Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hamburg, Beschl. v. 01.08.2019 - 610 Qs 21/19
Leitsatz: 1. Bereits der Wortlaut des § 76a Abs. 4 StGB verlangt für die Anordnung einer selbstständigen Einziehung, dass sich das Verfahren, in dem die Sicherstellung erfolgt, auf eine Katalogtat i.S.d. § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB bezieht.
2. Die bloße nach erfolgter Sicherstellung vorgenommene Einleitung eines neuen Verfahrens wegen des Verdachts einer Anlasstat i.S.d. § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB genügt nicht für eine selbstständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB.
610 Qs 21/19
Landgericht Hamburg
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen: Verdachts der Geldwäsche
beschließt das Landgericht Hamburg Große Strafkammer 10, als Jugendkammer durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am 1.8.2019:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13.6.2019 (334 Gs 1119) aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 12.3.2019 auf selbstständige Einziehung des bei dem Betroffenen sichergestellten Bargeldbetrages i.H.v. 5000 abgelehnt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Gründe:
Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen am 25.9.2018 im Verfahren zum Aktenzeichen pp. wegen des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung wurde u.a. in einer im Kleiderschrank hängenden Jacke ein Bargeldbetrag i.H.v. 5.000 - in kleiner Stückelung -aufgefunden und sichergestellt. Wegen dieses Bargeldfundes wurde von Amts wegen eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 261 StGB gefertigt. Am 22. Oktober 2018 hat die Staatsanwaltschaft Hamburg beantragt, hinsichtlich des gemäß § 111b, 111c StPO sichergestellten Bargeldes i.H.v. 5.000 die Beschlagnahme gemäß §§ 111b Abs. 2 i.V.m. § 105 i.V.m. § 98 Abs. 2 S.2 StPO entsprechend sowie die Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 2 S. 2 StPO gerichtlich zu bestätigen. Diesen Antrag begründete die Staatsanwaltschaft u.a. damit, dass dringende Gründe dafür vor[liegen], dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen, denn schon mit Blick auf die Bezugsverfahren Az. 4204 Js 827/18, Az. 4204 Js 625/18 und Az. 4200 Js 617/15 (denen u.a. der Tatvorwurf der schweren räuberischen Erpressung, nicht jedoch der Geldwäsche zugrunde lag) ist naheliegend, dass das Bargeld aus (gewerbsmäßigen) Diebstahls-, Erpressunqs- bzw. Raubtaten des Beschuldigten herrührt (Hervorhebung durch die Kammer)." Darüber hinaus trug die Staatsanwaltschaft zur Begründung vor, dass sich konkrete Anhaltspunkte für eine Herkunft des Bargelds aus (nicht näher dargelegten) Straftaten böten, weshalb der Verdacht einer Geldwäsche besteht". Das Amtsgericht bestätigte die Beschlagnahme mit Beschluss vom 14.11.2018 antragsgemäß, wogegen sich die seinerzeitige Beschwerde des damaligen Beschuldigten vom 30.11.2019 richtete, welche die Kammer mit Beschluss vom 24.1.2019 (Az. 610 Os 37/18) als unbegründet verwarf.
Mit Verfügung vom 12.3.2019 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und legte im Rahmen ihres Vermerks dar, dass die Ermittlungen nicht dazu geführt hätten, dass eine Vortat der Geldwäsche konkretisiert werden konnte. Mit weiterer Verfügung vom gleichen Tage beantragte die Staatsanwaltschaft im selbstständigen Einziehungsverfahren gemäß §§ 435, 437 StPO i.V.m. § 76a Abs. 4 StGB die selbstständige Einziehung des am 8.1.2016 (gemeint wohl: 25.9.2018) bei dem Betroffenen sichergestellten Bargelds i.H.v. 5.000 anzuordnen und trug i.R.d. Begründung u.a. vor, dass im Laufe der Ermittlungen (...) gegen den Betroffenen - insbes. wegen der Höhe des sichergestellten Geldbetrages von 5.000 und der kleinen Stückelung - auch der Verdacht der gewerbsmäßigen Geldwäsche (Katalogtat des § 76a Abs. 4 Nr10 i.V.m. §§ 261 Abs. 1 und Abs. 4 StGB)" bestanden habe. Die Staatsanwaltschaft hat im letzten Satz ihres Antrags ausgeführt, es gäbe keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich bei dem sichergestellten Bargeld in Höhe von 5.000 um Erlöse aus deliktischen Taten, hochwahrscheinlich Verbrechenstatbeständen gem. §§ 249, 253, 255 StGB handelt, die der Betroffene in seiner Jacke versteckte, um die Herkunft zu verschleiern" (Hervorhebungen jeweils durch die Kammer). Nach erfolgter Stellungnahme der Verteidigung vom 23.4.2019 legte die Staatsanwaltschaft i.R. ihres weiteren Vermerks vom 30.4.2019 ihre Rechtsauffassung nochmals dar. Das Amtsgericht ordnete sodann mit Beschluss vom 13.6.2019 die selbstständige Einziehung des am 25.9.2018 sichergestellten Bargeldbetrages i.H.v. 5.000 an, wogegen sich der Betroffene nunmehr mit der sofortigen Beschwerde wendet.
II.
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.6.2019 gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Voraussetzungen einer selbstständigen Einziehung gemäß § 76a Abs.4 StGB liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll ein aus einer rechtswidrigen Tat herrührender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen des Verdachts einer der in Satz 3 der Regelung genannten Straftat sichergestellt worden ist, auch dann selbstständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verurteilt werden kann.
a) Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Sicherstellung des Geldes in einem Verfahren wegen des Verdachts einer Katalogtat (sog. Anlassverfahren). Bereits der Wortlaut des § 76a Abs. 4 StGB verlangt für die Anordnung einer selbstständigen Einziehung, dass sich das Verfahren, in dem die Sicherstellung erfolgt, auf eine Katalogtat i.S.d. § 76a Abs. 4 S. 3 StGB bezieht. Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen erfolgte im Verfahren zum Aktenzeichen 117 Gs 427/18; einem Verfahren wegen des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung, die gerade keine Katalogtat nach § 76a Abs. 4 S. 3 StGB darstellt. In diesem (Bezugs-)Verfahren erfolgte auch die Sicherstellung des aufgefundenen Bargeldes i.H.v. 5.000. Ein Verfahren wegen einer Katalogtat i.S.d. § 76a Abs. 4 S.3 StGB, hier wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Geldwäsche (Ziff. 1 f), wurde erst aufgrund des aufgefundenen Bargeldbetrages und damit nach dessen Sicherstellung im Bezugsverfahren eingeleitet. Diese nachgelagerte Verfahrenseinleitung wegen einer Katalogtat erst nach Sicherstellung des Geldes im Rahmen des Verfahrens zu einer Nicht-Katalogtat ist nicht von § 76a Abs. 4 StGB erfasst. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der Vorschrift, sondern auch der Vergleich mit der Regelung des § 108 StPO für den Umgang mit Zufallsfunden. Auch dort ist nach entsprechender Sicherstellung im Ausgangs- bzw. Bezugsverfahren ein neues Ermittlungsverfahren einzuleiten, in dem sodann die Entscheidung darüber zu treffen ist, ob der einstweilen in Beschlag genommene Gegenstand als Beweismittel zu beschlagnahmen ist (Karlsruher Kommentar StPO, 8. Auflage 2019, § 108, Rn.5). Die einstweilige Beschlagnahme erfolgt jedoch - ebenso wie vorliegend die Sicherstellung im Rahmen des § 76a Abs. 4 StGB - im Ausgangsverfahren; nur die endgültige Beschlagnahme erfolgt in dem neu einzuleitenden Verfahren (vgl. hierzu: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage 2018, § 108 Rn.14; Beck OK StPO, 34. Edition, Stand 1.7.2019, § 108 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 108 Rn.7).
b) Dass die bloße nach erfolgter Sicherstellung vorgenommene Einleitung eines neuen Verfahrens wegen des Verdachts einer Anlasstat i.S.d. § 76a Abs. 4 S.3 StGB jedenfalls in der vorliegenden Konstellation für eine selbstständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB nicht genügen kann, ergibt sich ferner aus dem Sinn und Zweck der Regelung, die für ausgewählte schwere Straftaten insbesondere aus dem Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität das bestehende Abschöpfungsinstrumentarium ergänzen soll (vgl. Bundestagsdrucksache 18/9525 BI. 73). Lediglich in Fällen, in denen ein Verfahren wegen des Verdachts einer solchen schweren Straftat betrieben wird, besteht nach der der Neuregelung zugrundeliegenden Auffassung des Gesetzgebers das kriminalpolitisches Bedürfnis, die bestehenden Abschöpfungsmöglichkeiten um die eingriffsintensive Maßnahme der selbstständigen Einziehung zu erweitern. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der das ursprüngliche Verfahren nicht wegen einer Anlasstat i.S.d. § 76a Abs. 4 S.3 StGB geführt wurde, sondern wegen des Verdachts der schweren räuberischen Erpressung, bei der 60 bis maximal 460 Bargeld erbeutet worden sein sollen, besteht ein entsprechendes kriminalpolitisches Bedürfnis gerade nicht. In dieser Konstellation ist anders als in den Fällen von Terrorismus oder organisierter Kriminalität auch nicht zu erwarten, dass das aufgefundene Bargeld in die Begehung neuer Straftaten investiert wird (vgl. hierzu: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 76a StGB, Rn.11).
c) Die Vorschrift des § 76a Abs. 4 StGB auch auf Fälle anzuwenden, in denen die Durchsuchung und Sicherstellung im Rahmen von nicht wegen Katalogtaten geführten Ermittlungsverfahren erfolgt ist, würde nicht zuletzt die Gefahr bergen, dass der Katalog des § 76a Abs. 4 StGB obsolet wäre, da dann die bloße Annahme, aufgefundene Bargeldbeträge oder andere Vermögenswerte würden aus einer Geldwäsche herrühren, bei jeder entsprechenden Sicherstellung (auch in Bezugsverfahren, die gerade keine Katalogtaten zum Gegenstand haben) die Möglichkeit einer selbstständigen Einziehung eröffnen würde; eine Möglichkeit, die der Gesetzgeber, wie sich aus der Aufnahme eines bestimmten Straftatenkatalogs ergibt, ersichtlich nicht eröffnen wollte. Die entsprechende Gefahr wird auch im vorliegenden Fall besonders deutlich, da sich das Bezugsverfahren nicht auf eine Katalogtat richtete und über den Bargeldfund hinaus keine konkreten Anhaltspunkte zur Herkunft des Geldes vorlagen, die Annahme bzw. der Verdacht dieses könne einer - Katalogtat - Geldwäsche entspringen mithin selbst nach der ursprünglichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht näher lag als einer Herkunft des Geldes etwa aus originären Eigentums- der Vermögensstraftaten des Betroffenen wie etwa eines Raubs oder räuberische Erpressung, die gerade keine Katalogtaten im Sinne des § 76a Abs. 4 StGB darstellen; entsprechend ließ sich der Verdacht einer Geldwäsche auch im weiteren Verfahren nicht weiter konkretisieren, sondern wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft, ohne dass sich zwischenzeitlich weitere Ermittlungsansätze oder konkrete Verdachtsmomente ergeben hätten, gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
d) Eine Einziehung jedenfalls von Teilbeträgen des sichergestellten Bargeldes kommt nach alledem allenfalls im Rahmen anderer Verfahren - insbesondere des vorgenannten noch nicht abgeschlossenen Bezugsverfahrens - unter den Voraussetzungen der §§ 73 ff. StGB in Betracht. Ob die Umstände des vorgenannten Bezugsverfahrens eine entsprechende Einziehung ganz oder teilweise rechtfertigen, war von der Kammer im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, das sich lediglich gegen die selbständige Einziehung nach § 76a StGB richtet, nicht zu entscheiden; sollten auch insoweit die Voraussetzungen einer entsprechenden (vorläufigen) Einziehung ganz oder teilweise nicht vorliegen, wäre der sichergestellte Betrag (ggf. teilweise) an den Betroffenen wieder herauszugeben.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.
Einsender: RA C. Diedrich, Hamburg
Anmerkung:
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