Gericht / Entscheidungsdatum: AG Herford, Beschl. v. 11.04.2019 - 11 OWi 895/18 (b)
Leitsatz: Auch im Bußgeldverfahren muss die Verwaltungsbehörde, wenn wenn sie gegen eine Person einen starken Tatverdacht hat, von der Zeugen- zur Betroffeneneigenschaft übergehen.
Amtsgericht Herford
Beschluss
In dem Erzwingungshaftverfahren
gegen pp.
Dem Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Ordnungsgeldbescheid des Bürgermeisters der Stadt Herford vom 04.04.2019 wird stattgegeben. Der Ordnungsgeldbescheid des Bürgermeisters der Stadt Herford vom 04.04.2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe:
Der nach § 62 OWiG zulässige Antrag ist begründet.
Zu Unrecht hat der Bürgermeister der Stadt Herford dem Zeugen pp. gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 161a Abs. 2, 51 StPO, 6 Abs. 1 EGStGB ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 auferlegt, da der Betroffene zu dem Vernehmungstermin als Zeuge nicht erscheinen musste. Zwar ist der Zeuge grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten, denn im Bußgeldverfahren hat die Verfolgungsbehörde gemäß § 46 Abs. 2 OWiG dieselben Rechte wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten. Sie kann also im Zuge ihrer Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes auch Zeugen vernehmen und sie zu diesem Zwecke vorladen.
In diesem Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der mit einer Vollmacht versehenen Verteidiger des Betroffenen vor dem anberaumten Zeugentermin am 04.04.2019 der Verwaltungsbehörde bereits am 27.03.2019 mitteilte, dass der Betroffene als Fahrzeugnutzer neben zwei weiteren möglichen Fahrern in Betracht kommt und in dieser Eigenschaft von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht. Dass er ein solches Auskunftsverweigerungsrecht hat, wenn er der Gefahr ausgesetzt wird, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, darauf wurde er mit dem Schreiben vom 21.03.2019 von der Verwaltungsbehörde bereits hingewiesen.
Die Verwaltungsbehörde hätte damit ab Zugang des Schreibens des Verteidigers vom 27.03.2019 pp. als Betroffenen und nicht mehr als Zeugen behandeln dürfen. Denn wie im Strafrecht muss die Ermittlungsbehörde, wenn sie einen starken Tatverdacht hat, wie es hier nach der Angabe des Verteidigers der Fall gewesen sein musste, von der Zeugen- zur Betroffeneneigenschaft übergehen müssen, da sie ansonsten die Betroffenenrechte, wie das Aussageverweigerungsrecht, umgehen würde und damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreitet (vgl. BGHSt 10, 8, 12; 37, 48, 51 ff.).
Das ist hier geschehen. Die Verwaltungsbehörde hätte pp. ab dem Zugang des Schreibens als Betroffenen behandeln müssen, so dass der Betroffene an sich ordnungsgemäß von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. In seiner Eigenschaft als Betroffener musste er insoweit auch nicht zum Zeugentermin erscheinen. Mithin war er ordnungsgemäß entschuldigt. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.
Herford, 11.04.2019 Amtsgericht
Einsender: RA L. H. Kroll, Berlin
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