. Gleichzeitig sei mitgeteilt worden, dass er diese nicht als Mangel angesehen habe. Das Vorbringen der sofortigen Beschwerde führe nicht zu einer anderen Beurteilung.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zulässig und begründet. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 07.02.2019 ist gemäß §§ 44 Abs. 1, 42 Abs. 1 ZPO zulässig und begründet.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Dem Senat ist bekannt, dass in der 13. Zivilkammer wegen einer personellen Veränderung eine Umverteilung der Zuständigkeiten ansteht. Der bislang zuständige Einzelrichter pp. wird in dieser Sache zwar seine Zuständigkeit verlieren. Er wird aber der Kammer weiter angehören und in dieser Sache als Vertreter in zweiter Linie zuständig bleiben. Dass der Vertretungsfall eintreten wird, ist insbesondere wegen der anstehenden Urlaubszeit nicht völlig unwahrscheinlich.

Gegen Richter pp. besteht hier der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Zwar hat der Senat keinen Zweifel daran, dass der zuständige Einzelrichter diese Sache ohne Parteinahme für die eine oder die andere Partei bearbeiten würde. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/G. Vollkommer, 32. Aufl., § 42 ZPO, Rn. 9). Hier hat der zuständige Richter ähnliche Reichweiteprobleme mit einem – wenn auch nicht typengleichen – Elektrofahrzeug desselben Herstellers gehabt, wie die Klägerin sie in diesem Rechtsstreit behauptet, und zwar im Wesentlichen auf der gleichen Strecke wie diese (von Ort2 nach Ort3 und zurück). Dass die Beklagte hierauf die Befürchtung stützt, der zuständige Einzelrichter könne vor dem Hintergrund der von ihm angezeigten Erfahrungen möglicherweise den Standpunkt der Klägerin besser nachvollziehen als ihren eigenen und sich hierdurch bei seiner Entscheidung leiten lassen, ist bei vernünftiger Sichtweise nachvollziehbar. Dass der Einzelrichter pflichtgemäß von sich aus diese Umstände angezeigt hat, lässt die Besorgnis der Befangenheit nicht entfallen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 GKG. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bei einer Richterablehnung entspricht dem Wert der Hauptsache (Zöller/Herget, 32. Auflage, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort "Ablehnung"), der hier 5.600,67 € beträgt.


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