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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, fortdauernde vorläufige Sicherstellung, Verhältnismäßigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Cottbus, Beschl. v. 10.04.2019 - 22 Qs 1/19

Leitsatz: Zur Frage der Verhältnismäßigkeit einer weiteren vorläufigen Sicherstellung nach Ablauf von 14 Monaten.


22 Qs 1/19
Landgericht Cottbus

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger
Rechtsanwalt Andreas Boine, Turnerweg 6, 01097 Dresden

wegen Verdachts des Besitzes kinderpornographischer Schriften

hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Cottbus - Strafbeschwerdekammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 10.04.2019 beschlossen:

Auf die Beschwerde vom 11. Dezember 2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 5. Dezember 2018 aufgehoben.

Die bei dem Beschwerdeführer bei der Durchsuchung am 18. Januar 2018 vorläufig sichergestellten Gegenstände sind an den Beschwerdeführer herauszugeben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts, anderen Personen den Besitz kinderpornografischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, verschafft zu haben, indem er mittels Internetanschluss auf der Online-Chat-Plattform „Chatstep" unter dem Nutzernamen pp. eine kinderpornografische Grafikdatei, die ein Mädchen von augenscheinlich unter 14 Jahren unter anreißerischer und unnatürlich geschlechtsbetonter Herausstellung seines unbekleideten Geschlechtsteils zeigt (weit gespreizte Beine), eingestellt habe, von wo aus andere „Chatstep"-Nutzer diese Datei herunterladen konnten und sollten.

Das Amtsgericht Cottbus ordnete deswegen mit Beschluss vom 25. September 2017 (70 Gs 2180/17) die Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des Beschwerdeführers sowie seiner Person und der in seinem Besitz befindlichen Kraftfahrzeuge an. Die Durchsuchung wurde am 18. Januar 2018 durchgeführt. Dabei wurden zwei Laptops, ein Notebook, zwei Handys und diverse Medien zu Speicherung digitaler Daten (Festplatten, UBS-Sticks und (micro-)SD-Karten) sichergestellt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 18. Januar 2018 nebst Folgeblatt (BI. 76 ff. d.A.) Bezug genommen. Da der Beschwerdeführer mit der vorläufigen Sicherstellung nicht einverstanden war, wurde die vorläufige Sicherstellung der am 18. Januar 2018 sichergestellten Gegenstände durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 5. Dezember 2018 zum Zwecke der Durchsicht richterlich bestätigt.

Gegen diese richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung der Gegenstände zur Durchsicht mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 11. Dezember 2018. Schon der Tatverdacht gründe sich auf eine offensichtlich fehlerhafte Annahme des Zeitpunkts der verfahrensgegenständlichen Handlung, weil sich die Abfrage der IP-Adresse auf den 13. Februar 2017, 09:11 Uhr MEZ bezogen habe, tatsächlich aber die inkriminierte Handlung am 13. Februar 2017, 09:11 Uhr UTC stattgefunden habe. Unabhängig davon könne aber die Fortdauer der Sicherstellung der Gegenstände keinen Bestand haben, weil sie nach Ablauf von (damals) 11 Monaten jedenfalls den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze. Kapazitätsengpässe im Bereich der Justiz könnten nicht zulasten des Beschwerdeführers gehen.

Die Staatsanwaltschaft verfügte unter dem 13. Dezember 2018 gegenüber der Polizei den dringenden Abschluss der Auswertung der sichergestellten Gegenstände.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Staatsanwaltschaft wurde gehört. Es wurde mit Schreiben des Landeskriminalamts vom 14. Februar 2019 mitgeteilt, dass aufgrund der hohen Arbeitsbelastung eine Auswertung des Datenbestandes bisher nicht abschließend möglich gewesen sei. Die Auswertung des Datenmaterials reihte sich seit der Dringlichkeitsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 13. Dezember 2018 in die Abarbeitung bereits bestehender dringender Auswertungsanträge ein. Der Vorgang sei aktuell in Bearbeitung. Darüber hinaus nahm die Staatsanwaltschaft auch zur Frage des Tatverdachts Stellung, wegen der näheren Einzelheiten dieser Stellungnahme wird auf die auch dem Beschwerdeführer zugänglich gemachte Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. Februar 2019 (BI. 191 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 304, 305 StPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar hat das Amtsgericht zu Recht den Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer bejaht. Dieser ist insbesondere nicht durch die im Hinblick auf die Uhrzeit fehlerhafte Abfrage der IP-Adresse bei der Deutschen Telekom AG entkräftet. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer auch noch eine Stunde nach der abgefragten Zeit, mithin der Tatzeit, dieselbe IP-Adresse nutzte, erscheint im derzeitigen Ermittlungsstand in dem für den Anfangsverdacht erforderlichen Maß hinreichend hoch, da bei dem von dem Beschwerdeführer genutzten Internetanschluss (DSL-Anschluss mit VoIP-Telefonie) die vormals übliche Zwangstrennung nach jeweils 24 Stunden und die damit verbundene Neuvergabe der dem Anschluss des Beschwerdeführers zugewiesenen IP-Adresse im Jahr 2017 deaktiviert war. Eine Neuvergabe der IP-Adresse hätte daher allenfalls durch eine manuelle Trennung seitens des Beschwerdeführers oder durch eine entsprechende Konfiguration des Routers bewirkt werden können. Abgesehen davon, dass nicht einmal der Beschwerdeführer eine solche Konfiguration behauptet, erscheint es auch fernliegend, dass ein Nutzer einer VoIP-Telefonie seinen Router so konfiguriert, dass es in kurzen Zeitabständen regelmäßig zu Verbindungsabbrüchen und damit zum Abbruch von Telefonaten kommt. Bereits aufgrund dieser Überlegungen ist der Anfangsverdacht zur Überzeugung der Kammer bei weitem aber noch nicht entkräftet, auch wenn dieser durch die sich hier ergebende zeitliche Diskrepanz gleichwohl etwas abgeschwächt sein mag. Darüber hinaus kommt aber noch der den Anfangsverdacht erhärtende Umstand hinzu, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Durchsuchung nach Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter gegenüber dem Polizeibeamten KHK pp. angab, dass er den Benutzernamen pp unter dem auch die Datei mit dem kinderpornografischen Inhalt eingestellt worden ist, jedenfalls früher einmal auf einer Internetplattform zur Partnersuche genutzt habe (BI. 53 d.A.).

Allerdings erscheint vor dem Hintergrund des etwas abgeschwächten Anfangsverdachts sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die sichergestellten Gegenstände seit dem 18. Januar 2018 und damit seit über 14 Monaten vorläufig sichergestellt sind, eine weitere vorläufige Sicherstellung nunmehr unverhältnismäßig. Zwar verkennt die Kammer dabei nicht, dass es durchaus zeitlich sehr aufwendig ist, die bei dem Beschwerdeführer sichergestellten technischen Geräte und Speichermedien auszuwerten. Allerdings begründet das mit der Auswertung befasste Landeskriminalamt die lange Dauer der Sicherstellung nicht mit der Fülle der auszuwertenden Technik, sondern mit der Auswertung in anderen vordringlichen Verfahren begründet. Der mithin eher in der mangelnden personellen Ausstattung der Ermittlungsbehörden liegende Grund der langen Dauer der vorläufigen Sicherstellung vermag diese aber von Verfassungs wegen nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 - Rn. 27, juris). Dies gilt auch, soweit - wie hier - nicht Artikel 2 Abs. 2 GG betroffen ist, sondern das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG (so auch LG Kiel, Beschluss vom 19. Juni 2003 - 32 Qs 72/02 - juris; ähnlich LG Köln, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 109 Qs 219/02 - juris und unter Berufung auf diese Entscheidungen: LG Limburg, Beschluss vom 22. August 2005 - 5 Ws 96/05 --juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO in entsprechender Anwendung.


Einsender: RA A. Boine, Dresden

Anmerkung:


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