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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, schwierige Sachlage, Wiedererkennensproblematik

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 19.07.2019 - 25 Qs 961 Js 82097/18 (63/19)

Leitsatz: Ist nach Aktenlage im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Beweise auch die Beurteilung des Wertes eines wiederholten Wiedererkennens im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage aufgrund einer vorherigen Wiedererkennung auf zu würdigen bzw. zu erörtern, liegen die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO wegen einer schwierigen Sachlage geboten.


Landgericht Magdeburg
5. Große Strafkammer

Beschluss
25 Qs 961 Js 82097/18 (63/19)

In der Beschwerdesache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Körperverletzung

hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 19.07.2019 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 22.05.2019 - Az.: 7 Ds 961 Js 82097/18, durch den die Beiordnung von Rechtsanwalt pp. abgelehnt wurde, aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt pp. als notwendiger Verteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe:

l.

Mit der Anklageschrift vom 06.02.2019 der Staatsanwaltschaft Magdeburg — Zweigstelle Halberstadt — wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 10.05.2018 gegen 20.00 Uhr in Wernigerode eine Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten pp. begangen zu haben, indem er ihn ohne rechtfertigenden Grund einmal mit der Faust in das Gesicht geschlagen, wobei pp. eine Nasenbeinfraktur einhergehend mit Nasenbluten und Schmerz n erlitten habe. Der Verletzte hat insoweit auch Strafantrag gestellt. Im Übrigen wurde seitens der Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

Das Amtsgericht hat diese Anklage durch Beschluss vom 08.04.2019 zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter zugelassen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.04.2019 beantragte der Angeklagte die Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger mit der Begründung, die Beiordnung sei zwingend geboten aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte im Hinblick auf § 27 JGG unter Bewährung stehe und diese Vorschrift für einen juristischen Laien nur schwer zu verstehen sei, insbesondere auch im Hinblick auf den Umgang mit dieser Norm in einem Folgeverfahren. Darüber hinaus seien im Ermittlungsverfahren mehrere Wahllichtbildvorlagen durchgeführt worden, deren Überprüfung nur mittels eines Rechtsanwaltes, der auch Akteneinsicht erhalte, möglich sei.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt, da weder die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO noch die des § 140 Abs. 2 StPO vorlägen. Auf die Vorschrift des § 27 JGG käme es nicht an, da die angeklagte Tat vor der Entscheidung gemäß § 27 JGG und damit nicht in der Bewährungszeit begangen worden sei.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.06.2019 legte der Angeklagte Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss ein mit der Begründung, dass sich das Gericht nicht mit der sachdienlichen Verteidigung zur Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften und der Rechtsprechung hinsichtlich der Erstellung einer Wahllichtbildvorlage auseinandergesetzt habe, die immer einen Fall der notwendigen Verteidigung begründe und im Übrigen sich auch mit der Problematik des § 27 JGG nur ungenügend auseinandergesetzt habe, da sich auch eine Tat, die vor Erlass einer Entscheidung gemäß § 27 JGG begangen worden und zum Zeitpunkt des Erlasses noch nicht bekannt gewesen sei, auf nachfolgende Entscheidung auswirke könne.

Il.

Die zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

Dem Angeklagten ist aufgrund der Schwierigkeit der Sachlage ein Verteidiger gemäß § 140 Abs. 2 StPO zu bestellen. Nach Aktenlage wurde mit insgesamt vier Zeugen, darunter auch mit dem Geschädigten, jeweils eine Wahllichtbildvorlage durchgeführt. Zwei Zeugen haben den Angeklagten als Täter hierbei nicht wiedererkannt, ein weiterer Zeuge stellte bei drei Personen Ähnlichkeiten mit dem Täter fest, und lediglich der Geschädigte konnte den Angeklagten als Täter mit Sicherheit wiedererkennen. Aus der Aussage des Geschädigten ergibt sich jedoch, dass er vor Durchführung der Wahllichtbildvorlage einem Bekannten von dem Vorfall erzählt und ihm gegenüber den Täter beschrieben hat. Daraufhin habe dieser Bekannte ihm gegenüber geäußert, er kenne den von ihm so beschriebenen Täter vom Handballsport und habe daraufhin alte Mannschaftsbilder herausgesucht, und auf diesen Bildern habe er den Täter wiedererkannt.

Nach Aktenlage ist daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Beweise auch die Beurteilung des Wertes eines wiederholten Wiedererkennens im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage aufgrund einer vorherigen Wiedererkennung auf Fotos , die dem Zeugen zuvor durch Dritte gezeigt worden sind, zu würdigen bzw. zu erörtern. Für diesen Fall hat die Kammer bereits in einer Entscheidung vom 20.06.2018 — Az.: 25 Qs 56/18 —, veröffentlicht in juris, entschieden, dass in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO wegen der schwierigen Sachlage geboten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 S. 1 StPO analog.


Einsender: RA W. Siebers, Braunschweig

Anmerkung:


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