Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stendal, Beschl. v. 01.10.2018 - 501 Qs (394 Js 6425/18) 62/18
Leitsatz: 1. Zur Bestellung des Pflichtverteidigers wegen Schwere der Tat in den Fällen der Gesamtstrafe.
2. Eine nur beabsichtigte Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPo hat keine Auswirkungen auf die Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung.
Landgericht Stendal
Beschluss
501 Qs (394 Js 6425/18) 62/18
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Jan-Robert Funck aus Braunschweig
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hat die Große Strafkammer 1 des Landgerichts Stendal als Beschwerdekammer durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Amtsgericht am 1. Oktober 2018 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Gardelegen vorn 25 Juli 2018 mit dem das Amtsgericht den Antrag des Angeklagten auf Bestellung eines notwendigen Verteidigers zurückgewiesen hat, aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt pp. aus Braunschweig als notwendiger Verteidiger bestellt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last
Gründe:
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stendal vom 28 Mai 2018 erließ das Amtsgericht Gardelegen gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen eines am 07. Februar 2017 begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmittel. Als Rechtsfolge war eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 vorgesehen.
Unter dem 06. April 2018 hatte die Staatsanwaltschaft Stendal gegen den Angeklagten unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung mit Waffen Anklage zum Landgericht Stendal erhoben. Die Hauptverhandlung in dieser Sache dauert an.
Gegen den ihm am 03. Juli 2018 zugestellten Strafbefehl hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 06. Juli 2018, beim Amtsgericht taggleich eingegangen, Einspruch erhoben und die Bestellung von Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger beantragt. Hierbei wies er auf das oben dargestellte Verfahren vor dem Landgericht Stendal hin.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Beiordnungsantrag zurückgewiesen, da die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO nicht vorlägen. Mit Verfügung vom 30. Juli 2018 hat das Amtsgericht den Angeklagten zu einer Einstellung nach § 154 StPO angehört. Eine Entscheidung hierüber ist nach Aktenlage bisher nicht ergangen.
Gegen den Beschluss vom 25. Juli 2018 hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 09 August 2018 Beschwerde erhoben und erneut auf das gesamtstrafenfähige Verfahren 501 KLs 6/18 vor dem Landgericht Stendal verwiesen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt
Die nach § 304 StPO statthafte und ansonsten zulässige Beschwerde des Angeklagten hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestellung als Pflichtverteidiger gern. § 140 Abs. 2 StPO waren vorliegend evident gegeben.
Nach § 140 Abs. 2 StPO ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen. wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage dies gebieten. Die Schwere der Tat beurteilt sich vor allem nach dem zu erwartenden Rechtsfolgenausspruch. Bei einer Straferwartung von einem Jahr ist hierbei regelmäßig ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Dies gilt auch dann, wenn diese Straferwartung nur aufgrund einer zu bildenden Gesamtstrafe erreicht wird (vgl. zusammenfassend Meyer-Goßner. Strafprozessordnung, 56 Auflage. § 140, Rdn. 23, m.w.N.).
Vorliegend gebietet die Schwere der Tat die Bestellung eines Pflichtverteidigers Die hier in Rede stehende Tat ist mit der Tat im Verfahren 501 KLs 6/18 gesamtstrafenfähig. Im dortigen Verfahren wird dem Angeklagten ein Verbrechen mit einer Mindeststrafe von 5 Jahren zur Last gelegt. Im Verurteilungsfalle ist es daher für die Prüfung der Pflichtverteidigerbestellung als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, dass die Gesamtstrafe über einem Jahr liegen dürfte, womit nach der oben dargestellten Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfüllt sind.
Unerheblich ist, dass es seitens des Amtsgerichts angedacht ist, das Verfahren nach § 154 StPO einzustellen. Eine solche Einstellung ist nach Aktenlage bisher nicht ausgesprochen worden. so dass zum jetzigen Zeitpunkt seitens des Angeklagten noch Verteidigungsbedarf besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA J.R. Funk, Braunschweig
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