Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 12.03.2019 - 3 Ws (B) 53/19
Leitsatz: 1. Liegt eine Geldbuße über der Geringfügigkeitsgrenze von 250 Euro, so müssen die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten.
2. Dies gilt dann nicht, wenn das Tatgericht auf die ggf. nach § 3 Abs. 4a BKatV erhöhte Regelgeldbuße erkennt und keine Anhaltspunkte für ein unter- oder überdurchschnittliches Einkommen vorhanden sind.
3. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen können auch dann erlässlich sein, wenn die Regelbuße lediglich um einen geringfügigen Betrag erhöht wird und sich die Bemessung ersichtlich noch an der Regelgeldbuße orientiert. Insbesondere bei einem zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen schweigenden Betroffenen gebietet es die gerichtliche Aufklärungspflicht dann nicht, Feststellungen durch ggf. mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen einhergehenden und zur Bedeutung der Tat und der Höhe der Geldbuße unverhältnismäßigen Maßnahmen zu treffen.
In pp.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Dezember 2018 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes gemäß §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 (ergänzt: Spalte 3 Zeichen 274), 49 (ergänzt: Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 Nr. 1 Tabelle 1, lfd. Nr. 11.3.8 BKatV, § 24 Abs. 1 StVG), 25 Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 600 EUR verurteilt, ein zweimonatiges Fahrverbot festgesetzt und nach § 25 Abs. 2a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. Februar 2019 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
II.
Die auf die Rüge des materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch wendet, ist es aus den Gründen der dem Betroffenen bekannten Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).
2. Auch in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch bleibt der Rechtsbeschwerde der Erfolg versagt.
Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; insoweit ist die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (vgl. etwa Senat, 2. August 2018 3 Ws (B) 202/18 ; OLG Hamm NZV 2008, 306; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 278).
a) Die Verhängung des zweimonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von 51-60 km/h ausweislich der § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BKatV in Verbindung mit Tabelle 1 lit. c) Nr. 11.3.8 der Anlage zur BKatV regelmäßig die Anordnung eines (zweimonatigen) Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor. Von der Anordnung eines Fahrverbots kann daher nur dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter besitzt, dass die Verhängung der regelhaften Sanktionen der BKatV, insbesondere die Anordnung eines Fahrverbots eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. März 2018 3 Ws (B) 90/18 , vom 18. Januar 2018 3 Ws (B) 338/17 und vom 24. Februar 2016 3 Ws (B) 95/16 ; alle [juris]).
Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Urteil in noch ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von der Anordnung eines Fahrverbots abzusehen. Mit seiner Formulierung, es bedürfe der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots (UA S. 4), hat das Amtsgericht zugleich erkennbar gemacht, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können.Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38, 125).
b) Die Festsetzung der um 40 EUR erhöhten Regelgeldbuße begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht keine Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat.
Das Amtsgericht hat sich bei der Bemessung der Geldbuße am Regelsatz der hier einschlägigen laufenden Nr. 11.3.8 des Anhangs (Tabelle 1 lit. c) der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, hat diese sodann nach § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV aufgrund der vorsätzlichen Begehungsweise verdoppelt, die einschlägigen, zur Zeit des Erkenntnisses noch nicht tilgungsreifen verkehrsrechtlichen Vorahndungen des Betroffenen zu seinen Ungunsten berücksichtigt und eine Geldbuße von 600 EUR festgesetzt.
Diese Geldbuße liegt über der Geringfügigkeitsgrenze von 250 EUR, so dass nach § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten müssen (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 18. August 2016 3 Ws (B) 381/16 m.w.N.). Dass diese fehlen, ist vorliegend jedoch unschädlich.
Von diesen Feststellungen als Bemessungskriterium kann nämlich dann abgesehen werden, wenn das Tatgericht den Regelsatz nach dem BKat, auch den nach § 3 Abs. 4a BKatV erhöhten, verhängt und keine Anhaltspunkte für ein unterdurchschnittliches Einkommen vorhanden sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Juni 2016 3 Ws (B) 207/16 ; vom 27. November 2015 3 Ws (B) 510/15 ; vom 2. April 2015 3 Ws (B) 39/15 , [juris]; die obergerichtliche Rechtsprechung zusammenfassend OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24. November 2017 1 OWi 2 Ss Bs 87/17 BeckRS 2017, 134516; OLG Celle NZV 2016, 144). Denn den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung liegen durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse zu Grunde (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG 17. Aufl., § 17 Rn. 29 m.w.N.).
Gleiches gilt, wenn die Regelbuße wie hier lediglich um einen geringfügigen Betrag erhöht wird (so auch OLG Zweibrücken a.a.O.; ähnlich OLG Frankfurt a.M. NStZ 2016, 159). Auch in diesen Fällen orientiert sich die Bemessung der Geldbuße noch an der vom Verordnungsgeber zuvorderst an der Bewertung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und den Grad der Vorwerfbarkeit ausgerichteten Regelgeldbuße. Insbesondere gebietet es die gerichtliche Aufklärungspflicht dann nicht, bei einem zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen schweigenden Betroffenen, diese Feststellungen mit einer ggf. schwerwiegenden Grundrechtseingriff einhergehenden und zur Bedeutung der Tat und Höhe der Geldbuße unverhältnismäßig erscheinenden Maßnahme wie der Durchsuchung der Wohn- oder Geschäftsräume nach Einkommensnachweisen des Betroffenen zu treffen.
Nach diesen Grundsätzen waren vorliegend keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen, so dass die Rechtsfolgenentscheidung insgesamt nicht zu beanstanden ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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