Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.01.2019 - 6 Rb 26 Ss 731/18
Leitsatz: Wird die (Regel)Geldbuße vom Amtsgericht auf 1.000 Euro erhöht, sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen.
6 Rb 26 Ss 731/18
Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss
in der Bußgeldsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
Der 6. Senat für Bußgeldsachen hat in der Besetzung nach § 80 a Abs. 1 OWiG am 11. Januar 2019 beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 13. März 2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
2. Die weitere Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Ulm hat den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangener Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 69 km/h zu der Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt und zudem - unter Einräumung der Viermonatsfrist des § 25 Abs. 2 a StVG - ein Fahrverbot von drei Monaten festgesetzt. Damit ging das Amtsgericht über die im Bußgeldbescheid festgesetzten Sanktionen von 800 Euro Geldbuße und zwei Monaten Fahrverbot hinaus.
Der Betroffene rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Begründung der Rechtsbeschwerde hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
III.
Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg, da die Ausführungen im Urteil zur Rechtsfolgenbemessung rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.
Das Amtsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass Nr. 11.3.9 der Tabelle 1 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) bei fahrlässiger Begehungsweise für die hier festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße in Höhe von 440 Euro und ein Regelfahrverbot von zwei Monaten vorsieht und nach § 3 Abs. 4 a BKatV bei der hier festgestellten vorsätzlichen Begehungsweise die Geldbuße in der Regel zu verdoppeln, also auf 880 Euro festzusetzen ist. Das Amtsgericht war sich zudem der Möglichkeit des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbots bewusst und hat dies mit im Ergebnis nicht zu beanstandender Begründung verneint.
Soweit das Amtsgericht die Geldbuße auf 1.000 Euro erhöht hat, hätte es allerdings Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen treffen müssen (§ 17 Abs. 3 S. 2 HS 1 OWiG). Zwar sind Feststellungen dazu dann entbehrlich, wenn der Betroffene - wie hier - auf seinen Antrag von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden war, sein Verteidiger insoweit keine Angaben für ihn gemacht hat und der Regelsatz nach der BKatV festgesetzt wird, selbst wenn dieser wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt wird (vgl. OLG Frankfurt BeckRS 2017, 101830 Rn. 12 mit weiteren Nachw.). Dies soll auch dann gelten, wenn der (verdoppelte) Regelsatz nur um einen geringen Betrag erhöht wird (OLG Zweibrücken 1 OWi 2 Ss Bs 87/17 Leitsatz 2, zit. nach juris). Davon kann jedoch bei einer Erhöhung um weitere 120 Euro nicht mehr ausgegangen werden.
Soweit das Amtsgericht das Regelfahrverbot vorliegend von zwei auf drei Monate erhöht hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Eine Erhöhung kommt dann in Betracht, wenn gewichtige Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Regelfahrverbot nicht ausreicht, den Betroffenen nachhaltig zu beeindrucken (vgl. OLG Stuttgart NZV 1996, 159). Hier bestehen bereits Zweifel, ob die dafür im Urteil gegebene Begründung ausreicht. Jedenfalls aber lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht insoweit der Wechselwirkung zwischen (erhöhtem) Fahrverbot und (erhöhter) Geldbuße bewusst war. Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung über die Dauer des Fahrverbots hierauf beruht.
Für die neue Hauptverhandlung wird noch auf Folgendes hingewiesen:
Bei der Frage der Verwertung von Vorverurteilungen zum Nachteil des Betroffenen ist darauf abzustellen, ob zwischen den früher begangenen Ordnungswidrigkeiten und der neuen Tat in sachlicher und zeitlicher Hinsicht ein innerer Zusammenhang besteht. Anzuführen sind im Einzelnen die Art der begangenen Verfehlungen, ihre Zeitpunkte und die Daten der ergangenen Sanktionen nebst Rechtskraft (vgl. auch OLG Zweibrücken a.a.O. Rn. 12).
Einsender: RA C. Schlichting, Düsseldorf
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