Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hannover, Beschl. v. 12.06.2019 - 33 Qs 38/19
Leitsatz: Für die Begründung der für die Anordnung einer DNA-Feststellung erforderlichen Wiederholungsgefahr reicht es nicht aus, wenn allein auf die Schwere der begangenen Straftat verwiesen wird, die auf "ein hohes Maß an krimineller Energie hindeute. Vielmehr sind auf den konkreten Einzelfall bezogene Umstände zu Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstige Erkenntnisse, die die Annahme der Gefahr von erheblichen Straftaten des Betroffenen in der Zukunft tragen könnten und durch das Gericht festzustellen sind, mitzuteilen.
Landgericht Hannover
33 Qs 38/19
Beschluss
In dem DNA-Feststellungsverfahren pp.
wegen: Verstoßes gegen das BtMG
Verteidiger: Rechtsanwalt Nordmann, Hannover
hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts Hannover auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 06.05.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27.03.2019 am 12.06.2019 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Hannover wird aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover vom 05.03.2019 wird abgelehnt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den Beschuldigten sowie einen Mittäter am 11.02.2019 Anklage wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor dem Amtsgericht Hannover Schöffengericht erhoben. Da der Beschuldigte der Entnahme einer DNA-Probe nicht zugestimmt hatte, hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 05.03.2019 beantragt, die Entnahme einer Speichelprobe sowie deren molekular-genetische Untersuchung gemäß §§ 81g, 81a StPO anzuordnen. Mit dem angefochtenen Beschluss ordnete das Amtsgericht Hannover gemäß §§ 81a Abs. 1, Abs. 2, 81g Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 StPO und § 8 Abs. 6 BKAG an, dass dem Betroffenen Körperzellen entnommen und zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden dürfen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten vom 06.05.2019, die im Wesentlichen einwendet, dass keine Straftat von erheblicher Be-deutung vorliege, weil nicht feststehe, dass der Angeklagte der Täter gewesen sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung gemäß § 81g Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StPO liegen nicht vor, so dass der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27.03.2019 aufzuheben war.
Der nach § 81g Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StPO erforderliche Tatverdacht liegt vor. Die An-ordnung einer DNA-Identitätsfeststellung setzt lediglich voraus, dass der Betroffene einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, wobei es auf den Verdachtsgrad nicht ankommt, so dass auch einfacher Tatverdacht (Anfangsverdacht) ausreicht. Diese Verdachtslage muss zum Zeitpunkt der Anordnung der Entnahme und der Untersuchungsanordnung nach § 81f bestehen (KK-StPO/Hadamitzky, 8. Aufl. 2019, StPO § 81g Rn. 4a, 5).
Es fehlt jedoch an der erforderlichen Negativprognose, wonach wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder auf Grund sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehen muss, dass gegen ihn künftig erneut ein (oder mehrere) Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung, wegen Verbrechen oder Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen mehrerer sonstiger Straftaten im Sinne von Abs. 1 S. 2 zu führen sind. Für die Begründung der für die Anordnung erforderlichen Wiederholungsgefahr reicht es nicht aus, dass der angefochtene Beschluss insoweit allein auf die Schwere der begangenen Straftat verweist, die auf ein hohes Maß an krimineller Energie" hindeute. Auf den konkreten Einzelfall bezogene Umstände zu Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstige Erkenntnisse, die die Annahme der Gefahr von erheblichen Straftaten des Betroffenen in der Zukunft tragen könnten und durch das Gericht festzustellen sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 62 Auflage, § 81g Rn. 10a), werden nicht mitgeteilt. Solche sind derzeit auch nicht ersichtlich, insbesondere ist der Beschuldigte nicht vorbestraft. Insofern reicht allein das Vorliegen einer bloß abstrakten Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens - insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die Anordnung in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen wird - für die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g Abs. 1 StPO nicht aus. Eine andere Entscheidung könnte sich daher erst nach Abschluss des Strafverfahrens ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 467 StPO.
Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht zulässig (§ 310 Abs. 2 StPO).
Einsender: RA B. Nordmann, Hannover
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