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Entscheidungen

StPO

Befangenheit, Ausführungen zu gerichtlichen Strafmaßvorstellungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2018 - 3 RVs 46/18

Leitsatz: Ausführungen des Vorsitzenden zu den gerichtlichen Strafmaßvorstellungen im Rahmen einer Erörterung nach § 257b StPO können nicht den Vorwurf der Befangenheit begründen.


In pp.

Die Revisionen werden als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel einschließlich der den Angeklagten darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Wuppertal hat den Angeklagten Z. wegen Bestechlichkeit in acht Fällen, Vorteilsannahme in zwei Fällen sowie Untreue in 58 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten M. wegen Bestechung in zwei Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Das Landgericht hat diese Strafen - bei dem Angeklagten Z. nach auf die beiden Fälle der Vorteilsannahme bezogener Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO - auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung bzw. auf eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätze zu je 30 Euro reduziert. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verfahrens- und Sachrüge gestützten Revisionen gegen beide Angeklagte, denen sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen hat.

II.

Beide Revisionen sind unbegründet.

1. Sie stützen sich in erster Linie auf zwei Verfahrensrügen wegen Verstoßes gegen § 24 Abs. 2 StPO sowie gegen § 257c StPO.

a) Diesen liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:

Der Vorsitzende der Berufungskammer hatte zu Beginn der Hauptverhandlung nach Mitteilung gem. § 243 Abs. 4 StPO und Hinweis gem. § 243 Abs. 5 StPO „nach § 257b StPO“ erklärt, dass bei den Angeklagten nach vorläufiger Auffassung des Gerichts im Falle umfassender Geständnisse eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung bzw. eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen „in Betracht“ komme. Nach anschließender Unterbrechung der Hauptverhandlung äußerte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seine Vorstellung von einer zusätzlichen Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen gegen den Angeklagten Z. und von einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen gegen den Angeklagten M.. Nachdem sich die beiden Verteidiger demgegenüber der Erklärung des Vorsitzenden angeschlossen hatten und die Sitzung erneut unterbrochen worden war, erklärte der Vorsitzende, „die Erörterung nunmehr beenden zu wollen. Seine Ausführungen zu den Strafmaßvorstellungen eingangs der Hauptverhandlung würden allerdings Vertrauensschutz genießen, eine Abweichung hiervon würde die Erteilung eines Hinweises voraussetzen (§ 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO).“ Wegen dieser Erklärung lehnte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, da dieser „- auch wegen der von ihm erklärten Selbstbindung - Zweifel an der gebotenen Unvoreingenommenheit begründet“ habe. Das Ablehnungsgesuch wurde im Rahmen des § 27 Abs. 1 StPO als unbegründet zurückgewiesen und die Angeklagten am zweiten Hauptverhandlungstag unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden zu den oben genannten Gesamtstrafen verurteilt.

b) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Ablehnungsgesuch nicht im Sinne des § 338 Nr. 3 StPO mit Unrecht verworfen worden. Die beanstandete Erklärung des Vorsitzenden war nicht geeignet, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

Der Vorsitzende hat eine - mögliche - Abweichung von den zu Beginn der Hauptverhandlung geäußerten Strafmaßvorstellungen zu Recht von der Erteilung eines vorherigen Hinweises nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO abhängig gemacht.

In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dieser neuen Bestimmung ist gerade eine „Erörterung nach § 257b StPO“ ausdrücklich als Mitteilung einer vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht genannt, die regelmäßig einen Vertrauenstatbestand schaffe, so dass das Verbot der Überraschungsentscheidung im Falle der geplanten Abweichung einen gerichtlichen Hinweis gebiete (vgl. BT-Drucks. 18/11277 S. 37).

Die hier in Rede stehenden Ausführungen des Vorsitzenden zu den gerichtlichen Strafmaßvorstellungen fanden nach dem ausdrücklichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls aber gerade im Rahmen von Erklärungen „nach § 257b StPO“ statt. Die Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Vorschrift wiederum weist darauf hin, dass Gegenstand einer Erörterung nach § 257b StPO „auch die Angabe einer Ober- und Untergrenze der nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein kann“. Mit dieser Vorschrift werde „auch klargestellt, dass sich das Gericht durch die Bekanntgabe seiner Einschätzung des Verfahrensstandes nicht dem Vorwurf der Befangenheit“ aussetze (BT-Drucks. 16/11736 S. 10 f.).

Schon aus den genannten Gesetzesbegründungen selbst ergibt sich damit, dass das Vorgehen des Vorsitzenden und insbesondere seine oben zitierte Erklärung in vollständiger Übereinstimmung mit den (neuen) gesetzlichen Vorgaben stand und eine Besorgnis der Befangenheit nicht bestand (vgl. dazu in entsprechender Situation auch BGH, Urteil vom 14. April 2011, 4 StR 571/10, Rn. 11).

c) Als unbegründet erweist sich vor diesem Hintergrund auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c StPO. Denn dem angefochtenen Urteil ging - anders als von der Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung vertreten - „eine gescheiterte Erörterung über eine mögliche Verständigung“ nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht voraus.

Das Vorgehen des Vorsitzenden hielt sich - wie er zu Beginn ausdrücklich klargestellt hatte - vollständig im Rahmen des § 257b StPO. Eine Regelung der Verständigung enthält diese Vorschrift nicht (BT-Drucks. 16/11736 S. 11). Zwar erlaubt § 257b StPO es dem Gericht, den Stand des Verfahrens in der Hauptverhandlung mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, um eine Verständigung vorzubereiten (vgl. BGH a.a.O. Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 257b Rn. 2). Hier beendete der Vorsitzende die Erörterungen nach § 257b StPO jedoch, noch bevor eine mögliche Verständigung thematisiert worden wäre und hätte scheitern können.

Selbst wenn aber mit Blick auf die Nähe der vorliegenden Situation zum im § 257c Abs. 3 StPO geregelten Verfahren davon ausgegangen würde, die Erörterungen seien nicht nur auf eine Verständigungsvorbereitung, sondern die einvernehmliche Verfahrenserledigung selbst gerichtet gewesen, wäre § 257c StPO nicht verletzt. Voraussetzung dafür wäre hier das Vorliegen einer - dann nur „informell“ möglichen - Absprache zwischen Gericht und Angeklagten, an der es vorliegend aber fehlt. Abgesehen davon, dass die Revision insoweit keine Einzelheiten mitteilt und sich ein entsprechendes Ergebnis im Rahmen bloßer Vermutungen hielte, hatte der Vorsitzende die (mögliche) Abweichung von den zuvor als „in Betracht“ kommend bezeichneten Gesamtstrafen in seinem von der Staatsanwaltschaft beanstandeten Hinweis ausdrücklich thematisiert und damit klargestellt, dass eine Bindung der Kammer nicht bestand. Trotz dieses Hinweises an eine informelle Absprache zu glauben, würde die Annahme der Unredlichkeit des Richters bedeuten, für die es weder eine strafprozessuale Grundlage noch den geringsten konkreten Anhalt gibt.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Fall auch nicht mit der von der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang ins Feld geführten Entscheidung des OLG München vom 9. Januar 2014 (4 StRR 261/13) zu vergleichen. Dort hatte die Strafkammer gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger nach dem Scheitern von auf eine Verständigung nach § 257c StPO abzielenden Gesprächen gerade im Rahmen einer informellen Absprache eine Verpflichtungserklärung abgegeben und bei entsprechendem prozessualen Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers eine Rechtsfolge (bindend) in Aussicht gestellt.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat durchgreifende Rechtsfehler ebenso wenig ergeben. Soweit die Staatsanwaltschaft hier (allein) die fehlerhafte Anwendung des § 46 StGB durch die Verhängung von zuvor unter Verstoß gegen § 257c StPO abgesprochener Punktstrafen beanstandet, ist der zu Grunde liegende Verfahrensablauf dem Urteil selbst nicht zu entnehmen und damit bei dessen sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen fand eine verfahrensfehlerhafte Strafabsprache nach den Ausführungen zu den Verfahrensrügen ohnehin nicht statt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.


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