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Entscheidungen

Gebühren

Mehrere Verteidiger, Wahlanwalt und Pflichtverteidiger, Kostenerstattung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 06.05.2019 - 3 Ws 136/19

Leitsatz: Beauftragt der Angeklagte, dem ein Verteidiger seines Vertrauens bestellt ist, einen Wahlverteidiger so kurz vor der Hauptverhandlung, dass wegen des Beschleunigungsgebots eine Rücknahme der Bestellung nach § 143 StPO nicht mehr in Betracht kommt, so ist bei einem Freispruch der Erstattungsanspruch auf diejenigen Kosten begrenzt, die bei der Vertretung durch nur einen Verteidiger angefallen wären.


Oberlandesgericht Celle

Beschluss
3 Ws 136/19

In der Strafsache
gegen pp.

wegen schweren Raubes u.a.
hier: Kostenfestsetzung

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht am 6. Mai 2019 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hildesheim vom 1. März 2019 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Freigesprochene zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 2.832,10 Euro.

Gründe:

Das Landgericht Hildesheim hat den Beschwerdeführer am 20. August 2018 auf Kosten der Landeskasse rechtskräftig von dem Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung freigesprochen und der Landeskasse auch seine notwendigen Auslagen auferlegt. Seinem diesbezüglichen Festsetzungsbegehren hat das Landgericht mit Beschluss vom 1. März 2019 hinsichtlich der Kosten der Verteidigung durch Rechtsanwalt S., den – nach anfänglichem Handeln als Wahlverteidiger – der Strafkammervorsitzende am 18. April 2018 dem Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger beigeordnet hatte, entsprochen. Die mit Schreiben vom 3. September 2018 beantragte Festsetzung der Kosten auch der Verteidigung durch Rechtsanwalt K. in Höhe von 2.832,10 Euro hat das Landgericht abgelehnt. Rechtsanwalt K. hatte sich am 7. August 2018 mit Vollmacht als Wahlverteidiger gemeldet und war in den Verhandlungsterminen am 9., 14. und 20. August 2018 neben dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. vor der großen Strafkammer aufgetreten.

Die sofortige Beschwerde des Freigesprochenen gegen die Zurückweisung seines Festsetzungsbegehrens hinsichtlich der Kosten der Verteidigung durch Rechtsanwalt K. hat keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist nach §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 3 RpflG zulässig. Die Zweiwochenfrist des § 464b Satz 4 StPO ist gewahrt. Der in Kostensachen geltende Beschwerdegrenzwert des § 304 Abs. 3 StPO wird überschritten. Über das Rechtsmittel hat der Senat in der für Strafsachen vorgeschriebenen Dreierbesetzung zu entscheiden (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160; OLG Nürnberg ZfS 2011, 226; KK-Gieg StPO 7. Aufl. § 464b Rn. 4b; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 464b Rn. 7; jew. mwN).

2. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit erstattet werden, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 464a Rn. 13 mwN).

Dieser Grundsatz verstößt nicht gegen das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juli 2004 – 2 BvR 1436/04, NJW 2004, 3319). Aus dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von zwei Anwälten seines Vertrauens verteidigen zu lassen, folgt nicht, dass dem nicht verurteilten Beschuldigten in jedem Fall die gesamten Auslagen für zwei Wahlverteidiger zu erstatten wären. Zur Gewährleistung eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens genügt es regelmäßig, wenn ihm ein Verteidiger zur Seite steht, dessen Kosten im Falle eines Freispruchs grundsätzlich erstattet werden (BVerfG aaO).

Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger; neben Letzterem ist eine Wahlverteidigung regelmäßig nicht mehr „notwendig" (vgl. OLG Rostock NJ 2017, 39 mwN). Daher sieht das Gesetz in § 141 Abs. 1 StPO die Bestellung eines Verteidigers nur dann vor, wenn der Angeklagte nicht bereits einen (Wahl-)Verteidiger hat. Die Kosten eines (zusätzlichen) Wahlverteidigers kann er im Falle einer ihm günstigen Kostenentscheidung insoweit nicht bzw. nur in Höhe der Differenz zu den entstandenen Pflichtverteidigerkosten gegen die Staatskasse geltend machen (OLG Rostock aaO; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 317). Wurde - wie im vorliegenden Fall - zunächst der Pflichtverteidiger bestellt, so sind die Gebühren des später beauftragten Wahlverteidigers mithin regelmäßig um die an den Pflichtverteidiger gezahlten Gebühren zu kürzen (OLG Rostock aaO; KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464a Rn. 13).
Der Grundsatz der Anrechnung von Pflichtverteidigerkosten auf die erstattungsfähigen Gebühren eines daneben tätigen Wahlverteidigers gilt zwar nicht uneingeschränkt. So wird die ungekürzte Erstattungsfähigkeit der Wahlverteidigerkosten ausnahmsweise als gerechtfertigt angesehen, wenn das Nebeneinander von Wahl- und Pflichtverteidiger nicht der Sphäre des Angeklagten zuzurechnen ist (KG StV 2003, 175), die Beiordnung eines Pflichtverteidigers also nicht von dem Angeklagten oder seinem Wahlverteidiger zu vertreten ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn einem Beschuldigten ohne dessen Veranlassung neben dem Wahlverteidiger ein Pflichtverteidiger zur Verfahrenssicherung bestellt wird (so OLG Köln, Beschluss vom 24. August 2004 - 2 Ws 383/04, juris; KG NStZ-RR 2000, 163) oder wenn eine zuvor erfolgte Pflichtverteidigerbestellung entgegen § 143 StPO nicht zurückgenommen wird (so KG aaO; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 63; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 287).

Vorliegend greift keine dieser Ausnahmen. Denn dem Freigesprochenen war zunächst sein gewählter Verteidiger bestellt worden und die Anzeige der Wahl eines neuen Verteidigers erfolgte Monate später und erst zwei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung. Zu diesem späten Zeitpunkt kam eine Rücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers ohne Gefährdung des Beginns und zügigen Fortgangs der Hauptverhandlung nicht mehr in Betracht, weil der Wahlverteidiger nicht hinreichend eingearbeitet und eine Verschiebung der Hauptverhandlung mit Blick auf das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu vermeiden war. Bei einer derartigen Sachlage liegt das Nebeneinander von Wahl- und Pflichtverteidigung in der Sphäre des Freigesprochenen (vgl. OLG Rostock aaO).

Soweit der Wahlverteidiger geltend macht, dass seine Einschaltung neben der des Pflichtverteidigers „gerade aufgrund der detaillierten Kenntnis und Zugang in den Bereich der hier tätigen polnischen Bauarbeiter“ notwendig gewesen sei, greift dies nicht durch. Durch die unmissverständliche Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO, also auch auf dessen Satz 3, sind die Grenzen der Erstattbarkeit von Wahlverteidigerkosten eindeutig abgesteckt. Dies gilt regelmäßig auch für umfangreiche und schwierige Verfahren (vgl. Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 464a Rn. 32). Ungeachtet dessen ist nicht erkennbar, warum die Einschaltung des Wahlverteidigers erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als der Strafkammervorsitzende nicht mehr entsprechend § 143 StPO reagieren konnte, ohne das Verfahren ernsthaft zu gefährden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: 3. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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