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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Bauartzulassungsverfahren, Offenlegung von Unterlagen, PTB

Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.04.2019 – 14 PS 4/19

Leitsatz: Zum Anspruch gemäß Informationsfreiheitsgesetz gegenüber der PTB auf Offenlegung von Unterlagen aus einem Bauartzulassungsverfahren betreffend ein Geschwindigkeitsmessgerät.


In pp.

Die Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2. vom 7. September 2017 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164 der ungeschwärzt vorgelegten Aktenbestandteile (Beiakte 7 zum Zwischenverfahren 14 PS 4/19) bezieht. Im Übrigen ist die Sperrerklärung rechtmäßig.

Gründe

I.

In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig – 9 A 209/16 – begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, weitere Unterlagen aus einem Verfahren über die Bauartzulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten offenzulegen.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit E-Mail vom 7. Januar 2014 die Überlassung näher bezeichneter, auf die Bauartzulassung bezogener Informationen. Hierauf legte die Beklagte mit Bescheid vom 17. April 2015 nur einen Teil der geforderten Unterlagen offen und lehnte im Übrigen einen Informationszugang gemäß § 5 Abs. 1, § 6 Satz 2 IFG ab. Der Kläger brachte mit Schreiben vom 12. Mai 2015 Einwände vor, woraufhin die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2015 erließ.

Der Kläger hat am 26. August 2015 bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die mit Schreiben vom 12. Mai 2015 angeforderten Unterlagen zu vervollständigen.

Mit Verfügung vom 27. August 2015 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts die Beklagte unter anderem aufgefordert, die dort geführten Unterlagen vollständig vorzulegen.

Nachdem das Verwaltungsgericht durch Verfügung vom 27. Juni 2017 Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Verwaltungsvorgänge gemacht hatte, hat die Beklagte dem Verwaltungsgericht lediglich einen Teil der von dem Informationsbegehren erfassten Vorgänge vorgelegt. Im Übrigen hat der Beigeladene zu 2. unter Berufung auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erklärt, dass die Vorlage der vollständigen Vorgänge nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erfolgen dürfe (Sperrerklärung vom 7. September 2017).

Nach schriftlicher Erörterung der Entscheidungserheblichkeit mit den Beteiligten hat das Verwaltungsgericht Braunschweig – 9. Kammer – durch Beschluss vom 25. September 2018 festgestellt, dass die Einsichtnahme in die von dem Beigeladenen zu 2. verweigerte Vorlage der vollständigen Verfahrensakten der Beklagten insoweit erforderlich und entscheidungserheblich ist, als sich das Auskunftsersuchen des Klägers auf die zu den Ziffern 7 bis 12 seines Schreibens an die Beklagte vom 12. Mai 2015 genannten Informationen bezieht. Ob der Ausschlusstatbestand des § 6 Satz 2 IFG dem begehrten Informationszugang entgegenstehe, könne nicht ohne Einsicht in die streitgegenständlichen Unterlagen beurteilt werden. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren zur Durchführung eines Zwischenverfahrens an den zuständigen Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts abgegeben.

Hierauf hat der Kläger sinngemäß beantragt, im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beigeladenen zu 2. vom 7. September 2017 festzustellen.

Im Zwischenverfahren hat der Beklagte die weiteren auf den Antrag des Klägers bezogenen Vorgänge dem Fachsenat in Kopie vorgelegt (Beiakte 7).

II.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 7. September 2017 ist zulässig (1.) und in dem aus dem Entscheidungsausspruch ersichtlichen Umfang begründet (2.).

1. Der Antrag des Klägers auf Entscheidung des nach § 189 VwGO zuständigen Fachsenats im selbstständigen Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ist zulässig.

Der Antrag setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache voraus, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Das Gericht der Hauptsache muss dabei durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Je nach Fallkonstellation darf sich das Hauptsachegericht nicht allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall – sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe – Stellung nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.2010 – 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233; v. 21.1.2014 – 20 F 1.13 -, juris Rn. 13 f. jeweils m.w.N.).

Eine diesen Anforderungen genügende förmliche Verlautbarung zur rechtlichen Erheblichkeit der Informationen zu Nr. 7 bis 12 des Schreibens des Klägers vom 12. Mai 2015 für die Entscheidung des Rechtsstreits hat das Verwaltungsgericht hier getroffen. Die Entscheidungserheblichkeit dieser Aktenbestandteile ist in dem Beschluss der 9. Kammer vom 25. September 2018 bezogen auf den streitgegenständlichen Anspruch auf Informationszugang und den von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgrund nach § 6 Satz 2 IFG sorgfältig und nachvollziehbar begründet worden.

An diese nachvollziehbare Begründung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist der Fachsenat gebunden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.2009 – 20 F 4.09 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 54). Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist oder wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der Aktenvorlage zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.3.2013 – 20 F 8.12 -, juris Rn. 11 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Zugleich beschränkt die Verlautbarung über die Entscheidungserheblichkeit den Prüfungsumfang des Fachsenats. Soweit die Entscheidungserheblichkeit nicht bejaht wurde, sind weitere in der Sperrerklärung aufgelistete Aktenbestandteile nicht Gegenstand des Zwischenverfahrens (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.11.2015 – 20 F 4.14 -, AfP 2016, 462, juris Rn. 15). Das betrifft insbesondere Mess- und Prüfergebnisse der Beklagten. Die Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 25. März 2019 betreffen daher überwiegend nicht den Verfahrensgegenstand. Die vom Verwaltungsgericht als entscheidungserheblich bezeichneten Nr. 7 bis 12 des Schreibens des Klägers vom 12. Mai 2015 entsprechen Blatt 104-107, 108-122, 125-127, 131, 132-160, 161-162 und 163-165 der dem Kläger geschwärzt oder teilgeschwärzt übermittelten Unterlagen (Beiakten 1, 3).

2. Der Antrag ist teilweise begründet. Die Sperrerklärung ist in dem im Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang rechtswidrig.

a. Die Sperrerklärung genügt – noch – den sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebenden formellen Anforderungen (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Beschl. v. 6.11.2008 – 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51; Senatsbeschl. v. 2.7.2015 – 14 PS 1/15 -, NdsVBl. 2016, 60; Thüringer OVG, Beschl. v. 27.3.2003 – 10 SO 337/01 -, juris Rn. 33; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 99 Rn. 20 m.w.N.).

Der Beigeladene zu 2. hat im Hauptsacheverfahren seine Weigerung, die vom Hauptsachegericht angeforderten Akten vollständig vorzulegen, deutlich zum Ausdruck gebracht und das Vorliegen von Geheimhaltungsgründen geltend gemacht. Eine präzisierende Umschreibung und Zuordnung der geltend gemachten Weigerungsgründe unter Angabe von Seiten- oder Blattzahlen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.7.2015 – 14 PS 1/15 -, juris Rn. 14 m.w.N.) fehlt allerdings. Sie ist hier ausnahmsweise – noch – entbehrlich, weil eine Zuordnung der Gründe zu dem Akteninhalt möglich ist. Dies beruht auf dem noch überschaubaren Umfang der Unterlagen, die Gegenstand des Zwischenverfahrens sind, und der Tatsache, dass klar ersichtlich ist, welche der in der Sperrerklärung angeführten Weigerungsgründe in Bezug auf diesen Gegenstand des Zwischenverfahrens erheblich sind (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 13.2.2014 – 20 F 11.13 -, juris Rn. 11 ff.).

b. Die Aktenbestandteile, die dem Fachsenat vorgelegt worden sind, reichen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung aus. Allerdings handelt es sich nicht um einen Verwaltungsvorgang oder einen Auszug aus einem Verwaltungsvorgang, sondern um einen eigens für das Zwischenverfahren zusammengestellten Ordner, der die geschwärzten und ungeschwärzten Seiten, die in dem Zwischenverfahren gegenständlich sind, gegenüberstellt. Der Fachsenat hat jedoch geschwärzte und ungeschwärzte Seiten verglichen und hat keinen Zweifel, dass es sich bei den vorgelegten ungeschwärzten Seiten dem Inhalt nach um diejenigen Aktenbestandteile handelt, auf die sich die Sperrerklärung bezieht.

c. Der Fachsenat kann nicht feststellen, dass die vom Beigeladenen zu 2. in der Sperrerklärung vom 7. September 2017 geltend gemachten Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 VwGO für alle der nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile gegeben sind.

aa. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde (Var. 1) oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz (Var. 2) oder ihrem Wesen nach (Var. 3 ) geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Beschl. v. 27.4.2016 – 20 F 13.15 -, juris Rn. 20; vgl. Senatsbeschl. v. 24.1.2003 – 14 PS 1/02 -, NVwZ 2003, 629; v. 8.5.2017 – 14 PS 1/17 -, NVwZ-RR 2017, 697, juris Rn. 30).

bb. Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe fehlt es für Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164 teilweise an einem Geheimhaltungsgrund.

(1) Entgegen dem Klägervorbringen scheidet ein Schutz von Betriebsgeheimnissen in Bezug auf die Geschwindigkeitsmessgeräte, auf die sich der Informationszugangsanspruch bezieht, allerdings nicht von vornherein aus.

Ein nachteiliger Einfluss auf die Wettbewerbsposition ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Gerät F. nicht mehr hergestellt wird und die Beigeladene zu 1. sich aus diesem Gebiet der Messtechnik zurückgezogen hat. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Beigeladene zu 1. sich darauf berufen, weiterhin Entfernungsmessgeräte zu produzieren. Nähere Kenntnisse über in der Vergangenheit bei Geschwindigkeitsmessgeräten verwendete Messtechnik und Programmkomponenten können bereits deswegen Wettbewerbsrelevanz besitzen. Im Übrigen kann die Exklusivität technischen Wissens für ein weiterhin am Markt tätiges Unternehmen selbst dann einen wirtschaftlichen Wert besitzen, wenn in dem konkreten Marktsegment keine Produktion mehr erfolgt, weil das Wissen auch auf andere Weise, etwa über Lizenzvergaben in das Ausland, wirtschaftlich genutzt werden kann.

Auch der Vortrag, Bauteile könnten kein Betriebsgeheimnis darstellen, überzeugt nicht. Soweit der Kläger auf Patente verweist, trägt er nur vor, dass darin die Funktionsweise erklärt werde. Daraus ergibt sich nicht, dass die verbauten Komponenten offengelegt worden wären. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die verwendeten Bauteile leicht dadurch festgestellt werden könnten, dass das Geschwindigkeitsmessgerät geöffnet oder sonst untersucht wird. Auf elektronischen Bauteilen, auch Laserdioden, ist nicht notwendig eine Typenbezeichnung vorhanden. Ohne eine solche Bezeichnung mag es zwar noch möglich sein, den verwendeten Typ durch Messungen, insbesondere die Aufnahme von Kennlinien, oder Vergleich mit im Handel erhältlichen Stücken zu bestimmen. Der damit verbundene Aufwand führt aber dazu, dass es an der Offenkundigkeit fehlt (vgl. zur Bedeutung des Erfordernisses, einzelne Informationen zusammenzuführen, BVerwG, Beschl. v. 21.2.2008 – 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236, juris Rn. 37).

(2) In dem Umfang, in dem der Beigeladene zu 2. Dateinamen und -größen sowie diesbezügliche Erläuterungen geschwärzt hat, rechtfertigt die in der Sperrerklärung gegebenen Erläuterung die Geheimhaltung nicht. Es kommt nur eine Teilschwärzung in geringerem als dem bisherigen Umfang in Betracht. Dies betrifft Bl. 104 bis 107, 131 bis 133, 161 bis 164.

Die Sperrerklärung führt insoweit aus, aus den Dateinamen könnten sich Rückschlüsse auf implementierte Funktionen des Geräts ergeben. Informationen über Dateigrößen erlaubten Rückschlüsse auf die Komplexität der Umsetzung und damit auf die Qualität bestimmter Geräteeigenschaften. Eine Begründung, warum die Erläuterungen zu den Änderungen ein Betriebsgeheimnis enthalten, fehlt ganz. Nach Lektüre dieser Erläuterungen drängt sich auf, dass sie nur teilweise Geheimnisschutz genießen können. Auch im Übrigen ist nicht hinreichend zwischen bereits bekannten oder offengelegten und noch nicht offenkundigen Sachverhalten unterschieden worden. Beispielsweise ergibt sich aus Bl. 162 der offengelegten Unterlagen, dass das Gerät eine „Jammed“-Anzeige besitzt. Vor diesem Hintergrund kann der Dateiname „JAM“ keine als Geheimnis einzustufende Information über die implementierten Funktionen enthalten. Eine rechtmäßige Sperrerklärung kann insoweit nur abgegeben werden, wenn eine saubere Trennung zwischen Funktionen, deren Vorhandensein bekannt ist, und solchen, deren Vorhandensein nicht bekannt ist, erfolgt, und nur aussagekräftige Dateinamen, die sich auf letztere beziehen, geschwärzt werden. Auch soweit Angaben zu Dateigrößen Rückschlüsse ermöglichen sollen, muss erkennbar gemacht werden, dass konkret geprüft worden ist, bei welchen Dateien das der Fall sein könnte. Will der Beigeladene zu 2. weiterhin Angaben über Änderungen schwärzen, muss er begründen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang derartige Angaben ein Betriebsgeheimnis darstellen.

(3) Hinsichtlich des Datenblatts ist ein Geheimhaltungsgrund bezogen auf Blatt 126 bis 127 nicht anzuerkennen. Es handelt sich um Folgeseiten des Datenblatts, die, anders als die erste Seite des Datenblatts (Blatt 125), nicht typenspezifisch sind. Während die Umrahmung auf dieser ersten Seite die Identifikation des Bauteils zuließe, ist eine derartige Möglichkeit bei den Folgeseiten nicht erkennbar. Das Datenblatt selbst war frei verfügbar. Der Senat konnte eine neuere Fassung ohne Schwierigkeiten im Internet abrufen. Warum die auf Blatt 126 bis 127 des Datenblatts enthaltenen Informationen ein Betriebsgeheimnis darstellen oder den Rückschluss auf ein Betriebsgeheimnis zulassen könnten, ergibt sich aus der Sperrerklärung nicht.

(4) Hinsichtlich der weiteren nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile hat sich der Senat anhand der vom Beklagten vorgelegten, vollständig lesbaren Akten davon überzeugt, dass die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen.

c. Soweit die vom Beklagten geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorliegen, fehlt es zwar an einer Ermessensentscheidung des Beigeladenen zu 2. Das führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung, weil das Ergebnis der Ermessensausübung rechtlich zwingend vorgezeichnet ist; soweit tatsächlich Betriebsgeheimnisse vorliegen, dürfen sie nicht offengelegt werden.

Die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei bestehendem Geheimhaltungsbedarf erfordert grundsätzlich eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2011 – 20 F 18.10 -, juris Rn. 9 m.w.N.).

An einer solchen Ermessensentscheidung fehlt es. Die Sperrerklärung vom 7. September 2017 führt die Geheimhaltungsgründe aus und betont deren Gewicht. Der Beigeladene zu 2. gibt aber nicht zu erkennen, dass er sich der Verpflichtung bewusst gewesen wäre, das Interesse an der Geheimhaltung mit dem privaten Interesse des Klägers und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung im gerichtlichen Verfahren abzuwägen.

Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen der Grundrechte sind Fälle denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so gewichtig ist, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch – nicht jedoch rechtlich – weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert (BVerwG, Beschl. v. 21.2.2008 – 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236, juris Rn. 20; v. 19.1.2009 – 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114, juris Rn. 9; v. 8.2.2011 – 20 F 13.10 -, DVBl. 2011, 501, juris Rn. 20).

Die Abwägung des öffentlichen und privaten Interesses an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz und der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden widerstreitenden Individualinteressen ergibt ein Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses.

Neben dem bereits erwähnten Interesse an der Wahrheitsfindung steht das Interesse des Klägers, seinen materiellen Anspruch auf Informationszugang verwirklichen zu können. Unmittelbare rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Vorteile für ihn selbst sind dabei nicht ersichtlich. Das Interesse, die Tätigkeit der Beklagten für die Öffentlichkeit transparent zu machen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.1.2009 – 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114), ist bei den Informationen, die Gegenstand des Verfahrens sind, nur von mäßigem Gewicht, denn es handelt sich um Dateinamen und -größen sowie ein Datenblatt, aus dem der Typ eines Bauteils abzuleiten sein kann.

Die mittelbar durch den Kläger mit der Geltendmachung eines Informationszugangsanspruchs verfolgten Zwecke haben ebenfalls kein hohes Gewicht. Der Kläger möchte, soweit ersichtlich, die Überprüfbarkeit der Messergebnisse eines Geschwindigkeitsmessgeräts erhöhen, welches bei der Ermittlung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten zum Einsatz kommt. Wäre der Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz die einzige Möglichkeit, ein faires Ordnungswidrigkeitenverfahren herbeizuführen, so hätte dieses Interesse hohes Gewicht. So verhält es sich aber nicht. Es ist nicht Sache des Oberverwaltungsgerichts zu entscheiden, ob ein faires Verfahren voraussetzt, dass der Betroffene Zugang zu den von der Sperrerklärung erfassten Informationen hat. Dabei ist denkbar, dass ein faires Verfahren ohne Zugang zu diesen Informationen möglich ist, dass ein faires Verfahren nicht möglich ist und ein Freispruch erfolgen muss oder dass die erforderlichen Informationen im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu ermitteln sind. Zu diesen Fragen existiert eine differenzierte Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte in Ordnungswidrigkeitensachen. Diese werten die amtliche Bauartzulassung als antizipiertes Sachverständigengutachten, das dazu führen kann, dass die Anwendung eines Geschwindigkeitsmessgeräts als standardisiertes Messverfahren zu qualifizieren ist. Unter bestimmten Voraussetzungen darf der Tatrichter bei einer mit einem standardisierten Messverfahren durchgeführten Messung ohne weitergehende Beweiserhebung von der Richtigkeit des Messwerts ausgehen. Weitergehende Ermittlungen sind nur aufgrund eines substantiierten Vortrags des Betroffenen zu behaupteten Messfehlern veranlasst. Mit der Frage, inwiefern dem Betroffenen derartiger Vortrag durch die Zugänglichmachung von Tatsachen bereits vor der Hauptverhandlung ermöglicht werden muss, haben die ordentlichen Gerichte sich vielfach beschäftigt (vgl. z.B. VerfGH des Saarlandes, Beschl. v. 27.4.2018 – Lv 1/18 -, NZV 2018, 275; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.6.2018 – 3 Ss OWi 626/18 -, NStZ 2018, 724; OLG Celle, Beschl. v. 16.6.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 -, juris; OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.7.2018 – 2 Ss (OWi) 197/18 -, juris). Somit ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren dasjenige Verfahren, in dem die ordentlichen Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang der Betroffene sich Kenntnisse und Daten bezüglich des technischen Aufbaus des Geschwindigkeitsmessgeräts verschaffen können muss. Das Interesse, an der Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorbei Informationen auf dem Weg über das Informationsfreiheitsrecht zu erlangen, von denen nicht feststeht, ob sie für ein faires Verfahren erforderlich sind, hat kein hohes Gewicht.

Die bezeichneten Interessen haben auch in ihrem Zusammenspiel keine Bedeutung, die derjenigen des grundrechtlichen Schutzes der Betriebsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1. gleichkommt; der Grundrechtsschutz überwiegt vielmehr.

Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht. Denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit, für den das Gerichtskostengesetz einen Ansatz von Gerichtsgebühren nicht vorsieht und besondere anwaltliche Vergütungsansprüche nicht entstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.2010 – 20 F 15.10 -, NVwZ-RR 2011, 261). Auch ein Streitwert ist daher nicht festzusetzen.


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